Militärischer Naturschutz in Kongo: Deutsches Geld für „grüne Armee“
Deutsche Entwicklungshilfe soll wieder in den militärischen Schutz von Kongos Nationalparks fließen. Darunter leidet die Bevölkerung.
Die Parkverwaltung beschuldigte Jean-Marie Kasula, den Vorsitzenden der Minderheit der Batwa-Pygmäen in der Region. „Er ist bewaffnet und nimmt seine Erpressungsaktivitäten und den Diebstahl des Eigentums von Menschen auf der Nationalstraße 3 wieder auf“, erklärte sie. Seine Männer hätten Wertsachen und Geld geraubt und einem Leibwächter des Ministers eine Waffe entwendet. Beweise für Kasulas Rolle nannte Pressesprecher Hubert Mulongoy nicht. Er betonte lediglich: „Es besteht kein Zweifel daran, dass dieser Angriff in direktem Zusammenhang mit Jean-Marie Kasula steht.“
Der Kahuzi-Biega-Nationalpark ist eine Säule der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Kongo. Seit 1986 ist die Bundesrepublik Deutschland der wichtigste Geldgeber des Parks. Ohne diese Unterstützung hätte der Park die Kriegszeiten im Kongo nicht überstanden. Über die Entwicklungsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) wird der Großteil der Gehälter der 225 Wildhüter bezahlt.
Dieses Jahr deckte das taz-Rechercheprojekt „Grüne Armee“ über die Militarisierung des Naturschutzes in Afrika die zunehmenden Übergriffe der Wildhüter auf die Bevölkerung im Umfeld der Nationalparks in der Demokratischen Republik Kongo auf.
Spektakulärster Vorfall: die Verhaftung des Batwa-Anführers Kasula wegen angeblich illegaler Abholzung zwecks Herstellung von Holzkohle, die die Bevölkerung zum Kochen verwendet. Dafür sowie wegen Gründung einer bewaffneten Miliz wurde er angeklagt. Als Beweisstück diente ein kaputtes Maschinengewehr aus den Beständen der Armee. Ein Militärgericht verurteilte Kasula in einem eintägigen Schauprozess zu 15 Jahren Haft.
Bundesregierung reagierte auf taz-Berichte
Seit Ende August ist Kasula wieder frei – dank internationalen Drucks. Doch sein Berufungsprozess läuft, und nun kommen die neuen Vorwürfe dazu. Parksprecher Mulongoy holzt gegen die lokalen und internationalen NGOs, die sich für die Rechte indigener Völker wie der Batwa-Pygmäen einsetzen: „Im Namen des Schutzes der Menschenrechte rufen diese Organisationen Pygmäen dazu auf, gegen das Gesetz zu verstoßen“, so der Parksprecher: „Man fragt sich, ob sie nicht diejenigen sind, die sie letztendlich bewaffnen.“
Nach der taz-Berichterstattung über den Prozess gegen Kasula sowie über Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen hochrangigen Leiter des Virunga-Nationalparks in der Provinz Nordkivu hatte die deutsche Bundesregierung reagiert. Alle Finanzmittel für Kongos Naturschutzbehörde ICCN, die die Parks verwaltet, wurden eingefroren.
Jetzt sollen die Gelder wieder fließen. Die erneute deutsche Finanzierung der Nationalparks im Kongo soll Anfang Dezember Teil der Verhandlungen mit Kongos Regierung darstellen, bei denen es um die Wiederaufnahme der seit Jahren eingestellten Entwicklungszusammenarbeit geht.
Um Menschenrechtsverletzungen durch Wildhüter vorzubeugen, hat das Entwicklungsministerium BMZ im Mai mit der ICCN ein Memorandum geschlossen. Es geht um die „Verbesserung des Menschenrechtsschutzes im Rahmen der Förderung von Naturschutzgebieten“, so das BMZ auf taz-Anfrage. Vereinbart worden sei unter anderem die Ernennung eines ICCN-Menschenrechtsbeauftragten, Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz „zum Kapazitätsaufbau beim Menschenrechtsschutz in der Arbeit der Parkverwaltungen“ sowie die Erstellung von Risikoanalysen.
Wer zahlt den Preis für den Naturschutz? Ein Rechercheprojekt über Finanzen, Menschenrechte, Militarisierung und koloniale Kontinuitäten rund um die Nationalparks in Afrika ist zu finden unter taz.de/GrüneArmee
Die wichtigste Reform liegt in der Verwaltung der Parks an sich. In Zukunft sollen alle sechs Naturschutzgebiete des Kongos, in welche deutsche Gelder fließen, nur noch in enger Zusammenarbeit zwischen ICCN und internationalen Organisationen verwaltet werden. „Internationale Nichtregierungsorganisationen sollen ihre Erfahrungen aus anderen Regionen und ihre Expertise im Bereich des Schutzes von Menschenrechten und von Konfliktlösung einbringen“, erklärt das BMZ.
Eine solche Zusammenarbeit wird bereits im Salongapark im Zentrum Kongos betrieben: der WWF war dort Partner der ICCN.
