Millionen an Sondermitteln: Beruhigungspille für die Polizei
Der SPD-Senat bewilligt zehn Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln für die Polizei. Die Opposition sieht in dieser Maßnahme vor allem eine teure Beruhigungspille.
HAMBURG taz | Der SPD-Senat zeigt sich spendabel. Zehn zusätzliche Millionen Euro fließen aus Sondermitteln in die Kassen des Polizeiapparats. „Das ist eine Wertschätzung der Polizei, die in den vergangenen Wochen durch zahlreiche Demonstrationen stark gefordert war,“ sagte Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. Die Mittel sollen zum Ausgleich von angehäuften Überstunden, für eine bessere Ausrüstung und für Beförderungen eingesetzt werden.
„Die Gelder kommen nicht aus dem Haushalt der Innenbehörde“, stellte Reschreiter klar. Der Senat stelle die zehn Millionen Euro vielmehr aus Haushaltsmitteln zur Verfügung, aus „allgemeinen zentralen Reserven“, sagte ein Senatssprecher der Deutschen Presseagentur. Der Posten stehe im Haushalt für nicht erwartete Ausgaben.
850.000 Überstunden wegen Demos
Da sich jedoch schon bis Dezember bei der Bereitschafts- und Schutzpolizei aufgrund der Lampedusa-Demonstrationen und der Proteste gegen Demonstrationsverbote in der Innenstadt 850.000 Überstunden angehäuft hätten, wolle der Senat die Mehrarbeit ausnahmsweise vergüten. „Normalerweise werden Überstunden durch Freizeit ausgeglichen“, sagte Reschreiter. Zwei Millionen Euro müssten dafür veranschlagt werden. Weitere drei Millionen seien für die Ausstattung von Einsatzfahrzeugen mit Panzerglas und bessere Schutzkleidung vorgesehen. Fünf Millionen Euro sollen die Anschubfinanzierung für ein besseres Beförderungsmodell sein, so Reschreiter, „weil das bisherige Laufbahnverlaufsmodell gescheitert ist“.
Damit geht der SPD-Senat vollends auf die Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft und der Gewerkschaft der Polizei ein, die in den vergangenen Monaten ein regelrechtes Trommelfeuer wegen des Beförderungsstaus inszeniert haben. „Die Beamtinnen und Beamten der Polizei verdienen unser aller Anerkennung – was sich nicht nur in Worten, sondern insbesondere auch in Taten ausdrückt“, sagte der SPD-Abgeordnete Arno Münster.
"Trostpflaster nach Gefechtslage"
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Carl Jarchow, bezeichnete die Maßnahme als längst überfällig. „Kluge Sicherheitspolitik sollte aber sachgerecht und nicht mit Trostpflastern nach Gefechtslage arbeiten.“
Die Innenpolitiker der Grünen, Antje Möller, hält die nachhaltige Finanzierung für nicht gewährleistet. „Das ist eine teure Beruhigungspille für die Polizei.“ Die Polizeigewerkschaften hätten die aufgeheizte Situation genutzt, um Forderungen zu Lasten des allgemeinen Haushalts durchzusetzen. „Das einzig berechenbare an der SPD-Politik scheint zu sein, dass sie versucht, politische Probleme mit ungedeckten Schecks auf die Zukunft zu lösen“, kritisierte Möller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus