Mit Rechten reden: Ist Grillen undeutsch?
Unser Autor regt sich über ein populistisches Wahlplakat auf. Aber wie sollte man eigentlich auf Rechte reagieren?
I n Thüringen hängt ein CDU-Plakat mit der Aufschrift: „Grillen muss erlaubt bleiben.“
Ich postete ein Foto auf Twitter und schrieb, das sei „verantwortungsloser Dünnpfiff, der die liberale Demokratie gefährdet“. Worauf der Public Intellectual Armin Nassehi lapidar darunter schrieb, dass es doch wohl heißen müsse: „Grillen müssen erlaubt bleiben.“
Ich wählte also die große Geste zur Anprangerung des politischen und intellektuellen Ausverkaufs dieses Typus Christdemokraten, den es nicht nur im Osten gibt. Nassehi dekonstruierte den idiotischen Slogan durch Ironie und verweigerte es, sich überhaupt inhaltlich darauf einzulassen. Was ist hilfreicher für das Ziel, vielleicht doch eines Tages mit allen demokratischen Parteien ein gesellschaftliches Gespräch über die echten Probleme zu führen? Meine Einschätzung ist inzwischen: Keins von beiden.
Zur Sachlage: Das demokratiegefährdende Problem in Thüringen ist, dass die AfD in Wahlumfragen weit vor der CDU in Führung liegt. Würde die AfD das Grillen als entartet oder undeutsch verbieten wollen, dann wäre der CDU-Slogan eine notwendige Distanzierung und ein klares Angebot für Leute, die zwischen beiden Parteien schwanken. Die Grünen aber, auf die das zielt, stehen bei vier Prozent und sind irrelevant.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Faktisch will gar keine Partei das Grillen oder die Bratwurst in der Bundesrepublik verbieten, auch wenn Obergrillmeister Markus Söder das 24/7 behauptet oder insinuiert. Das christdemokratische Grill- und Fleischverbot-Szenario ist eine faktenwidrige Light-Version der harten populistischen Angst- und Wuterzeugungsfiktionen.
Das ist demokratieperspektivisch dumm, und ich könnte jetzt noch mehr sagen, aber das nützt halt alles nichts, wenn wir uns hier schön darin bestätigen, wie schlimm das alles ist. Gleiches gilt für die feine Ironie, denn sie dekonstruiert auf ästhetisch hochwertige Art den Unsinn, aber das wirkt auch nicht über eine (selbst)ironiefähige Kommuniktionselite hinaus, und Ironie wird – wie ich im Alltag feststelle – immer weniger verstanden und ein Opfer der kommunikativen Verhärtung.
Wenn ich die zweite Ebene von Nassehis Ironie richtig verstehe (und ich habe sicherheitshalber nachgefragt), so steckt darin auch die nüchterne Annahme, dass es naiv wäre, in bestimmte Richtungen Sachdiskurse führen zu wollen. Es geht da nicht mit Argumenten, es geht nicht mit Demokratiebeschwörungen, es geht nicht mit deliberativem Sprechen. Das gilt in Thüringen genauso wie gegen Trump.
Wie aber geht es dann?
Grundvoraussetzung ist Politik. Die liberale Demokratie muss sich knallhart schützen gegen ihre Feinde, solange sie es noch kann. Demokratische Parteien müssen Leute dafür gewinnen, Probleme anzugehen und nicht Ressentiments schüren. Bürger, auch wenn sie kulturell „progressiver“ konditioniert sind, müssen priorisieren und dürfen keine Milieuselbstgespräche führen, in denen sie im hohen Ton Rassismus, Klassismus, Menschenfeindlichkeit et cetera anprangern und den „Anstand“ einfordern, den sie a priori für sich in Anspruch nehmen. Tut gut, klar, bringt aber in der Sache nichts.
Deshalb: Der Schritt voran ist heute der Schritt auf andere zu. Wer die Mehrheit behalten will, muss sprechfähig mit einer Mehrheit sein und sich auch mühen, die Beweggründe von Leuten zu verstehen, die auf die AfD hereinfallen, auch wenn man sicher ist, dass sie falsch liegen. Nicht brüllen: „Du Nazi“, sondern fragen: Wovor haben Sie Angst? Kann sein, dass man in manchen Fällen nicht weit kommt, aber die Grundlage für das Gemeinsame ist nie das eskalierende und immer das zivilisierende Gesprächsklima. Das bedeutet: Weder große Geste noch Ironie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden