Missbrauchsfall in Wuppertal: Zur Vergewaltigung angeboten
Ein Vater soll seine 15-jährige Tochter online angeboten haben. Eine Strafe müssen die Kunden nicht fürchten – in Haft sitzt nur der Vater.
Am Donnerstag sei der Mann einem Richter des Landgerichts vorgeführt worden. Der habe wegen des dringenden Tatverdachts des sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen und der Förderung sexueller Handlungen an Minderjährigen Untersuchungshaft angeordnet, so Baumert.
Dem Alleinerziehenden wird vorgeworfen, seine Tochter durch Drohungen zum Sex mit Fremden gezwungen zu haben, während er dabei zuschaute. Geld habe der Vater dafür nicht verlangt. Möglicher Grund für das Verbrechen könne eine „sexuelle Störung“ des 50-Jährigen sein: Denkbar sei, dass es den Mann errege, wenn seine Tochter zum Sex gezwungen werde.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand nahmen mindestens acht Männer das fürchterliche Angebot an. Haft droht ihnen derzeit dennoch nicht: Offenbar hat der Vater seine Tochter ihnen gegenüber als seine volljährige Freundin ausgegeben, deren sexuelle Vorliebe Sex mit Fremden sei.
Nicht der erste Fall in NRW
Zumindest die Altersangabe müsse nicht völlig abwegig sein, so Ermittler: Das Mädchen wirke älter als 15. Außerdem habe der 50-Jährige sein Kind massiv unter Druck gesetzt. Bei Befragungen durch die Polizei habe die Tochter klargemacht, auf keinen Fall gegen den eigenen Vater aussagen zu wollen.
Kaum nachzuweisen dürfte deshalb sein, dass die acht Männer die Zwangslage des Opfers hätten erkennen müssen. Die acht könnten damit straffrei bleiben: „Freiwilliger Sex mit Menschen über 14 ist in Deutschland nicht strafbar“, sagt Oberstaatsanwalt Baumert. Dem Vater droht im Fall einer Verurteilung eine mehrjährige Haftstrafe.
Die Wuppertaler Ermittlungen gelten bereits dem dritten Fall von massivem sexuellem Missbrauch, der Nordrhein-Westfalen erschüttert. Erst im September hatte das Landgericht Detmold zwei Männer zu langjährigen Haftstrafen mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Auf einem Campingplatz in Lügde sollen sie sich in mehr als 1.000 Fällen an mindestens 40 Kindern vergangen haben.
Da der Polizei schon 2002 Hinweise auf den möglichen Missbrauch eines damals achtjährigen Mädchens vorlagen, geriet Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul massiv in Erklärungsnot. Reul warf daraufhin Ermittlern und Jugendämtern „Versagen“ vor. Um Aufklärung des Falls Lügde kämpft deshalb auch ein Untersuchungsausschuss des Landtags in Düsseldorf.
„Cybercrime-Kompetenzzentrum“
Mit der Gründung einer „Stabsstelle Kindesmissbrauch“ in seinem Ministerium ging Reul danach politisch in die Offensive. Beim nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt entstand außerdem ein „Cybercrime-Kompetenzzentrum“. Nach Hinweisen aus Kanada ermittelt dieses zurzeit gegen ein Missbrauchsnetzwerk mit Ursprung in Bergisch Gladbach, in dessen Chat-Gruppen bis zu 1.800 Verdächtige kinderpornografische Bilder und Filme getauscht haben sollen.
Zehn Männer, die dafür ihre eigenen Kinder missbraucht haben sollen, sitzen in Untersuchungshaft. Offenbar enthemmte die gefühlte Anonymität des Internets viele Täter, sagen Ermittler. Auf Bundesebene will die Große Koalition deshalb erlauben, mit fiktiven Missbrauchs-Bildern als Eintrittskarte gegen Kinderporno-Ringe im Netz vorzugehen.
Im Wuppertaler Fall lief die Cyber-Aufrüstung der Polizei allerdings ins Leere. Ausgelöst wurden die dortigen Ermittlungen ausgerechnet von einem der mindestens acht Männer, denen die 15-Jährige zum Sex angeboten wurde. Zwar sei es auch zwischen dem Hinweisgeber und dem Mädchen zu „sexuellen Handlungen“ gekommen, sagt Oberstaatsanwalt Baumert. Doch dem Mann sei „die ganze Situation merkwürdig vorgekommen“. Er habe sich daraufhin an die Polizei gewandt.
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