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Mitgliedervotum der FDPQuittung für Führungsschwäche

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Das knappe Ergebnis ist für Christian Lindner kein Vertrauensbeweis. Der Parteichef weiß nicht, was er eigentlich mit der Ampel erreichen will.

Parteichef Christian Lindner: Was will die FDP in der Regierung? Foto: Annegret Hilse/reuters

R ückenwind sieht anders aus, ein Vertrauensbeweis an die eigene Führung auch. Nur eine knappe Mehrheit der FDP-Mitglieder, die an der Onlinebefragung teilnahmen, hat sich für einen Verbleib in der Ampelkoalition ausgesprochen. Fast die Hälfte von ihnen war dafür, das ungeliebte Bündnis aufzukündigen. Eine Mehrheit nahm gar nicht erst an der Abstimmung teil.

Klar, das Ergebnis ist nicht bindend, aber es zeigt die innere Zerrissenheit der FDP: Ohne SPD und Grüne kann sie nicht regieren, mit ihnen will sie es aber auch nicht so richtig. Christian Lindner verkörpert diese Unentschiedenheit exemplarisch. Gegenüber seinen Koalitionspartnern verhält er sich wie jemand, der sich nicht zu seiner heimlichen Geliebten bekennen mag.

So macht er sich und seinem Umfeld vor, dass es nicht so sei, wie es aussehe, und er in Wirklichkeit gar nicht an einer Fortsetzung dieser unstandesgemäßen Verbindung interessiert sei. Das ist reiner Selbstbetrug und das Gegenteil jener Eigenverantwortung, für die einzutreten die FDP sich so gerne rühmt.

Es ist auch ein Zeichen von Führungsschwäche. Weil Christian Lindner nicht deutlich macht, was er in der Koalition noch erreichen will, fördert er den Frust und die Verunsicherung an der Basis. Das Ergebnis des Mitgliedervotums ist die Quittung dafür. Würde sich Linder zur Ampelkoalition bekennen und deutlich erklären, was seine Partei davon hat, würde er den FDP-Mitgliedern positive Orientierung bieten. Stattdessen arbeitet sich seine Partei zwanghaft an den Grünen und der SPD ab und versucht, deren Politik zu torpedieren und zu verhindern. Das ist etwas dürftig.

Was will die FDP?

Nur 22 Prozent der FDP-Mitglieder zeigten sich zuletzt in einer Umfrage des ZDF mit der Arbeit der Ampel zufrieden. Das Mitgliedervotum ­sehen prominente Parteimitglieder nun als Ansporn, weiteren Streit in die Koalition zu tragen. Das wird das Erscheinungsbild der Ampel nicht verbessern und den Absturz der FDP in den Umfragen nicht aufhalten. Warum sollte man eine Partei wählen, die nicht weiß, was sie in der Regierung will, und die sich in vielen Fragen inhaltlich kaum von der Union unterscheidet?

Ein eigenständiges liberales Profil zu zeigen könnte heißen, über parteipolitische Differenzen hinweg nach Schnittmengen zu suchen und gemeinsam die Modernisierung des Landes voranzubringen. Dazu müsste Lindner sich offensiv zur Ampel bekennen und konstruktive Vorschläge machen, statt nur störrisch auf der Schuldenbremse zu beharren. Damit könnte er seine Partei hinter sich bringen und wieder mehr Wähler von der FDP überzeugen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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21 Kommentare

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  • Ist es wirklich die Führungsschwäche des Christian Lindner, die der FDP dieses denkbar knappe Votum beschert hat?



    Liegt es nicht viel mehr an den Polykrisen der letzten beiden Jahre?



    Wie fiele denn eine Mitgliederbefragung zum Koalitionsverbleib bei SPD und Grünen aktuell aus? Wohl kaum besser, oder?



    Führungsschwäche und Orientierungslosigkeit des Vorstands mögen das Stimmungsbild zusätzlich eintrüben, aber so im Allgemeinen hat man doch das Gefühl, dass die Realität die Ampel eingeholt hat.



