Migrationspolitik von Olaf Scholz: Deutschlandtempo bei Abschiebungen
Auch wenn der Kanzler Abschiebung „im großen Stil“ verspricht: Die meisten Geflüchteten dürfen hier bleiben. Und das aus guten Gründen.
E in „Deutschland-Tempo“ hatte Kanzler Olaf Scholz mal versprochen, um das Land moderner und zukunftssicher zu machen. Dabei ging es ihm eigentlich um Planungs- und Genehmigungsverfahren, aber das Thema ist komplex und dröge. Das Thema Migration ist ebenfalls komplex, aber emotional hoch aufgeladen. Deshalb ist die Versuchung groß, darauf einfache Antworten zu geben.
Die als „Fortschrittskoalition“ angetretene Ampel-Regierung kann dieser Versuchung nicht länger widerstehen. Auf dem aktuellen Spiegel-Cover hat sich der schlumpfige Scholz in einen grimmigen Scharfmacher verwandelt, der Abschiebungen „im großen Stil“ verspricht. Es fehlt nur noch die Frakturschrift, um die demonstrative Härte zu unterstreichen.
Neu ist das Vorhaben allerdings nicht. Schon im Koalitionsvertrag hatte die Ampel eine „Abschiebeoffensive“ angekündigt, das hatte die FDP durchgesetzt. Nun macht die Regierung damit Ernst.
Es wird schon jetzt mehr abgeschoben
Tatsächlich wurden in diesem Jahr bereits mehr Menschen abgeschoben als im Jahr zuvor. Doch welche Probleme werden dadurch gelöst? Angesichts von 1,1 Millionen Flüchtlingen allein aus der Ukraine, die rechtmäßig hier sind, ist es ziemlich egal, ob sich die Zahl der Abschiebungen pro Jahr verdoppelt oder verdreifacht: Ein paar Tausend oder Zehntausend weniger Menschen lindern die Probleme der Kommunen nicht. Und um viel mehr als 50.000 Fälle geht es nicht.
Von den knapp 300.000 Menschen, die derzeit „ausreisepflichtig“ sind, besitzen 80 Prozent eine Duldung. Das heißt, sie können nicht abgeschoben werden, selbst wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde – entweder, weil sie keinen Pass besitzen, eine Ausbildung machen, zur Schule gehen oder krank sind. Nach Afghanistan, Syrien und in den Iran wird derzeit aus guten Gründen ohnehin nicht abgeschoben. Daran werden auch Migrationsabkommen mit Kenia und Kirgistan nichts ändern, an denen gearbeitet wird.
Aktionismus und Schikane
Kurz: Die überwältigende Mehrheit der Geflüchteten, die hier sind, wird auch hier bleiben. Gut wäre es, das so klar zu sagen. Gut wäre es auch, den Kommunen mehr Geld für ihre Unterbringung und Integration zu geben, statt es für aufwändige und teure Abschiebeflüge auszugeben, die reiner Aktionismus sind. Auch die geplante Verschärfung der Abschieberegeln ist bloße Schikane.
Viel wichtiger wäre es, Deutschland endlich attraktiver für ausländische Arbeitskräfte zu machen, die wir jetzt und in Zukunft brauchen. Die aktuellen Debatten tragen leider nicht dazu bei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit