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Mikroplastik im MenschenSchöne Scheiße mit dem Plastik

Seit heute ist klar, dass Menschen winzige Teilchen aus Kunststoff im Darm haben. Ob das krank macht, weiß niemand – dazu forscht kaum jemand.

Sieht lecker aus, Meeresbewohner bekommen aber besonders viel Mikroplastik ab Foto: dpa

Bettina Liebmann scheint einen Nerv getroffen zu haben. Fast den gesamten Dienstag verbringt die Wissenschaftlerin des österreichischen Umweltbundesamtes am Telefon, weil sie festgestellt hat, dass winzige Plastikreste im menschlichen Stuhl vorkommen. Es ist weltweit der erste Nachweis von Mikroplastik in unserem Körper – bisher werden die Kunststoffpartikel hauptsächlich als Umweltverschmutzung diskutiert.

Aus aller Herren Länder kommen Anfragen dazu, was das zu bedeuten habe, erzählt sie. Macht das etwa krank? Steckt das in uns allen? Alles offene Fragen – Liebmann konnte es selbst kaum glauben: Zwar wird seit Jahren über Mikroplastik in der Umwelt diskutiert, aber kaum dazu geforscht, was es im Menschen anstellt. „Wir haben ein Jahr lang eine umfassende Literaturrecherche zu Mikroplastik im Stuhl gemacht. Am Ende waren wir ziemlich erstaunt, dass wir nichts dazu gefunden haben“, so die Umwelttechnikerin.

Also hat Liebmann zusammen mit der Medizinischen Universität Wien, der MedUni, eine Pilotstudie gestartet, eine Stichprobe, um weitere Forschungen zu inspirieren. Eine Woche lang haben acht Probanden aus verschiedenen Kontinenten aufgezeichnet, was sie essen und ihre Ausscheidungen speziell verpackt nach Wien geschickt. Alle aßen unterschiedlich, überall fand sich Plastik: Pro zehn Gramm Stuhl im Schnitt 20 Kunststoffpartikel zwischen 0,5 und 0,05 Millimetern Größe. „Ob Mikroplastik im Darm krank macht, können wir noch nicht sagen. Dazu braucht es weitere Forschungen“, sagt Liebmann.

Das sieht auch das Bundesinstitut für Risikobewertung in Deutschland so. „Valide Daten, welche Risiken Mikroplastik im Darm für den Menschen mit sich bringen, liegen uns keine vor“, sagt Albert Braeu­ning, Fachgruppenleiter für wirkungsbezogene Analytik. Dennoch sei nach derzeitigem Wissensstand nicht davon auszugehen, dass von den Plastikpartikeln eine Gefahr für den Menschen ausgingen.

„Keine validen Daten“

Was man bisher in Laborversuchen mit künstlich erzeugten Modellpartikeln festgestellt habe, sei, dass besonders kleine Teilchen in sehr geringen Mengen in menschliche Darmzellen gelangten und so mit dem Körper wechselwirkten. Ob das krank macht? „Wir haben menschliche Darmzellen im Labor deutlich höheren Dosen ausgesetzt und keine schädliche Wirkung festgestellt“, sagt Braeuning. Auch an Nagetieren zeigten sich keine negativen Auswirkungen. Die Details dieser neuen Studien werden derzeit noch ausgewertet und demnächst veröffentlicht.

Aus Österreich kommen andere Töne: Kleinste Plastikteilchen seien auch in Blut, Lymphe und der Leber von Versuchstieren nachweisbar, schreibt Phi­lipp Schwabl von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni, der mit Liebmann an der neuen Studie gearbeitet hat. „Obwohl es erste Anzeichen gibt, dass Mikroplastik durch die Begünstigung von Entzündungsreaktionen oder Aufnahme schädigender Begleitstoffe den Magendarmtrakt schädigen kann, sind weitere Studien notwendig“, sagt Schwabl.

Pro Kopf gelangen in Deutschland jährlich vier Kilo winzigste Kunststoffpartikel in die Umwelt.

Was passiert mit der Muschel?

