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Merz, Spahn und die BoomerWegbeißen

Merz zieht Bilanz: keine Eier. Davon profitiert Spahn. Außerdem: Keine Erdbeeren für Deutschland und keine „reichen Rentner“.

Bisschen einsam: Jens Spahn Foto: Kay Nietfeld/dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Rote Karte in der 13. Minute.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Der Mittwoch!

taz: Die USA liefern Patriots an die Ukraine, Europa zahlt. Ist das ein guter Deal?

Küppersbusch: Gegen die russischen Drohnenschwärme helfen die Patriots genau gar nicht; zudem kostet jede Luftabwehrrakete Millionen und vernichtet im besten Fall Drohnen für ein paar zigtausend Rubel. Ähnliches gilt auch für das inzwischen Evergreen von den deutschen Taurus. Die sind derzeit auf russische Atomwaffenbunker gerichtet und das gilt als eher sinnvoll. Trotzdem ist es ein guter Deal, einfach weil Präsident Trump nichts anderes noch verstehen kann als eben: Deals. Im Grunde kaufen wir uns eine Geste der Amerikaner, die hier als Unterstützung für die Ukraine gelesen wird – und dort als Bargeld.

taz: US-Präsident Donald Trump steht wegen einer anzüglichen Geburtstagskarte an Jeffrey Epstein unter massivem Druck. Frisst die MAGA-Bewegung jetzt ihren eigenen Anführer?

Küppersbusch: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Epstein-Causa ist übelst, Trumps mafiöse Welt ist übelst, und beides zusammen ergibt – den Bull­shit, mit dem Steve Bannon rät, die Medien zu fluten. Jeder noch so berechtigte Gedanke zu dem Thema ist einer weniger über eine wirksame Strategie für die Demokratie.

taz: Friedrich Merz zieht nach etwa zwei Monaten seiner bisherigen Kanzlerschaft Bilanz. Wie, finden Sie, schlägt er sich?

Küppersbusch: Die Bundespressekonferenz mit dem traditionellen „Ich bin dann mal weg“-Interview des Kanzlers erging sich zu einem Drittel in Brosius-Gersdorf-Fragen. Merz hat die goldene Entertainment-Regel „You have to bring something to the party“ nicht drauf: Bei einem so absehbaren Fragen­hagel hilft nur eine solide Paukenschlag-Symphonie zum Auftakt. Doch da zählte er, fast ermüdet und eher verteidigend, die Errungenschaften von Schwarz-Rot auf. Sein No zum geplanten EU-Haushalt hätte sowas sein können, irgendeine steile Ansage an Putin oder über die israelische Kriegführung in Gaza. Kam alles später, machte keine Welle. Immerhin hat er keinen Ausritt in die Fettnäpfchen der Welt genommen und war gut in den Details. Für’s Protokoll: Die letzte Fragerin wollte irgendwas mit Klima wissen. Scheint ein Feuilleton-Thema zu sein.

taz: Wie lange bleibt Jens Spahn noch Fraktionsvorsitzender?

Küppersbusch: Als Fraktionschef Merz der CDU-Vorsitzenden Merkel so gefährlich wurde wie heute Fraktionschef Spahn dem Parteichef Merz, hat sie ihn kalt weggebissen. Spahn hat die Kanzlermehrheit nicht zuwege gebracht, die Richterwahl nicht organisiert und – nicht vergessen – wollte auch schon mal CDU-Vorsitzender werden, 2018. Man darf immerhin fragen, ob es wirklich sein Lebensziel ist, Friedrich Merz zu stärken. In anderen Worten: Als Merkel in der Situation war wie Merz heute, hatte sie – sorry – Eier. Ungefähr das einzige, von dem Merz dachte, er hätte es ihr voraus.

taz: Sollten reiche Boomer einen Soli an ihre weniger reichen Altersgenossen zahlen?

Küppersbusch: Früher wär alles schöner: Wenn Mieteinnahmen, Aktiengewinne, Gewinnausschüttungen, Zinsen und allerhand Reiche-Leute-Zubrot auch für die Rentenkasse abkassiert würden – und nicht nur Löhne und Gehälter. Der DIW-Vorschlag sieht das als „Variante“ vor. Das wäre zwar zu spät für Gerechtigkeit, aber früh genug für ein Rentenleben vor dem Tod. Dumm nur: Es gibt gar keine „reichen Rentner“, die Höchstrente von 3.500 € pro Monat erreicht praktisch niemand. Also ohne den Twist, alle anderen Einnahme­quellen miteinzubeziehen, würden hier nur mäßige gegen schlechte Renten ausgespielt. Übrigens haben wir Boomer in jungen Jahren die geburtenstarken Jahrgänge aus der NS-Zeit durchgefüttert und dann nochmal die deutsche Einheit mit Millionen Nichteinzahlern. Wer die soziale Schieflage gern so belassen möchte, ruft zum Boomer-Bashing.

taz: Es wird die schlechteste Erdbeerernte seit Jahren erwartet. Gibt es denn gar keine guten Nachrichten mehr?

Küppersbusch: Doch, den höheren Mindestlohn. Davon kann man mehr Erdbeeren kaufen und den Saisonarbeitern weniger Arbeit geben. Oder so! Jedenfalls haben die Bauernfunktionäre schon rausgefunden, dass ihre stark mechanisierten Mais- und Rapsfelder mehr einbringen als personal­intensive Spargel und Erdbeeren und lassen es uns büßen. Wenn ich mehr billige inländische Erdbeeren möchte, soll ich gefälligst gegen den Mindestlohn sein. An apple a day keeps the Großbauer away.

taz: Sollte Frau Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht zurückziehen?

Küppersbusch: Simple Umkehrfrage: Wer würde jubeln, wenn sie zurückzöge? Und an die Union: Würdet ihr die gern jubeln sehen? Schon wieder? Interessant.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Die Dritte Mannschaft des RWE heißt jetzt Atletico Essen, weil ungefähr der ganze Kader nach nicht gelungenem Aufstieg einfach der Verein gewechselt hat. Interessante Anregung für alle Nichtaufsteiger.

Fragen: Alice von Lenthe

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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