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Menschenrechtslage im IranForderung nach Abschiebestopp

Nach wie vor schiebt Deutschland Menschen in den Iran ab. Auch nach der Hinrichtung eines Deutschen. Pro Asyl fordert, die Zusammenarbeit zu beenden.

Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt zur Erinnerung an den im Iran hingerichteten Jamshid Sharmahd Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Von einem „diktatorischen Unrechtsregime“ sprach Bundesaußenministerin Annalena Baerbock vergangene Woche bei den Vereinten Nationen. Sie meinte die Islamische Republik Iran und kritisierte das „menschenverachtende“ Agieren des Regimes „voller Brutalität“ und die „furchtbare Ruchlosigkeit“. Anlass war die Ermordung des deutschen Staatsbürgers Jamshid Sharmahd: Vor einer Woche hatte die iranische Justiz seine Hinrichtung bekannt gegeben, Baerbock daraufhin am Donnerstag die Schließung der drei iranischen Generalkonsulate in Deutschland angekündigt. Ob sich dadurch auch etwas an der unsicheren Situation iranischer Geflüchteter in Deutschland ändert?

Die Menschenrechtslage im Iran ist desaströs – nicht erst, seit das Regime von 2022 an die Proteste unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ brutal niederschlagen ließ. Amnesty International spricht von systematischer Anwendung von „Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen“ sowie vom Einsatz der Todesstrafe als „Mittel der politischen Unterdrückung“. Allein 2023 seien mindestens 853 Menschen hingerichtet worden.

Trotz massiver Menschenrechtsverstöße bekommen Schutz suchende Ira­ne­r*in­nen in Deutschland allerdings oft kein Asyl. Tatsächlich lag die bereinigte Schutzquote für Menschen aus dem Iran in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 bei gerade mal 38 Prozent. 62 Prozent der Fälle, in denen die Behörden inhaltlich über Asylanträge aus dem Iran entschieden, wurden hingegen abgelehnt.

Mehr noch: Im Januar lief der deutsche Abschiebestopp für Iran aus. Abschiebungen in das Land sind zwar nach wie vor selten, finden aber grundsätzlich wieder statt. Das Bundesinnenministerium (BMI) erklärte auf taz-Anfrage, es habe Kenntnis von bislang 11 Abschiebungen in den Iran in diesem Jahr. Die „Zuständigkeit für den Vollzug von Abschiebungen“ liege aber bei den Ländern, ebenso eine „mögliche, vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Das BMI habe „keine eigene Zuständigkeit (auch kein Initiativrecht) für den Erlass eines Abschiebungsstopps“.

Respekt, aber kein Abschiebestopp

Die Menschenrechtslage im Iran habe sich „seit den Protesten in Folge des Todes von Jina Mahsa Amini nicht verbessert“, erklärt das BMI. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) habe „großen Respekt vor dem Mut der Menschen in Iran, die für Freiheit und Menschenrechte eintreten.“ Mit Blick auf Asylanträge prüfe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) jeden Einzelfall „sorgfältig“. Hierfür würden alle zur schutzsuchenden Person sowie zur konkreten Herkunftsregion vorliegenden Erkenntnisse herangezogen. Ausschlaggebend sei der Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Iran.

Ende November 2022, nach Ausbruch der Proteste und deren gewaltvoller Niederschlagung, hatte das Auswärtige Amt (AA) dem Iran in seinem Lagebericht ein katastrophales Zeugnis ausgestellt. Aus dem Ministerium heißt es auf taz-Anfrage nach aktuellen Entwicklungen lediglich, die Berichte würden „turnusmäßig aktualisiert“. Dafür beobachte man die Lage in den Ländern kontinuierlich. Die im Ministerium angesiedelte Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne), hatte schon im März kritisiert, dass die In­nen­mi­nis­te­r*in­nen der Länder den Abschiebestopp nicht verlängert hatten.

Deutliche Worte kommen aus der Zivilgesellschaft. Die Hinrichtung Sharmahds sowie die andauernde Inhaftierung der Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi sowie vieler Ak­ti­vis­t*in­nen der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung bewiesen, „wie lebensbedrohlich die Situation im Iran ist“, heißt es etwa von Pro Asyl. Ein bundesweiter Abschiebestopp sei überfällig, erklärte der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation, Tareq Alaows.