Auch dort kam es zu zahlreichen Menschenrechtsverstößen. In einem internen Untersuchungsbericht vom März 2019, der der taz vorliegt, ist die Rede von vergewaltigten Frauen und Fischern, deren Genitalien verstümmelt wurden. Aufgrund der Vorfälle wurden daraufhin alle deutschen Gelder für Salonga eingefroren, ebenso US-Gelder für den WWF und die US-amerikanische Wildlife Conservation Society (WCS), die in Kahuzi-Biega aktiv ist.
Deutschland will Menschenrechte schützen
Jetzt ist der WWF erneut als Partner in Salonga vorgesehen, die WCS hat einen Co-Management-Vertrag für das Naturschutzgebiet Okapi im Norden des Landes unterzeichnet. Deutschland versichert, zahlreiche Maßnahmen eingeleitet zu haben, um neue Menschenrechtsverletzungen zu verhindern: Wildhüter werden in Menschenrechten geschult, für die angrenzende Bevölkerung wurden Beschwerde-Hotlines eingerichtet.
Die internationalen Organisationen, so das BMZ, sollen „die Personalverantwortung inklusive Auswahl und Ausbildung der Ranger sowie die Aufarbeitung von Zwischenfällen stärker verantworten.“ Eine „Berichtspflicht gegenüber der KfW“ werde es geben: „Dies umfasst auch die Meldung von besonderen Vorfällen.“
Was Kahuzi-Biega angeht, präzisiert eine KfW-Sprecherin zur taz, ein „Mediationsprozess“ unter ICCN-Beteiligung sei Bedingung für die Wiederaufnahme der Zahlungen: „Für die KfW bleibt eine weitere Verbesserung der Kooperation ein wesentliches Hauptaugenmerk des Engagements.“
Doch das Memorandum mit der Naturschutzbehörde ICCN ist nicht öffentlich, und die Militarisierung des Naturschutzes im Kongo nimmt nicht ab, sondern zu. Denn Kongos Naturschutzbehörde ICCN steht mittlerweile unter gemeinsamer Aufsicht der Ministerien für Tourismus und für Verteidigung.
Die rund 4.000 Wildhüter im Kongo stehen nun unter Kommando der kongolesischen Armee, die für schwere Menschenrechtsverbrechen berüchtigt ist. Ihr Chef, Generalmajor Maurice Aguru, tourt seit Ende 2019 durch die Parks und kündigt an, die Rangereinheiten auf 11.000 Mann aufzustocken. Seitdem laufen landesweite Rekrutierungsmaßnahmen.
Zwölf tote Ranger in diesem Jahr
Die Regierung macht geltend, es seien allein dieses Jahr in den Nationalparks Virunga, Kahuzi-Biega und Okapi 12 Ranger getötet worden. Kongos Wildhüter werden systematisch im Antiterrorkampf ausgebildet, von westlichen Militärtrainern und israelischen Sicherheitsfirmen. Einen Großteil der Trainings für Afrikas Wildhüter haben die USA bezahlt, für die der Kampf gegen Wilderei in Afrika ein Teil ihres Kampfes gegen den internationalen Terrorismus und dessen Finanzquellen darstellt.
Das BMZ sagt dazu: „Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit lehnt eine Militarisierung des Naturschutzes ab. Waffen und Munition werden nicht finanziert.“ Gleichzeitig gibt das BMZ „eine gute Ausbildung der Ranger – auch in Menschenrechtsfragen – und die Ertüchtigung der Naturschutzbehörden“ als Schwerpunkt der Zusammenarbeit an.
Die Zusammenarbeit zwischen Wildhütern und Militär will Deutschland im Auge behalten: „Die Kooperation mit den kongolesischen Streitkräften im Rahmen gemeinsamer Einsätze soll, wenn diese situationsbedingt und gemäß nationaler Gesetzgebung unabdingbar sind, auf der Grundlage eines schriftlichen Protokolls erfolgen“, sagt das BMZ. „Neben der Regelung der Befehls- und Kommandogewalt soll dieses eine klare Verpflichtung zur Wahrung menschenrechtlicher Standards sowie disziplinarische und strafrechtliche Maßnahmen bei Verstößen enthalten.“
Kann das funktionieren? Zweifel sind angebracht. Aus Sicht der Behörden sind die autochthonen Waldbewohner im Kahuzi-Biega-Park Aufständische, die neutralisiert werden müssen. Im November nahmen Soldaten den mutmaßlichen Milizenführer Nshokano Batumike fest, der als Chef der bewaffneten Gruppe MDPAP (Mouvement de Défense Pour Autochtones Pygmées) für Angriffe auf die Armee und über 50 Dörfer verantwortlich gemacht wird.
Und am vorvergangenen Wochenende kündigte Kongos junger Tourismusminister Yves Bunkulu in Kinshasa neue Militäroperationen „großen Ausmaßes“ an, „um für Ruhe in den Nationalparks zu sorgen“.
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