Doch viel mehr als ein guter Wunsch ist das bisher nicht. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung ist nicht bekannt, dass jemand versuchen würde, die Auswirkungen von Mikroplastik direkt am Menschen zu untersuchen. Es gibt viele Arbeiten zur Frage, was mit Muscheln oder Fischen passiert, wenn sie zu viele der Teile schlucken. Das Bundesforschungsministerium rühmt sich zwar, bis 2021 35 Millionen Euro in „eines der weltweit größten Forschungsprogramme zum Thema Plastik“ zu stecken. Es geht allerdings nur um Studien über Lebewesen im Wasser. „Untersuchungen am Menschen sind nicht Teil der geförderten Projekte“, schreibt das Ministerium auf Anfrage.

Sollte sich Mikroplastik als gefährlich für den Menschen erweisen, wäre dem Problem nur schwer Herr zu werden. Das Zeug ist nicht nur in Duschgels, Peelings oder Zahnpasten. Die Hauptquellen sind laut des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik der Abrieb von Autoreifen, Schuhsohlen, Textilien oder Farben. Pro Kopf gelangen in Deutschland jährlich vier Kilo winzigste Kunststoffpartikel in die Umwelt. Das Alfred-Wegener-Institut hat jüngst festgestellt, dass sogar das arktische Meereis damit verschmutzt ist.

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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Das bzgl. des Mikroplastik und die Auswirkungen auf den menschlichen Körper kaum geforscht wird, halte ich für falsch.

    Im Gegenteil, es wird sehr intensiv geforscht: Langzeitstudien geben irgendwann ausreichend Auskunft darüber, wie vermarktungsfähig die Menschen trotz Mikroplastik noch sind. Leidet die Vermarktungsfähigkeit, dann wird es auch zu gesetzlichen Konsequenzen führen ..... aber nur dann.

  • Und ich hab das da unten bisher immer für Muskeln und Samenstränge gehalten. Kunststoffbiorecycling ist schon echt geil «(º¿º)»

  • Viele Taue zum Festmachen von Schiffen sind zur Hälfte aus Kunstfasern. Was sich da weltweit täglich abscheuert dürfte auch in die zig Tonnen gehen. Alles schon schön klein gerieben.

  • Leider wird hier nicht erwähnt, dass Kunststoffe Schadstoffe stark absorbieren und akkumulieren, d.h. mit kleinen Teilchen können grössere Mengen an Giften transportiert werden, die dann ggf. im Körper bei Verdauungsprozessen wieder ausschwemmen oder allergene Reaktionen hervorrufen.



    Diese Gifte wiederum reichen sich tw. auch im Körper an, weil sie nicht abgebaut werden.

    Ebenfalls ungeklärt: wie viel Kunststoff wird aufgenommen, aber dann verdaut, d.h. ist nicht direkt nachweisbar, lädt aber seine Fracht ab oder ist selbst giftig? Stichwort z.B. Melamin in Babymilch.

  • Vielleicht mal die Lebensmittel vor de Essen auspacken.



    Plastik ist nicht zum Essen DA!

    • @Demokrat:

      Klar - könnte sich zukünftig da - beim Zäpfchen auch glatt anbieten - wa.

      • @Lowandorder:

        Jo. Genau

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Das Microplastik im Menschen drin ist, dürfte nicht erst seit gestern bekannt sein. Es wurde bisher nur ignoriert und war kein Thema. Hängen ja Arbeitsplätze dran, an dem Schrott. Der Schrott wird auch noch mit viel Aufwand an den Endverbraucher gebracht, der den bunten Bildern gern glaubt.

    Jetzt werden sich die Experten streiten bis zum Weltnimmerleinstag.



    Glyphosat läßt grüßen.

    Hat zwar alles Auswirkungen auf die Umwelt, aber dem Menschen, nö, dem Menschen schadet es nicht. Der hat ja bekannterweise nichts mit der Umwelt am Hut.

  • Meine Güte, wird da jetzt wieder Staub aufgewirbelt, den die Leute sogar einatmen. Darin können tatsächlich ungesunde Minerale enthalten sein wie Quarz oder bestimmte Asbestminerale.