Pro Asyl fordere „die Beendigung jeder direkten und indirekten Zusammenarbeit mit dem Iran, die es ermöglicht, Menschen abzuschieben“. Auch bräuchten iranische Geflüchtete einen Schutzstatus. „Viele der Menschen, die im Asylverfahren abgelehnt wurden, protestieren in Deutschland gegen das Regime oder leben zum Beispiel eine im Iran verfolgte Religion oder sexuelle Orientierung aus – sind also im Iran extrem gefährdet“, so die NGO. Diese Menschen lebten „in ständiger Angst vor der Abschiebung“.

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12 Kommentare

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  • Eine derart konsequente Politik könnte aber doch den Profitinteressen der Wirtschaft entgegenstehen! Das geht doch nicht! Und dieses Getrickse zur Sanktionsumgehung -siehe Russland- ist schon wieder ein Mehr an Bürokratie. Das geht ebensowenig....

  • Asyl für Iraner, denen im Iran politische Verfolgung droht, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aber wieso sollten Iraner, die Anhänger oder sogar aktive Unterstützer des Mullah-Regimes sind, nicht mehr in den Iran abgeschoben werden können? Das wäre die Folge eines allgemeinen Abschiebestopps ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls.

  • Es ist halt reine Symbolpolitik. Das zeigt aber auch, dass unsere Regierung über Leichen geht, wenn es nur darum geht Stimmen einzufangen. An Dämlichkeit kaum zu überbieten.

  • Grundsätzlich finde ich, dass viele Asylbewerber aus dem Iran nicht gut behandelt werden, die Bearbeitungszeiten sind meist sehr (zu) lang und oftmals wird sehr kritisch geschaut, wer da sitzt, was der (wirklich) will.



    Pauschal einen positiven Bescheid zu erteilen, scheint hier bei dieser Gruppe von Menschen nicht zu gehen. Aber es wäre gut, wenn die Bearbeitungszeiten sinken, gerade bei denen die zum Beispiel einen Steckbrief haben, bereits gefoltert, inhaftiert wurden.



    Es gibt leider, dass muss ich auch sagen, auch Menschen, die den Iran einfach verlassen wollen, in der Regel, um für ihre Kinder und ihre Familie oder sich selbst bessere Lebensverhältnisse zu erreichen. Einige benötigen auch medizinische Behandlungen.



    Das ist leider kein Grund, um in Deutschland bleiben zu können. Und das Deutschland-Bild von Iraner ist sicherlich irgendwo zwischen 1970 und 1985 stehen geblieben.



    Die Zusammenarbeit mit der Regierung in Teheran ist moralisch verwerflich und schwierig, aber pragmatisch gesehen, leider notwendig.

  • Diese ganze Abschiebeindustrie - einschließlich Grenzschutz - ist ohnehin eine riesige Verschwendung von menschlichen und materiellen Ressourcen. Ich glaube auch, dass Extremismus vor allem durch Armut und Ausgrenzung entsteht.



    Wir sollten jeden, der hier leben will, unvoreingenommen willkommen heißen und ihn auch gleich an einem bedingungslosen Existenzminimum (z.B. einer aufkommensneutralen Negativen Einkommensteuer) teilhaben lassen. Wohnraum kann auch umweltverträglich geschaffen werden, indem z.B. Ackerfläche sinnloser Monokulturen (Biodiesel, Futtermais etc.) vom Staat aufgekauft und darauf Häuser aus u.a. Lehm, Stroh, Naturstein und ein bisschen Recyclingstahl mit großzügiger Dachbegrünung gebaut werden.



    Wir können uns das leisten. Rein technisch sind Staatsausgaben eine Geldschöpfung, da sie über die staatliche Zentralbank laufen. Ein Staat ist in eigener Währung also immer zahlungsfähig und deshalb nicht auf Einnahmen angewiesen. Eine natürliche Grenze für eine höhere Geldmenge wäre erst erreicht, wenn die entsprechenden Ressourcen erschöpft wären, wir also z.B. Vollbeschäftigung hätten. Von der sind wir aber Lichtjahre entfernt (siehe z.B. Dirk Ehnts, Maurice Höfgen).

