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Missbrauchsfall in WuppertalZur Vergewaltigung angeboten

Ein Vater soll seine 15-jährige Tochter online angeboten haben. Eine Strafe müssen die Kunden nicht fürchten – in Haft sitzt nur der Vater.

Der Mann ist am Donnerstag einem Richter des Landgerichts Wuppertal vorgeführt worden Foto: dpa

Bochum taz | In Wuppertal sitzt ein 50-jähriger Mann im Gefängnis, der seine 15 Jahre alte Tochter in frei zugänglichen Internetforen zum Sex angeboten haben soll. „Der Mann wurde am Mittwoch gegen 17 Uhr festgenommen“, sagte der Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert, der taz.

Am Donnerstag sei der Mann einem Richter des Landgerichts vorgeführt worden. Der habe wegen des dringenden Tatverdachts des sexuellen Missbrauchs an Schutzbefohlenen und der Förderung sexueller Handlungen an Minderjährigen Untersuchungshaft angeordnet, so Baumert.

Dem Alleinerziehenden wird vorgeworfen, seine Tochter durch Drohungen zum Sex mit Fremden gezwungen zu haben, während er dabei zuschaute. Geld habe der Vater dafür nicht verlangt. Möglicher Grund für das Verbrechen könne eine „sexuelle Störung“ des 50-Jährigen sein: Denkbar sei, dass es den Mann errege, wenn seine Tochter zum Sex gezwungen werde.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand nahmen mindestens acht Männer das fürchterliche Angebot an. Haft droht ihnen derzeit dennoch nicht: Offenbar hat der Vater seine Tochter ihnen gegenüber als seine volljährige Freundin ausgegeben, deren sexuelle Vorliebe Sex mit Fremden sei.

Nicht der erste Fall in NRW

Zumindest die Altersangabe müsse nicht völlig abwegig sein, so Ermittler: Das Mädchen wirke älter als 15. Außerdem habe der 50-Jährige sein Kind massiv unter Druck gesetzt. Bei Befragungen durch die Polizei habe die Tochter klargemacht, auf keinen Fall gegen den eigenen Vater aussagen zu wollen.

Kaum nachzuweisen dürfte deshalb sein, dass die acht Männer die Zwangslage des Opfers hätten erkennen müssen. Die acht könnten damit straffrei bleiben: „Freiwilliger Sex mit Menschen über 14 ist in Deutschland nicht strafbar“, sagt Oberstaatsanwalt Baumert. Dem Vater droht im Fall einer Verurteilung eine mehrjährige Haftstrafe.

Die Wuppertaler Ermittlungen gelten bereits dem dritten Fall von massivem sexuellem Missbrauch, der Nordrhein-Westfalen erschüttert. Erst im September hatte das Landgericht Detmold zwei Männer zu langjährigen Haftstrafen mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Auf einem Campingplatz in Lügde sollen sie sich in mehr als 1.000 Fällen an mindestens 40 Kindern vergangen haben.

Da der Polizei schon 2002 Hinweise auf den möglichen Missbrauch eines damals achtjährigen Mädchens vorlagen, geriet Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul massiv in Erklärungsnot. Reul warf daraufhin Ermittlern und Jugendämtern „Versagen“ vor. Um Aufklärung des Falls Lügde kämpft deshalb auch ein Untersuchungsausschuss des Landtags in Düsseldorf.

„Cyber­crime-­Kom­pe­tenz­zentrum“

Mit der Gründung einer „Stabsstelle Kindesmissbrauch“ in seinem Ministerium ging Reul danach politisch in die ­Offensive. Beim nordrhein-westfä­lischen Landeskriminalamt entstand außerdem ein „Cyber­crime-­Kom­pe­tenz­zentrum“. Nach Hinweisen aus Kanada ermittelt dieses zurzeit gegen ein Missbrauchsnetzwerk mit Ursprung in Bergisch Gladbach, in dessen Chat-Gruppen bis zu 1.800 Verdächtige kinderpornografische Bilder und Filme getauscht haben sollen.

Zehn Männer, die dafür ihre eigenen Kinder missbraucht haben sollen, sitzen in Untersuchungshaft. Offenbar enthemmte die gefühlte Anonymität des Internets viele Täter, sagen Ermittler. Auf Bundesebene will die Große Koalition deshalb erlauben, mit fiktiven Missbrauchs-Bildern als Eintrittskarte gegen Kinderporno-Ringe im Netz vorzugehen.