    Man erinnere sich an die Verhandlungen ganz zu Beginn dieser Koalition - Grün und Gelb berieten sich extra ohne SPD ob es denn überhaupt geht - überspitzt gesagt: Porsche und Fahrrad, Turbokapitalismus und Kreislaufwirtschaft unter einen Hut zu bekommen - das wäre auch ohne die Polykrisen der letzten beiden Jahre schon der Quadratur des Kreises gleichgekommen 🤷‍♂️

    • @Farang:

      Die einzige Krise, die die Ampel hat, ist, dass nicht jede Partei a' Gusto Geld ausgeben kann und man sich doch tatsächlich auch mal abstimmen und Prioritäten setzen muss.

  • Wo ist das Problem? Die FDP ist in der misslichen Lage, in einer Koalition zu regieren, die sie ständig vor die urnengiftige Wahl stellt, ihr Programm zu vernachlässigen (vergrätzt Stammwähler und kostet Eigenständigkeit) oder den blockierenden Bumann zu spielen (vergträtzt Wechselwähler). Darauf hat sie sich zwar sehenden Auges eingelassen, aber auch im Lichte der ätzenden Reaktion auf ihre Entscheidung vier Jahre vorher, das NICHT zu tun. Also ist sie ganz klar in einer Lage, wo man den bisherigen Kurs schonmal ernsthaft hinterfragen kann.

    Bei einer autoritären Kaderpartei mag es in so einem Fall Führungsschwäche beweisen, wenn man seine Basis überhaupt fragt, was man tun solll, und erst recht, wenn die dann auch in ganz un-realsozialistischer Gespaltenheit nahezu pari-pari antwortet. Anderswo allerdings sieht es so aus: Die Parteiführung schwankt und fragt, ob ihre Basis sie jetzt gerade für den einen oder anderen Kurs steinigen würde, und die Basis antwortet (letzlich in schöner Einigkeit mit der Parteiführung), dass sie SELBST geteilter Meinung ist - parteiinterne Demokratie, was willst Du mehr?

    Geschenkt, dass das den Job der Parteiführung nicht gerade erleichtert, denn sie MUSS sich für oder gegen ein Weitermachen entscheiden und mit den Konsequenzen leben. Aber daraus ein Misstrauensvotum für irgendwen außer der Ampel an sich zu konstruieren, ist aus meiner Sicht verfehlt.

  • Ich verstehe den Kommentar nicht so recht. Wäre es Ihnen lieber gewesen, die FPD träte aus der Koalition aus?

    Das Unbehagen mit der Ampel ist ja nicht ein Phänomen, welches ausschließlich in der FDP zu sehen ist. Das Bild ist bei Grünen und SPD doch das gleiche, allenfalls nicht ganz so offensichtlich.

    In der Ampel fehlt die gemeinsame Vorstellung.

    Platzt die Ampel, gibt es Neuwahlen, denn die CDU/CSU wird sich auf keine Koalition mit der stark geschwächten SPD einlassen. Zumal diese auch noch das Potenzial hat, sie mit in den Abgrund zu reißen.

  • Würde denn die gleiche Umfrage bei den Mitgliedern der SPD oder Grünen ein anderes Ergebnis haben? Wohl kaum.



    Warum sollte sich dann etwas ändern?

  • Was sollte diese "Show" denn? Bloss nicht aus den Schlagzeilen kommen? Oder ein Erpessungsversuch gegenüber den Koalitionspartnern? Wenn ihr nicht spurt, dann spielen wir nicht mehr mit. Ist uns doch egal, wenn wir mal wieder aus dem Bundestsg fliegen!

  • Eigentlich sollte es glasklar sein. Die FDP tut schon immer vorallem nur eines, die Interessen der Reichsten zu vertreten und das



    mit egal welchen Mitteln. Moralisch absolut unterirdisch, aber für 60 J. Von 75 J. BRD, sehr erfolgreich. Die FDP hat regelmäßig Entscheidungen durchgeboxt die Deutschlands Zukunftschancen richtig schädigen, einfach weil es gut war für irgendwelche Superreichen.

    • @Arjun G. G.:

      Was genau hat denn die FPD in den 60 Jahren durchgeboxt, was Deutschland geschädigt hat? Sie waren immer nur Juniorpartner. Einige -wie auch die FPD selbst- nehmen die Partei zu wichtig.



      Übrigens, den Reichsten ist es sowas von egal wer unter ihnen regiert.

