Ministerpräsidentenkonferenz zu Corona: Warten auf die Expertise
Olaf Scholz hat sich mit den Ministerpräsidentinnen der Länder beraten. Zunächst soll es keine weiteren Beschränkungen über die Weihnachtstage geben.
Grünes Licht für Impfpflicht in Pflegeheimen
Scholz sagte, eine Sitzung des neuen Krisenstabs mit den Ländern solle in der kommenden Woche stattfinden, um weitere Impfangebote zu unterstützen. Auch der vorgesehene Corona-Expertenrat solle in der nächsten Woche zusammentreten. Die Lage solle immer aktuell verfolgt werden. Es sollten dann auch kurzfristig Entscheidungen von Bund und Ländern getroffen werden können. Scholz bekräftigte das Ziel, bis Jahresende bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Auffrischimpfungen zu erreichen.
Unterdessen gab es im Bundestag grünes Licht für letzte Details einer Impfpflicht in Pflegeheimen und Kliniken. Der Hauptausschuss beschloss mit den Stimmen der Ampel-Koalition noch einige Änderungsanträge für die für diesen Freitag geplante Schlussabstimmung im Bundestag. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte, die Impfpflicht in medizinischen Einrichtungen und Pflegeheimen zum Schutz besonders gefährdeter Menschen müsse „so schnell wie möglich“ umgesetzt werden.
Neu vorgesehen ist, dass die Länder die Möglichkeit bekommen sollen, bestimmte, noch nach alter Rechtslage verhängte Corona-Beschränkungen bis 19. März gelten zu lassen. Dies geht aus den der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Beschlüssen des Hauptausschusses hervor. Zunächst sollte die derzeit bis 15. Dezember bestehende Frist nur bis 15. Februar verlängert werden.
Wüst dankte der neuen Ampel-Koalition, das Infektionsschutzgesetz zu verschärfen und den Ländern mehr Möglichkeiten zu geben, die Menschen zu schützen.
Keine zusätzlichen Coronabeschränkungen planen Bund und Länder vorerst für die Weihnachtstage. In der nächsten Woche soll ein vorgesehener Expertenrat auch für genauere Einschätzungen zur neuen Virusvariante Omikron zusammenkommen, wie Wüst sagte. Wenn nötig, solle dann auch agiert werden, so der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, neue allgemeine Kontaktbeschränkungen hätten in der Runde keine Rolle gespielt. Es sei nicht nötig, sich zu Weihnachten einzugraben. „Man kann Familie und Freunde treffen, die Frage ist: Wie?“ Es sei nicht klug, mit 20 und mehr Menschen zusammenzukommen, ohne auf Schutz zu achten.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält aber Maßnahmen um die Weihnachtszeit und Neujahr für nötig, um Risiken zu vermeiden. „Ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Bund und Ländern hierzu gibt es derzeit nicht“, sagte er nach den Beratungen. Weil hatte in den vergangenen Tagen bereits von einer verlängerten Weihnachtspause gesprochen. „Die Landesregierung wird im Zuge der jetzt anstehenden Änderung der Corona-Verordnung hierzu die notwendigen Entscheidungen treffen“, kündigte er an.
Scholz äußert sich skeptisch zu Impfregister
Scholz machte deutlich, man wolle zunächst wissenschaftliche Expertise einholen und schauen, ob die Maßnahmen ausreichten. Notfalls würden kurzfristig auch weitere Entscheidungen auf die Tagesordnung kommen. Er betonte, dass die beschlossenen, sehr weitreichenden Beschränkungen vor allem für Ungeimpfte auch über die Weihnachtstage und das neue Jahr gelten.
Der neue Kanzler bekräftigte, dass eine Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht vorangebracht werden solle. Geplant ist eine Befassung des Bundestags ohne die sonst übliche Fraktionsdisziplin. Ein Impfregister zur Erfassung von Corona-Geimpften sieht Scholz nach eigenen Angaben skeptisch.
Wüst forderte, die Beratung über die allgemeine Impfpflicht dürfe sich nicht verzögern. Wegen der vierten Corona-Welle brauche es Tempo, um vor allem ältere Menschen zu schützen. „Das Impfen ist und bleibt die stärkste Waffe im Kampf gegen das Virus“, sagte Wüst. Müller sagte, aus seiner Sicht sei nicht entscheidend, wann der erste Tag der Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht sei. Das für ihn Wichtige sei, dass nach Wochen der Diskussion und Debatte nun unzweifelhaft festgelegt werde, dass sie kommen werde.
Auch langfristig müssen sich die Bürgerinnen und Bürger nach Ansicht von Scholz auf Corona-Impfungen einstellen. „Wir werden wohl noch länger impfen müssen.“ Deshalb sei es sinnvoll, dass die Impfstrukturen, die nun etabliert würden, nicht so schnell wieder heruntergefahren würden.
Vorgehen gegen Hetze
Die Ministerpräsidentenkonferenz sprach sich am Donnerstag außerden dafür aus, dass schärfere Maßnahmen gegen die zunehmende Hetze und Verschwörungstheorien im Netz in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie getroffen werden. Kommunikationsdienste, die sich faktisch zu einem „offenen sozialen Netzwerk mit Massenkommunikation“ entwickelten sollten gesetzlich „angemessen“ reguliert werden.
Die Länderchefs und Scholz erklärten ihre Solidarität gegenüber den Betroffenen von Hetze und Hass. „Morddrohungen und Fackelaufzüge vor Privathäusern sind inakzeptabel“, hieß es in dem gemeinsamen Beschluss. Damit signalisierten sie dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) und dessen Regierung Unterstützung.
Im Kommunikationsdienst Telegram waren nach einem Bericht des ZDF-Magazins „Frontal“ Äußerungen zu Mordplänen gegen Kretschmer aufgetaucht. Vor dem Privathaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) hatten Gegner der Corona-Politik mit Fackeln protestiert.
Es seien „eine ganze Reihe von Verrohungen“ zu beobachten, sagte Scholz. Zwar gebe es schon eine „sehr entschiedene Gesetzgebung“. Aber es bestehe von Länderseite der Wunsch, „ganz gezielt sicherzustellen, dass kein Netzwerk unbetrachtet bleibt“.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte zu dem Fackelaufzug: „Das sind Bilder, die wir kennen aus den dunkelsten Kapiteln unserer Geschichte, wo es solche Fackelaufmärsche gegeben hat.“ Das Ziel sei Einschüchterung. Das sei nicht hinzunehmen. Gegebenenfalls müsse gesetzgeberisch mit Verordnungen eingegriffen werden.
Bund und Länder „sehen mit großer Sorge, dass über Kommunikationsdienste zunehmend Verschwörungstheorien, Lügen, Hetze, Anfeindungen und Aufrufe zu Gewalt verbreitet werden, die zeitgleich tausende Nutzerinnen und Nutzer erreichen“, hieß es weiter. Die Verbreitung solcher Inhalte trage dazu bei, die Gesellschaft zu spalten und die freiheitliche demokratische Grundordnung zu gefährden. Wenn Rechtsverstöße in Kommunikationsdiensten nicht konsequent verfolgt und geahndet würden, konterkariere dies den „respektvollen und konstruktiven Austausch von Meinungen im Netz“.
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