Im Wuppertaler Fall lief die Cyber-Aufrüstung der Polizei allerdings ins Leere. Ausgelöst wurden die dortigen Ermittlungen ausgerechnet von einem der mindestens acht Männer, denen die 15-Jährige zum Sex angeboten wurde. Zwar sei es auch zwischen dem Hinweis­geber und dem Mädchen zu „sexuellen Handlungen“ gekommen, sagt Oberstaatsanwalt Baumert. Doch dem Mann sei „die ganze Situation merkwürdig vorgekommen“. Er habe sich ­daraufhin an die Polizei gewandt.

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15 Kommentare

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  • und weit&breit ...

    kein staatsanwalt, der den mißbrauch gegen die zahlreichen sexualtäter anklagt ?

    verstehe das, wer will.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Die emotionale und soziale Armseligkeit derer, die sich an dem minderjährigen Mädel vergangen haben, geht Hand in Hand mit der Armseligkeit eines Gesetzgebers, der solche Delikte nicht wirksam verhindert.

    Bei aller Vorliebe für Sprache: hier würde ich mich zunächst über eine archaische Lösung sehr freuen.

    Was sind das für Schnarchsäcke und -säckinnen im Parlament?

    Gesetze ändern! Es gibt doch so viele Juristen im Bundestag? Alle nur mit Formfragen beschäftigt???

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Ich weiß nicht, ob Sie es eine "Formfrage" nennen würden. Das eine Problem bei gesetzlichen Eingriffen ist, dass sie nie nur für die Fälle gelten, die zu 100% den Regelungszweck erfüllen sondern - Sprache sei Dank - immer, wenn etwas unter den geschriebenen Tatbestand fällt. Das noch größere Problem ist, das man Menschen nicht hinter die Stirn schauen kann.

      Beides zusammen ergibt eine erhebliche immanente Unschärfe, die man im Strafrecht tendenziell zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt (der Lateinspruch dazu dürfte sogar dem ostentativen Nichtlateiner bekannt sein). Entsprechend gibt es immer wieder Sachverhalte, in denen es so oder so sein KÖNNTE, und nur Wahrscheinlichkeiten oder Vorurteile (=erfahrungs- oder konventionsbasierte Indizienbewertungen) den Ausschlag geben zu sagen: Hier ist was nicht nur menschlich zweifelhaft sondern richtig strafwürdig faul. Und das sind eben die Fälle, in denen ein nicht auf Willkür hinsteuerndes Strafrecht nicht anders kann als zurückzustecken.

      Nehmen wir an, eine junge Frau, die sagt, sie wäre 18, und das auch ist, steht wirklich dann und wann auf Sex mit Fremden, und ihr verständnisvoller Freund besorgt für sie diese Fremden, auch damit die wissen, dass er damit kein Problem hat. Kommt aller Tage vor? Nein. Gibt eine Moralmedaille für die Fremden? Auch nicht. Ist unmöglich und erkennbar eine Story, die ein perverser Vater, der gerne zusieht, wie seine Tochter vergewaltigt wird, anderen Perverslingen pro forma auftischt?

      ...

      Jetzt auch nicht zwingend, oder?

      Will sagen: Der Punkt, an dem das Strafrecht sich ausklinken muss ist der, an dem ein gutgläubiger Mensch aus seiner Wahrnehmung heraus nicht mehr die Möglichkeit hätte zu entscheiden, ob er gerade etwas Verbotenes tut oder nicht. Die Alternative wäre, effektiv Alles zu verbieten, was etwas Verbotenes sein oder verdecken könnte.

  • 9G
    90946 (Profil gelöscht)

    Immer wieder schwer zu glauben!



    Wer so einen Vater hat.... wie soll denn das Mädchen je damit fertig werden, dass ihr Vater sie zur Vergewaltigung freigibt? Ich hoffe, sie bekommt viel Unterstützung.



    Was kann man tun um sowas zu verhindern?

  • Kann der Gesetzgeber bitte mal nachbessern und Minderjährigen mehr Schutz gewähren? Ich finde es ja gut, dass erste Erfahrungen unter Gleichaltrigen oder fast Gleichaltrigen nicht wie in anderen Ländern kriminalisiert werden. Wenn der 18jährige eine 16jährige Freundin hat und beide Sex wollen, supi, ich hoffe, ihr seid aufgeklärt, aber ansonsten viel Spaß dabei!



    Aber es muss doch Grenzen geben. Wir erlauben es Fünfzehnjährigen nicht zu wählen oder Auto zu fahren, aber Sex ist komplett unreguliert, obwohl wir doch längst von Missbrauchsgefahr wissen. Und es gibt doch mögliche Regelungen. Zum Beispiel Altersgrenzen nach oben, um mal anzufangen - sagen wir fünf Jahre, das sollte den Großteil sinvoller Jugendromanzen abdecken, aber verhindern, dass Familienväter Jugendliche benutzen.



    Teenies sind doch kein Freiwild für lebenserfahrene, manipulative Arschlöcher, die sich an selbstbewusste nicht mehr rantrauen.

    • @Frida Gold:

      "Zum Beispiel Altersgrenzen nach oben, um mal anzufangen - sagen wir fünf Jahre, das sollte den Großteil sinvoller Jugendromanzen abdecken, aber verhindern, dass Familienväter Jugendliche benutzen."

      Die Hälfte des eigenen Alters+6 Jahre empfinde ich bezüglich der Altersgrenzen als recht sinnvoll.

      Dennoch kommen dann andere Fragen auf. Was tun z.B. wenn geschminkte 15-Jährige, die wie 25 aussehen, ältere Männer verführen? Müssen Männer sich dann vor jedem Sexualakt den Ausweis vorlegen lassen?

      Dennoch sollte man drüber reden.

      • @Devil's Advocate:

        "Was tun z.B. wenn geschminkte 15-Jährige, die wie 25 aussehen, ältere Männer verführen? Müssen Männer sich dann vor jedem Sexualakt den Ausweis vorlegen lassen?"

        Insgesamt wäre es vielleicht ganz gut, wenn jeder vor einem Sexualakt mit jemand anderen sein Gehirn einschaltet. Sie sprechen darüber, als wäre ein Sexualakt mit jemanden, den man so gut wie überhaupt nicht kennt, einfach die größte Selbstverständlichkeit. Selbst die wenigen Treffen, die ich hatte und die sofort im Bett landeten, waren so, dass ich vorab noch ausreichend Zeit hatte, mir ein Bild von dem Menschen zu machen, mit dem ich gleich Sex haben werde.

  • Im Zweifel für den Freier. Das ist die deutsche Doktrin zum Missbrauch von Minderjährigen und Zwangsprostituierten. Sogar ganz normale Männer verteidigen diese Praxis.

    Ein billig gefälschter Pass, ein bisschen Rot auf den Lippen, ja offenbar auch nur die Aussage des Vaters, es sei seine Freundin reichen aus, schon darf der Freier sich im vollen Recht fühlen. Das kommt auch Polizei, Justiz und Politikern entgegen, viele von ihnen profitieren davon... Und bei Kumpeln drückt man gerne ein Auge zu.

    Offensichtlich muss das Gesetz verändert werden. Wer mit einer Minderjährigen Prostituierten oder Zwangsprostitiierten erwischt wird, der hat Pech gehabt. Er muss hundertprozentig sicher sein, dass sie nicht minderjährig und nicht zwangsprostituiert ist. Das schränkt ihn in der Auswahl ein? Lohnt sich, sich hier einschränken zu lassen! oder was ist das Leben von Mädchen und Frauen wert?? Nebenbei gilt Ähnliches auch beim Kauf von Diebesgut. Wenn ich mir nicht sicher sein kann, lass ich die Finger davon.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @JuR:

      Ja. Hier muss den Männern, denen das Wohl der Frauen gegenüber der eigenen Befriedigung am A.... vorbeigeht, bewusstseinsmäßig durch strengere Regelungen übergeholfen werden. Im Zweifel für den Schutz.

    • @JuR:

      Grundsätzlich ein guter Gedanke, jedoch ist die Schwierigkeit ist das Gleichheitsprinzip, das den Gesetzen genügen muss. Eine Altersobergrenze für den Verkehr mit Minderjährigen ab 15 mit Erwachsenen bis 22, 23, 25, 30? Wo will/muss/darf/soll man die Grenze ziehen und warum dort und nicht ein Jahr weniger oder mehr?

    • @JuR:

      Absolute Zustimmung. Und mir kann doch niemand erzählen, dass man als Mann nicht merkt, wenn ein Mädchen das nur über sich ergehen lässt, verdammt noch mal! Oder hatten die noch nie wen im Bett, die gerne wollte? Aber selbst dann merkt man das doch.

      • @Frida Gold:

        [...]

        Kommentar gelöscht. Wir dulden keine Verharmlosung von Vergewaltigung und Missbrauch. Die Moderation

    • @JuR:

      Volle Zustimmung!

  • Bekannt wurde der Polizei die Tat dadurch, das einer der Männer Zweifel an der Altersangabe von 18 Jahren bekam und die Tat angezeigt hat.



    Es wäre gut, wenn die TAZ solche Details nicht unter den Tisch fallen lassen würde.