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Menschenrechte in AfghanistanDie Taliban rächen sich doch

UN-Mission für Afghanistan wirft Taliban-Regierung vor, seit dem Machtwechsel trotz Amnestieversprechen 218 frühere Regierungskräfte getötet zu haben.

Talibankämpfer in Kabul am zweiten Jahrestag des us-amerikanischen Rückzugs aus Afghanistan Foto: Abdul Khaliq/ap

Berlin taz | „Die Taliban haben meinen Bruder getötet … Er war Polizist im [früheren] Innenministerium. Als er zehn Tage nach der Machtübernahme der Taliban nach Kabul zurückkehrte, holten diese ihn aus einem Privatfahrzeug und entdeckten auf seinem Handy Fotos mit Beamten des Innenministeriums … Darauf haben sie ihn mitgenommen. Nach drei Tagen wurde sein Körper gefunden … Er hatte Spuren vieler Einschüsse.“

Dieser Fall tödlicher Gewalt mutmaßlicher Taliban gegen Sicherheitskräfte und Mitarbeiter der vorherigen Regierung wird in einem Bericht erwähnt, den die UN-Mission für Afghanistan (Unama) am Dienstag vorgelegt hat. Sie untersuchte im Auftrag des UN-Sicherheitsrates schwere Menschenrechtsverletzungen unter den Taliban von ihrer Rückkehr an die Macht am 15. August 2021 bis Ende Juni 2023. Die Taliban hatten bei ihrer Machtübernahme mehrfach eine „generelle Amnestie“ für Mitarbeiter der früheren Regierung versprochen, die auch für Militärs, Polizisten und Geheimdienstler gelten sollte.

Doch nennt der Bericht mehr als 800 Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter extralegale Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürliche Festnahmen, Folter, Misshandlungen und Bedrohungen.

Laut Unama gab es Fälle in allen 34 Provinzen, wobei sie in Kabul, Kandahar und Balkh am verbreitetsten gewesen seien. Das Gros hätte in den ersten vier Monaten nach Machtübernahme der Taliban stattgefunden, im Jahr 2022 habe es noch 70 extralegale Tötungen gegeben, 2023 seien es weniger.

„Offensichtliche Straffreiheit“ für Verantwortliche

Unama kritisiert, dass es trotz mehrfacher Versprechen der Amnestie dazu keine schriftlichen Anweisungen gegeben habe und es deshalb an Klarheit fehle. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warf den Taliban einen „Vertrauensbruch“ vor.

Unama kritisiert die „offensichtliche Straffreiheit“ für verantwortliche Taliban und vermisst Berichte über angebliche Untersuchungen. Die UN-Mission bat die Taliban vor Veröffentlichung des Berichts, in dem sie stets als „De-facto-Autoritäten“ bezeichnet werden, um eine Stellungnahme.

Darauf erklärte das Direktorat für Menschenrechte und internationale Frauenangelegenheiten, dass die Taliban-Regierung bisher keine Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen erhalten habe. Sollten Mitarbeiter der früheren Regierung festgenommen und der Justiz übergeben worden sein, wäre dies nur wegen ihrer Mitarbeit in Oppositionsgruppen erfolgt.

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5 Kommentare

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  • Na ja was hat man erwartet als wir Hals über Kopf geflohen sind! Wir (der Westen) hatten unsere Chance und wir haben es nicht geschafft. Und die sogenannten ehm. Sicherheitskräfte, haben sich trotz jahrelanger Ausbildung durch den Westen ohne Widerstand ergeben! - Das sind die Folgen!

    Und eine Feministische Außenpolitik unter Frau Baerbock , wir holen alle zu uns und nicht nur die Frauen die jetzt dort massiv leiden!

    Kann mit nicht vorstellen, dass man die Außenpolitik noch schlechter machen kann!

    • @Thomas Zwarkat:

      den Begriff "Feminismus" solltest du dringend nachschlagen.



      Dieser sinn- und inhaltsleere Hass gegen Frau Baerbock ist völlig cringe und unangebracht.

      • @Tyramizou:

        Reden wir von der Frau Barbock die Ihren Lebenslauf aufgefrischt hat und Ihr Buch mit Plagiaten gefüllt hat und mit erhobenen Zeigefinger in der Welt herum reist?

        Sorry das ist, meiner Meinung nach, nicht die richtige Person um Deutschland im Ausland zu vertreten!

  • Die Taliban sind doch ganz offenbar honore Handelspartner und willkommene Geschäftspartner auch für die westlichen, europäischen Länder.



    Also werden alle Berichte über Greueltaten ungehört verhallen.

    • @Bolzkopf:

      Die globale Außenhandelsbilanz Afghanistans betrug 2021 gerade mal 6,5 Mrd. $ und das bei stark fallender Tendenz. Das Land ist ökonomisch nicht mal in der Lage die eigene Bevölkerung zu versorgen und der Export von Hilfsgütern ist nun gerade kein Geschäftsfeld mit sonderlich lukrativen Profiten.