  • Die einzige widerspruchslose Lösung ist entweder: die Lage im Iran ist so schlecht, dass allen Iraner:innen Asyl gewährt werden sollte. Oder sie ist es nicht, und dann sind Abschiebungen auch möglich. Insbesondere für veurteilte Verbrecher:innen.

  • Das ist doch mal eine konsistente Politik.

    Die Iran's Vertretungen in D werden geschlossen weil Iran gegen die Menschenrechte verstösst.



    Menschen werden in den Iran abgeschoben weil die Menschenrechtslage dort akzeptabel ist.

    Einfache Kiste:



    Vielleicht kann mir das mal jemand der Ampelkoalistionspartner hier erklären.



    Vllt liest ja jemand von deren Seite hier mit.



    Und die anderen Mitleser hier wird es sicher auch interessieren.

  • Abschiebestopp in den Iran? Warum, es wird ja auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben, von der Türkei ganz zu schweigen.



    Rechtspopulistisch getriebene Kälte ist doch mittlerweile das Markenzeichen der deutschen Migrationspolitik, warum nicht auch hier? Und wehe, ein Iraner wird nicht abgeschoben und dreht dann demnächst bei einem Volksfest durch. Will nicht wissen, was dann wieder bei BILD, Nius, Tichys Durchfall und anderen seriösen Qualitätsmedien los ist.

    • @Bambus05:

      "Warum, es wird ja auch nach Afghanistan und Syrien abgeschoben, von der Türkei ganz zu schweigen."

      Ok was ist Ihre Lösung? Keine Abschiebungen mehr?

    • @Bambus05:

      Sie haben Recht mit ihren Hinweis auf rechtspopulistische Kälte. Ohne diese gut zuheißen, ist diese aber eine Gegenreaktion zu linkspopulistischer Naivität. Auf rechter Seite ist jeder Migrant ein potentieller Krimineller oder Islamist, der abgeschoben gehört. Auf linker Seite ist jeder Mensch schutzbedürftig und hat das Recht, trotz teilweisen schlimmen Straftaten, hier zu bleiben. Beides funktioniert nicht, doch statt dies endlich begreifen zu wollen, polarisiert man immer mehr. Konsens oder aufeinander zugehen, einen für die gesamte Gesellschaft akzeptablen Mittelweg will niemand mehr gehen, da jede Seite die absolute Wahrheit für sich reklamiert. Ich würde mir wünschen dass gute Menschen, auch ohne das Recht auf Asyl, hier bleiben können. Gleichzeitig wünsche ich mir das wirklich schlechte Menschen in ihre Länder zurück müssen, egal wo her Sie kommen. Verstand /Vernunft vor Gesetz oder falsch verstanden Moral. Leider wir dies nie passieren.

    • @Bambus05:

      Nicht jeder Iraner oder Afghane wird von den lokalen Regimes bedroht.



      Abschieben nachdem jemand Asyl erhalten hatte und es (z.b. durch Ausübung schwerster Straftaten) verwirkt hat ist in den Augen der hier lebenden Menschen mehrheitlich akzeptiert.

      Aktuell wird jeder Einzelfall geprüft. Aber natürlich setzt sich eine NGO wie "Pro Asyl" für Abschiebestopps überall hin ein - wäre ja auch merkwürdig und dem Namen nicht entsprechen wäre es anders.

      Der hingerichtete wurde nicht aus Deutschland abgeschoben sondern aus Dubai in den Iran entführt. Wenn man seine Vita liest hat er scheinbar Kontakt zu extremistischen Gruppierungen gehabt (oder war sogar Sprecher) die zwar die islamische Republik ablösen wollen - aber die Einführung einer Monarchie durch Gewalt würde ich jetzt auch nicht als besonders demokratisch ansehen.



      Das er kein -unseren Maßstäben nach- rechtsstaatliches Verfahren erhalten hat ist aber sicher klar.