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Merz bei Sánchez in MadridMeinungsverschiedenheiten zu Gaza-Krieg bei Antrittsbesuch

Bundeskanzler Friedrich Merz war am Donnerstag zu Gast bei seinem spanischen Amtskollegen Pedro Sánchez. Ein Thema dabei: die divergierenden Positionen zu Israel und Palästina.

Merz und Sánchez geben eine Pressekonferenz: Spanien gehört in der EU zu den schärfsten Kritikern Israels Foto: Susana Vera/rtr

Madrid afp | Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez sind Meinungsverschiedenheiten über den Gaza-Krieg offen zutage getreten. Es sei „kein Geheimnis“, dass die Bundesregierung und die sehr Israel-kritische spanische Linksregierung aus der Lage teilweise „verschiedene Schlüsse“ ziehen würden und „unterschiedlicher Auffassung“ seien, sagte Merz am Donnerstagabend bei einer Pressekonferenz mit Sánchez im Regierungssitz Moncloa in Madrid. Dies habe teilweise mit der deutschen Geschichte zu tun.

„Wir teilen die tiefe Sorge über die humanitäre Lage in Gaza und die laufende Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte gegen Gaza-Stadt“, betonte Merz. Berlin wie auch Madrid würden zudem befürchten, „dass es im Westjordanland zu Annexionsschritten kommt, die eine Zweistaatenlösung noch weiter erschweren könnten“.

Merz machte aber deutlich, dass Deutschland – anders als Spanien im vergangenen Jahr – vorerst keine Anerkennung eines eigenständigen Palästinenserstaates plane. Dies stehe derzeit „nicht zur Debatte“, sagte der Kanzler. Eine Anerkennung wäre vielmehr einer „der letzten Schritte“ auf dem Weg hin zu einer Zweistaatenlösung.

Der Bundeskanzler lehnte es – anders als Sánchez – auch ab, von einem „Völkermord“ im Gazastreifen zu sprechen. Deutschland und Spanien würden diese Beschreibung nicht „teilen“, sagte Merz.

Sánchez hat Israel wiederholt „Völkermord“ vorgeworfen

„Wir stehen auf der Seite Israels“, betonte Merz. „Das heißt nicht, dass wir jede Entscheidung einer israelischen Regierung teilen und gutheißen.“ So sei das Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen „unverhältnismäßig“. „Kritik an der israelischen Regierung muss möglich sein, aber wir dürfen nie zulassen, dass sie zu einer Hetze gegen Jüdinnen und Juden missbraucht wird“, sagte Merz. Darin sei er sich mit Sánchez einig.

Spanien gehört in der EU zu den schärfsten Kritikern des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen. Der Sozialist Sánchez hat Israel wiederholt einen „Völkermord“ in dem Palästinensergebiet vorgeworfen. Vor wenigen Tagen forderte der Sozialist, Israel von internationalen Sportwettbewerben auszuschließen, bis die „Barbarei“ aufhöre.

Er sprach zudem pro-palästinensischen Demonstranten seine „Bewunderung“ aus, die mit ihren Protesten am Sonntag einen Abbruch der Schlussetappe der spanischen Rennradtour La Vuelta erzwungen hatten. Bereits im vergangenen Jahr erkannte die spanische Linksregierung einen eigenständigen Palästinenserstaat an.

Sánchez sagte am Donnerstagabend an der Seite von Merz unter anderem mit Blick auf den Kampf gegen die frühere baskische Terrororganisation ETA: „Wir wissen, wie man den Terrorismus besiegt.“ So, wie Israel die radikalislamische Hamas bekämpfe, werde dies aber nicht gelingen. Israel werde nur international zunehmend „isoliert“ und sorge selbst für größere Unsicherheit.

Merz absolvierte am Donnerstag vier Monate nach seinem Amtsantritt seinen Antrittsbesuch in Spanien. Er und Sánchez hatten sich bereits bei mehreren internationalen Gipfeln getroffen. Bei ihrem Treffen in Madrid ging es neben dem Gaza-Krieg auch um den Ukraine-Krieg, die europäische Verteidigungspolitik, die Nato, die Wirtschafts- und die Energiepolitik.

Spanien lehnt Nato-Ausgaben-Ziel ab

Vorsichtig ermahnte Merz Sánchez dabei zu höheren Verteidigungsausgaben. Spanien habe dabei „in den letzten Jahren einen enormen Aufholprozess geleistet“, lobte der Kanzler. Er stellte aber zugleich klar: „Wir sind uns gleichwohl darüber im Klaren, dass wir auch in Zukunft mehr brauchen und dass wir gemeinsam hier größere Anstrengungen unternehmen müssen.“

Spanien war im vergangenen Jahr das Nato-Land mit den niedrigsten Verteidigungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt und lag weit unter dem bisherigen Zwei-Prozent-Ziel der Nato. In diesem Jahr soll die Zwei-Prozent-Marke aber erreicht werden.

Im Juni stemmte sich Spanien gegen eine Anhebung des Nato-Ziels für Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Nato-Staaten einigten sich letztlich auf das Fünf-Prozent-Ziel, Spanien forderte aber ein Maximum an Flexibilität.

Ebenfalls beim Thema Verteidigung pochten Merz und Sánchez am Donnerstagabend am Regierungssitz Moncloa darauf, bei dem Projekt zur Entwicklung eines europäischen Kampfjets (FCAS) bis Jahresende eine Lösung zu erzielen. Merz sagte dabei, die Situation sei derzeit „unbefriedigend“: „Wir kommen bei diesem Projekt nicht voran“, klagte der Kanzler. „Es kann nicht so weitergehen wie gegenwärtig.“

Wie es mit dem deutsch-französisch-spanischen Kampfjet FCAS weitergehen soll, sollte eigentlich bis Ende August geklärt sein. Inzwischen ist diese Frist auf Ende des Jahres verschoben. Bei dem Streit geht es unter anderem um den Einfluss des französischen Rüstungskonzerns Dassault, der eine bedeutendere Rolle bei dem Projekt fordert.

Neben der großen Politik ging Merz bei der Pressekonferenz auch auf persönliche Erinnerungen ein. Er verbinde mit Spanien „mit die schönsten Kindheitserinnerungen“, sagte der Kanzler. „Ich bin mit meiner Familie sehr häufig in ganz jungen Jahren südlich von Valencia in dem schönen Ort Cullera im Urlaub gewesen. Und von daher verbindet mich mit Spanien sehr viel an persönlichen Erinnerungen.“

Am Freitag soll Merz den Vorsitzenden der konservativen Oppositionspartei Partido Popular, Alberto Núñez Feijóo, treffen.

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