Missbrauchsvorwürfe gegen Dieter Wedel: Bisschen spät geschaltet
Vorwürfe gegen den Regisseur lagen dem Saarländischen Rundfunk seit den Achtzigern vor. Was nun?
Dass Opfer sexueller Gewalt oft so lange nichts sagen, bis ihr Fall juristisch längst verjährt ist, ist eine Sache. Wenn aber ihre Vorwürfe jahrzehntelang in Aktenschränken liegen, ist die Sache ganz anders gelagert.
Im Fall Dieter Wedel ist genau das geschehen. Die Zeit berichtet, dass die Anschuldigungen mehrerer SchauspielerInnen gegen Wedel offenbar seit 1981 im Archiv von Telefilm Saar schlummern. Die Produktionsfirma, die seit über zehn Jahren nicht mehr existiert, betreute damals den fraglichen Dreh von „Die Bretter, die die Welt bedeuten“ für den Saarländischen Rundfunk (SR). Zu den Akten gehört auch ein Schreiben von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, bekannt als Arzt des FC Bayern. Er behandelte eines der Opfer, die Schauspielerin Esther Gemsch. Müller-Wohlfahrt schreibt, Gemschs Symptome könnten „eindeutig als Folge der Gewalttätigkeit vom 12. 12. 80 angesehen werden“. Konsequenzen gab es nicht.
SR-Intendant Thomas Kleist hat umgehend angekündigt, er werde „alles offenlegen, damit wir schonungslos die Dinge untersuchen können“. Gegenüber der taz sagt der SR, man habe gleich nach der Anfrage der Zeit vom 12. Januar eine „Task Force“ unter Leitung des Justitiars eingerichtet, die derzeit alle betreffenden Akten sichtet. Ziel der Untersuchung sei, „die Systeme, Mechanismen und Verhaltensweisen auszuleuchten, die damals solche Delikte ermöglicht haben“. Mehrfach betont der SR, dass sich sowohl der Sender als auch die Telefilm Saar 1981 „nicht richtig verhalten“ hätten.
Seit langem soll es Anlaufstellen geben
Und die anderen Sender, für die Wedel regelmäßig Regie führte? Das ZDF verweist darauf, dass sich Beschäftigte bei Belästigung schon immer an Vorgesetzte oder die Personalabteilung hätten wenden können. Intendant Thomas Bellut sagt aber auch: „Ich habe an alle Beschäftigen appelliert, Fehlverhalten nicht zu ignorieren, sondern zu benennen.“
Auch ARD-Chef Ulrich Wilhelm nennt Anlaufstellen, die es schon seit Langem in allen Landesrundfunkanstalten gebe. „Diese nehmen jedes Anliegen ernst und sind angehalten, auf Berichte unverzüglich zu reagieren.“ Wilhelm verspricht jedoch, das Thema auf der nächsten Sitzung der IntendantInnen Anfang Februar anzusprechen.
Wenn es schon immer Ansprechpersonen gegeben hat, stellt sich die Frage, warum erst jetzt Fälle bekannt werden – und was die Anstalten gegen das Schweigen tun werden.
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