    Kunststoffe jedoch sind Kohlenwasserstoffverbindungen, wie Pflanzenöle auch. Es scheint, als ob ab einem gewissen Wohlstand der bürgerlichen Klasse ihr auch von Gesetzes wegen die Unsterblichkeit zusteht. Man hat es ja auch nicht nötig im Chemieunterricht aufzupassen. Das ist ja sowieso Teufelszeug.

    Das hat man übrigens im Mittelalter auch geglaubt.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @achterhoeker:

      Es scheint mir, dass Sie im Chemieunterricht nicht aufgepasst haben, vom Biologieunterricht ganz zu schweigen.



      Kunststoffe wie PVC oder PTFE haben wohl nichts mit Pflanzenölen zu tun. Der Ruß in den Autoreifen, die Mengenmäßig in Deutschland den größten Anteil der Mikroplastik verursachen, kann ich Ihnen ebenfalls nicht empfehlen. Polyethylen enthält je nach dem Metallkatalysatoren, die nicht gesund sind. Und die hormonell wirkenden Weichmachern kommen uns aus dem Biologieunterricht bekannt vor - die Verhütungsstäbchen auf Gestagenbasis. Superklein, werden unter der Haut implantiert und machen Sie drei Jahre "sorgenfrei".



      Teufelszeug ist das alles nicht, aber so lange Dödel ihren Plastikmüll aus dem Autofenster schmeißen oder ihre Wattestäbchen und die Feuchttücher auf Mallorca im Klo also im Meer entsorgen, ist die Menschheit noch nicht reif für den Scheiß.

  • Keine gesundheitlichen Auswirkungen? Bei nano auf 3sat wurde in einem Beitrag zu Microplastik die Forschung an Pflanzten gezeigt, wonach Pflanzen Microplastik aufnehmen und schlechter wachsen.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Puh - geschafft! Wir sind die Spitze der Nahrungskette und uns erreichen seit Langem die Probleme der Ernährung in Menge, Art und Güte. Hat etwas gedauert - aber am Ende hat‘s geklappt. Wer seine Lebensumwelt für ein bisschen mehr von Allem total verdreckt darf sich letzten Endes nicht wundern, im Dreck zu leben und Dreck zu essen. Wer sich im Einkaufsrausch mit Sondermüll ab Werk zupflastert, Dinge isst, die einzeln betrachtet eigendlich gar nicht zu Verzehr geeignet sind, sich den Luxuskörper beschmiert mit Mitteln, die aus Industrie- oder Essensresten hergestellt werden oder mit seinem 2-Tonnen-Auto Kippen holt - tja.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Früher sprach man von einer 'Nahrungsveredelung', und meinte damit: Was die Kuh, das Schwein und das Huhn an Schadstoffen frisst, wird der tierische Organismus schon gefälligst ausscheiden und dem Menschen bleibt dann die 'veredelte' Nahrung, das saftige Stück Fleisch ohne Schadstoffe.



    Wenn diese Hybris des Menschen nun zu Ende geht, dann ist es sehr gut so.



    Nur die ganz einfache Struktur 'Gift irgendwo reinkippen, dann landet das Gift auf dem Teller' kann das menschliche Hirn begreifen.



    Für eine feinere oder gar vorsorgliche Art zu leben ist das Menschenhirn zu klein.

  • Jetzt kommt die Quittung...



    www.cbsnews.com/ne...-trash-2018-10-06/

  • Ich muss an dieses indianische Sprichwort denken. Das mit dem Geld nicht essen können und so. Und an diese Figurine mit den drei Affen. So blöd kann doch keiner sein, nicht zu checken, dass auf einer endlichen Welt, wo alles miteinander verbunden ist, alles irgendwann mal wie ein Boomerang zurückkommt.

  • vor jahrzehnten stellte man bereits fest, daß die luftmassen in der arktis nicht wie bisher ein staubkorn pro cbm enthalten, sondern die konzentration um das zehntausendfache erhöht war.

    jetzt ist auch die umwelt durch mikro- und makroplastik verpestet.



    und, ob wir wollen oder nicht, die gerechte mutter natur wird uns daran krepieren lassen.