    • @Arjun G. G.:

      Und? ... die Bevölkerung DEs gehört zu den 10% reichsten der Welt. Die FDP vertritt also nur ihre Interessen 🤪

  • Eigentlich ist die Ablehnung fundamental und umfassend. Das Ergebnis ist einfach keine Zustimmung, das hat nichts mit einer Mehrheit zu tun. Immerhin ist es genau das Ergebnis, das Lindner verdient hat. Die Partei ist am Ende, aber Lindner hat keinen Grund bekommen, hinzuwerfen. Er muss weiterhin die Regierungsfähigkeit der FDP beweisen und beweist dabei dauernd genau das Gegenteil. Die liberale Ideologie verbietet ja das Lenken und Führen, wie soll da eine solche Partei in der Regierung anders wirken als destruktiv?

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Eine Mehrheit nahm gar nicht erst an der Abstimmung teil."



    Onlinebefragung. „Digital first." Gibt es die Piratenpartei noch?

  • Lieber regieren als schlecht nicht.

  • Die FDP war schon immer eine Partei, welche um die 5% Hürde getanzt ist. Das Wahlergebnis war doch nur ein statistischer Ausrutscher. In meinen Augen durch das Wort liberal (freiheitlich) nach dem Lockdown geschuldet. Die Menschen haben sich nach Freiheit gesehnt. Das hat wohl viele Wähler angezogen, sprich einen unpolitischen Teil, der nach Worten statt nach Wahlprogram geht. Das ist meine These, ob Sie stimmt weiss ich nicht. Aber zumindest der Fakt eines Ausreisser Ergebnisses ist ja deutlich. Andere Thesen zur Erklärung habe ich nicht.

    Ob man daher von einem "Absturz der FDP in den Umfragen" reden kann, stelle ich in Frage. Der Ausreisser nach oben hat sich halt nicht lange gehalten...

  • Das Ziel der FDP in der aktuellen Koalition ist doch glasklar: Demontage der Grünen auf Regierungsebene, um die nächste Regierung ohne die Grünen vorzubereiten.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Das sehe ich auch so, die FDP ist doch ausschließlich in die Koalition eingetreten, weil sie sich anders nicht hätte profilieren können, als Partei, die es oft erst gar nicht über die 5-Prozenthürde schafft. In der Koalition hat sie trotz der wenigen Prozentpunkte die Möglichkeit die Politik maßgeblich zu beeinflussen, unter erpresserischen Machenschaften, wenn sie ihren Willen unter den großen Volksparteien (v.a. den Grünen) nicht durchsetzen kann, dann schlägt sie halt quer und agiert wie die Opposition in der Regierungskoalition. Ein derartig hoher Einfluss einer so kleinen Partei, in die Politik der vom Volk gewählten Regierung wäre ansonsten gar nicht möglich, die FDP würde außerhalb der Regierung doch noch weniger profitieren.



      Lindner prostituiert sich in der Regierung, um sich nicht wahrhaftig einzugestehen, dass die FDP aus sich heraus kine Punkte machen oder profitieren kann.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die FDP hat kein klares Ziel, eher Panik.

      Die nächste Koalition wird vermutlich wieder eine Groko, laut aktuellen Umfragen würden SPD und CXU nicht einmal reichen. Für eine 3er Koalition mit der FDP muss diese es erst schaffen wieder über die 5% Hürde zu kommen (aktuell 4,9%).

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die nächste Regierung wird dann aber auch ohne die FDP Stattfinden und die Umfragewerte der Grünen sind immer noch besser als die der FDP also Ziel ganz klar verfehlt würde ich sagen.

    • @Gnutellabrot Merz:

      So wie alle drei Ampelparteien in Richtung "bei den nächsten Landtagswahlen fliegen wir aus den jeweiligen Parlamenten" taumeln werden sich auch alle drei (hoffentlich) Gedanken machen, das zu verhindern.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Dazu müsste die FDP bei der nächsten Wahl erst 5% schaffen. Würde nicht darauf wetten.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Reine Spekulation, oder haben sie auch nur einen Beweis?



      Aktuell sieht es doch eher so aus, als ob die FDP bei der nächsten Wahl ein Problem mit der 5% Hürde bekommt.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Könnte gelingen: Wenn sie so weitermachen, fliegen sie raus und für die Union könnte es auch mit dem kleineren potenziellen Junior-Partner SPD reichen, so dass sie auf die Grünen nicht angewiesen sind. Nur warum sollte das das Ziel der FDP sein?