Mietendeckel in Berlin: Ran an die Miete
Wer die soziale Spaltung der Großstädte aufhalten will, muss die Mieten deckeln. Rücksicht auf Renditeverluste ist unangebracht.
D er Kauf von Immobilien in Berlin und anderen Großstädten versprach bislang eine sichere Rendite. Der dänische Immobilienspekulant Jørn Tækker erwarb 2006 ein Kreuzberger Altbau-Ensemle für 3 Millionen Euro von der Stadt und will es nun für 20 Millionen Euro abstoßen, ohne je einen Cent in die Substanz investiert zu haben: ein leistungsloser Gewinn. Trotz des massiven Kapitalzuflusses in den Immobilienmarkt verbessert sich am Wohnungsangebot nichts. Im Gegenteil: Immer mehr überteuerte Wohnungen verkleinern das Angebot für die Mehrheit.
Der Wohnungskonzern Akelius vermietet jede frei werdende Wohnung nach der Sanierung für den doppelten bis dreifachen Preis. 20 Euro pro Quadratmeter im sozialen Brennpunkt; Schamgrenzen gibt es schon längst nicht mehr. Schönen Gruß an die Mietpreisbremse. Gleichzeitig werden immer mehr vormalige Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt.
Mit dem Mietendeckel will der Berliner Senat nun dem Treiben ein Ende setzen. Wie Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) am Freitag vorstellte, sollen ab Januar die Mieten für fünf Jahre nicht mehr steigen dürfen beziehungsweise nur bis zu definierten Höchstwerten. Je nach Baujahr liegen die Grenzen, die auch bei Wiedervermietungen gelten, zwischen 5,95 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter. Wer mehr zahlt und wessen Miete 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens übersteigt, darf eine Absenkung beantragen.
Die Vorschläge sind weniger radikal als jene in einem zuvor bekannt gewordenen Arbeitspapier. In seiner verschärften Form hätte der Mietendeckel deutlich mehr HauptstädterInnen eine billigere Miete ermöglicht. Doch es folgte große öffentliche Empörung: Wertverlust! Enteignung! Kommunismus! Lange wurden die Interessengegensätze zwischen Kapitaleignern und Besitzlosen nicht mehr so deutlich.
Dabei geht jeder, der Immobilien kauft, eine Wette ein. Die unaufhaltsam steigenden Preise haben die Illusion genährt, dass Verlust oder weniger Rendite keine realistischen Optionen sind. Die Immobilienbranche hat zwei Dinge kollektiv ignoriert. Erstens sind Krisen dem Kapitalismus systemimmanent, Immobilienblasen können platzen. Zweitens haben demokratische Staaten das Recht, regulierend einzugreifen. Viel zu lange mussten Spekulanten dies nicht fürchten, weil der Staat dabei versagte, das Recht auf Wohnen zu schützen. Gefürchtet haben sich allein die Mieter.
Wiederherstellung eines bezahlbaren Mietniveaus
Der Mietendeckel wird die Angebotspreise deutlich drücken – ein Angriff auf sicher geglaubte Spekulationsgewinne. Sein Ziel ist aber ein anderes: die Wiederherstellung eines bezahlbaren Mietniveaus. Der Mangel an Marktregulierung hat zu sozialen Verwerfungen geführt. Bezahlbare Wohnungen für Normal- und Geringverdiener gibt es in Ballungszentren kaum mehr, schon gar nicht im privaten Wohnungssektor. Der Mietendeckel ist daher notwendig, um sozialen Frieden zu erhalten.
Gegner dieser tiefgreifenden Maßnahme werden weiter auf die vermeintlich schonendere Lösung verweisen: Neubau. Dabei sind, zumindest in Berlin, die Baukapazitäten schon ausgereizt, bebaubare Grundstücke werden rar. Auch löst allein ein Mehr an Wohnungen die Probleme nicht. Im letzten Jahrzehnt wurden fast nur teure Mietwohnungen und Eigentumswohnungen gebaut.
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Aktuell fließt das meiste private Kapital in den Kauf von Bestandsimmobilien. Wird das künftig weniger attraktiv, bleibt viel Kapital übrig, das auch dem Neubau zugutekommen könnte, zumal der von einer Deckelung der Mieten ausgenommen wird.
In Berlin hat man erkannt: Wer die soziale Spaltung der Großstädte aufhalten will, muss an die Mieten ran – ohne Rücksicht auf Renditeverluste. Viele Mieter hätten sich einen noch radikaleren Schnitt gewünscht. Doch ein erster Schritt ist getan. Der nächste könnte die Enteignung der Immobilienriesen sein.
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