Meteorologin über Unwetter und Medien: „Warnungen richtig interpretieren“
Bei Unwetterlagen muss schnell und breit informiert werden, sagt die Meteorologin Inge Niedek. Besonders auch über die möglichen Folgen.
taz: Frau Niedek, wenn mir an meinem Wohnort eine Unwetterkatastrophe droht, wie sollte ich idealerweise davon erfahren? Ich bin ja nicht die ganze Zeit am Handy auf der Suche.
Inge Niedek: Das ist in der Tat ein großes Problem. Auf das Mobilfunknetz alleine sollte man sich nicht verlassen. Das kann zusammenbrechen wie alles andere. Vielerorts auf dem Land ist der Empfang ohnehin nicht optimal. Das erste Mittel der Wahl ist da für mich zum Beispiel immer noch das Radio. Es sollte ein Kommunikationsmittel sein, das notfalls auch ohne Strom vom Netz auskommt.
Der Rundfunk, besonders der WDR, stand in der Kritik, weil er am vergangenen Mittwoch, als sich die Lage im Westen zuspitzte, das Programm nicht rechtzeitig unterbrochen hat. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht als Meteorologin, dass der Rundfunk schnell reagiert?
Äußerst wichtig. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit beim ZDF, ich habe damals auch die Idee aufgebracht, bei Unwetterlagen schneller zu warnen. Damals, in den 90er Jahren, war das dort noch kein großes Thema. Das änderte sich Ende 1999 mit dem Orkantief „Lothar“.
Fehlt es uns hierzulande noch an Bewusstsein dafür, wie verheerend Wetterkatastrophen sein können?
Jahrgang 1955, war von 1988 bis 2015 Fernsehmeteorologin beim ZDF. Heute ist sie stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und berät den Deutschen Wetterdienst.
Dieses Bewusstsein wächst allmählich. Mit jedem Unwetterereignis steigen die Erkenntnisse. Ein großes Problem ist aber, wie Warnungen in der Bevölkerung aufgenommen werden. Der Deutsche Wetterdienst hat ja die Hoheit, Unwetterwarnungen herauszugeben. Das macht er aus meiner Sicht gut und gewissenhaft. Die Menschen müssen auch lernen, die Unwetterwarnungen richtig zu interpretieren. Das ist ein Lernprozess.
Was ist nach der Katastrophe in Westdeutschland die konkrete Lehre?
Man muss überlegen, wie man die Leute gezielter über mögliche Auswirkungen informiert. Nicht alle können sich unter „Starkregen“ etwas vorstellen. Ich muss also unter Umständen den Hinweis geben: Das kann schwerwiegende Folgen haben! Auch dann, wenn man sich noch nicht sicher ist. Zudem müssen Informationen über Ereignisse, wenn sie denn eintreten, schneller verbreitet werden. Möglichst über mehrere unabhängige Kanäle. Und schließlich müssen wir alle unser Bewusstsein dafür schärfen, wie ernst eine solche Lage sein kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück