Meduza-Auswahl 30. Mai – 5. Juni: Bischof gegen Premierminister

Armenien hat vier Grenzdörfer an Aserbaidschan abgetreten. Nun häufen sich Proteste. Texte aus dem Exil.

Viele Menschen bei Protesten.

Erzbischof Bagrat Galstanyan bei Protesten in Jerewan am 30. Mai Foto: Anthony Pizzoferrato/Middle East Images/imago

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Woche vom 30. Mai bis zum 5. Juni 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Putin-Propaganda-Videos auf Youtube

Seit dem Beginn des Ukrainekriegs im Februar 2022 hat Youtube zehntausende russische Propaganda-Videos von der Plattform entfernt. Doch diese Art von Inhalten bleibt weiterhin aufrufbar. In diesem Beitrag zeigt Meduza (russischer Beitrag), wie die Kreml-Propagandisten weiter Klicks generieren.

Wenn Youtube Propagandakanäle sperrt, gibt der Videohoster am häufigsten diese Gründe an: systematische Verstöße gegen die Regeln der Plattform und Aufstachelung zum Hass. Eine genaue Zahl, wie viele Kanäle bisher gesperrt wurden, gibt es nicht – doch es sollen mehr als 10.000 sein. Etwa die von Sputnik und Rossiya Sgodnya wurden blockiert. Dennoch landen nach Analyse von Meduza weiterhin viele Propaganda-Filmchen im Netz.

Als Reaktion aus Youtubes Versuch, gegen die Videos vorzugehen, haben russische Blogger, Regierungsbehörden und Medienunternehmen versucht, Plattformen wie Rutube und VKontakte als Alternative beliebt zu machen. Mit Youtube können sie aber nicht konkurrieren – noch nicht.

Pegasus-Spionagesoftware gegen Jour­na­lis­t:in­nen

Das iPhone der Meduza-Mitbegründerin und Herausgeberin Galina Timtschenko wurde von unbekannten Angreifern mit der Spionagesoftware Pegasus infiziert. Darüber berichtete das Exilmedium bereits im September 2023. Seitdem haben Experten von Access Now – einer gemeinnützigen Organisation mit Schwerpunkt auf digitalen Bürgerrechten – und Citizen Lab mit Hilfe eines Sicherheitsanalysten Dutzende Geräte russischer, belarussischer, lettischer und israelischer Jour­na­lis­t:in­nen und Aktivist:innen, die in der Europäischen Union (EU) leben, getestet.

Das Fazit: Mindestens sieben von ihnen wurden ebenfalls gehackt. Über die Ergebnisse dieser Untersuchung berichtet die Meduza-Sonderkorrespondentin Lilia Japparowa (englischer Text).

Access Now und Citizen Lab haben aufgedeckt, dass dieselbe Apple ID bei mehreren der Angriffe verwendet wurde. Zwei verschiedene E-Mail-Adressen wurden speziell für diesen Zweck erstellt. Dies deutet darauf hin, dass hinter den Angriffen dieselben Täter stecken. Das Telefon einer überwachten Person wurde möglicherweise infiziert, „damit es als Abhörgerät verwendet werden kann“, so Natalia Krapiva, technische Rechtsberaterin von Access Now.

Diese Art der Spionage ist jedoch nicht neu. So haben beispielsweise Saudi-Arabien und Marokko Pegasus eingesetzt. Nach Angaben von Citizen Lab gibt es aber keine Hinweise darauf, dass Russland, Belarus, Österreich oder Litauen Pegasus nutzen. Und seitens der polnischen Regierung heißt es, dass das Land die Spionagesoftware nicht mehr verwende. Auch Estland erwarb Pegasus im Jahr 2019 und setzt die Spionagesoftware vermutlich in großem Umfang im Ausland ein, auch in anderen Ländern der EU.

Häusliche Gewalt unter russischen Soldaten

In den letzten Monaten gab es vermehrt Fälle von russischen Soldaten, die nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg gegen die Ukraine vor Gericht wegen häuslicher Gewalt stehen. Doch selbst wenn sie verurteilt werden, erhalten sie in der Regel kaum eine harte Strafe. Einem Bericht der unabhängigen Zeitschrift Verstka zufolge verhängen russische Gerichte gegen Kriegsveteranen routinemäßig die Mindeststrafe – eine Zahlung von 55 Dollar. In diesem Beitrag fasst Meduza den Bericht auf Englisch zusammen.

Bereits in den ersten Monaten nach Februar 2022 sagten Menschenrechtsaktivisten voraus, dass die Rückkehr der Soldaten einen Anstieg der Gewalt in Russland auslösen würde. In einem Fall, über den Meduza berichtet, begründete der Richter die Milde des Urteils mit dem Charakter des Angeklagten, seinen beiden Kindern und der Tatsache, dass er in der Ukraine gekämpft hatte.

Unruhen an der Grenze Armeniens

In dieser Reportage berichtet Meduza über die Demonstrationen am zentralen Platz der Republik in Jerewan, die den Rücktritt von Premierminister Nikol Paschinyan fordern (englischer Text). Der Auflöser: Vier armenische Grenzdörfer wurden am 24. Mai offiziell an Aserbaidschan abgetreten. Der Anführer der Proteste ist ein prominenter Erzbischof, Bagrat Galstanyan, der selbst aus der nordöstlichen Provinz Tawusch an der Grenze zu Aserbaidschan stammt. Seit Beginn des Demarkationsprozesses im April hat Galstanyan wochenlange zu Antiregierungsdemonstrationen mobilisiert – und nicht ausgeschlossen, selbst für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren.

Die vier von Armenien zurückgegebenen Dörfer liegen innerhalb der international anerkannten Grenzen Aserbaidschans, standen aber seit dem Ersten Berg-Karabach-Krieg Anfang der 1990er Jahre unter der Kontrolle Armeniens. Die Entscheidung über die Rückgabe erfolgte, nachdem Baku im September letzten Jahres in einer blitzartigen Militäroffensive die volle Kontrolle über die umstrittene Region Bergkarabach übernommen hatte und 120.000 ethnische Armenier zur Flucht aus der Region zwang.

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