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Meduza-Auswahl 11. – 17. SeptemberArmut ist in Tschetschenien ein Scheidungsgrund

In Tschetschenien trennen sich Eheleute, um mehr staatliche Leistungen erhalten zu können. So ist Kinderbeihilfe für viele eine Einkommensquelle.

Scheidung ist ein ernstes Thema in Tschetschenien Foto: Vyacheslav Prokofyev/imago

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.

In der Zeit vom 11. bis 17. September 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Kindergeld gegen Ehe

In Tschetschenien lassen sich immer mehr Paare offiziell scheiden, obwohl sie weiterhin zusammenleben. Diese Trennung auf dem Papier ist eine Strategie, um staatliche Unterstützungsleistungen wie Kindergeld zu erhalten. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, niedriger Löhne und weitverbreiteter Armut versuchen Familien so über die Runden zu kommen. Meduza berichtet auf Englisch.

Für viele tschetschenische Familien sind Sozialleistungen eine Lebensader. Die Region hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Russland. Und aufgrund der wirtschaftlichen Lage haben viele Haushalte Mühe, über die Runden zu kommen. Der Staat bewilligt Sozialleistungen nur für Haushalte, die unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegen. Wenn auch nur ein Ehepartner etwas mehr als das Existenzminimum verdient, kann der Familie die Leistung verweigert werden.

In Tschetschenien gibt es eine monatliche Kinderbeihilfe für Familien mit Kindern bis zu 17 Jahren. Die Zahlungen sind an das Haushaltseinkommen gebunden und können 50, 75 oder 100 Prozent des regionalen Existenzminimums betragen. In der Praxis sind das zwischen 7.195 und 14.390 Rubel (87 bis 174 Euro) pro Kind. Gleichzeitig liegt die Republik beim Lohnwachstum landesweit fast an letzter Stelle.

Russische Truppen an westlichen Grenzen

Am 12. September begannen in Belarus die gemeinsamen russisch-belarussischen Militärübungen „West-2025“. Das letzte Mal fanden sie im Herbst 2021 statt. Und mit der Übung begann die Konzentration russischer Truppen an den westlichen Grenzen. Im Februar 2022 folgte dann das Manöver „Allianz-Entschlossenheit“. Unmittelbar danach kam es zu der groß angelegten Invasion Russlands in der Ukraine. Meduza berichtet auf Russisch über die Übung.

Die Gesamtzahl der an den Übungen 2025 teilnehmenden Soldaten wird offiziell nicht bekannt gegeben. Es wird davon ausgegangen, dass „West-2025“ nicht so umfangreich wie frühere ähnliche Übungen ist. Denn die wichtigsten russischen Kampftruppen sind im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt.

Nach Angaben des litauischen Militärgeheimdienstes sollen insgesamt etwa 30.000 Soldaten an den Manövern teilnehmen, davon 8.000 auf belarussischem Territorium. Zum Vergleich: 2021 nahmen etwa 200.000 Soldaten teil.

Darüber hinaus wird im Rahmen der Übungen 2025 die „Einsatzplanung“ für russische taktische Nuklearwaffen und neue russische Mittelstreckenraketen vom Typ „Oreshnik“ geübt, deren Stationierung in Belarus Moskau versprochen hat.

Russlands Supermärkte verändern sich

Das Forschungsunternehmen Nielsen hat festgestellt, dass im Juli das Sortiment an Lebensmitteln in russischen Lebensmittelgeschäften im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 Prozent zurückgegangen ist. Das Sortiment an Non-Food-Produkten ist um 1,8 Prozent geschrumpft. Das berichtete die Zeitung Kommersant am 16. September. Meduza greift den Bericht auf Russisch auf.

Das Sortiment an alkoholischen Getränken ging demnach um 5,6 Prozent zurück, das an Kinderartikeln um 5,1 Prozent, das an Kinderpflegeprodukten um 8,3 Prozent und das an Gesichtspflegeprodukten um 7,3 Prozet. Nielsen gab nicht bekannt, welche Lebensmittel in diesem Zeitraum weniger angeboten wurden.

Die von der Zeitung befragten Analysten erklärten den Rückgang des Sortiments damit, dass die Handelsketten weniger neue Produkte einkaufen. Darüber hinaus wird auch die Fläche der Geschäfte selbst reduziert, was mit den veränderten Konsumgewohnheiten von Rus­s:in­nen in Verbindung gebracht wird.

Wie Moskau rechtsradikale Kulturkämpfer unterstützt

Die nationalistische Bewegung „Der Mensch des Nordens“ des Musikers Mischa Mawashi entstand vor drei Jahren – und wird von regionalen und kommunalen Behörden unterstützt. Die Ideologie der Bewegung ist der Kampf gegen ausländische Arbeiter. Die Organisation von Mawashi gewinnt rasch an Popularität: Sie zieht Menschen mit rechten Ansichten an, die mit der orthodox-religiösen Ausrichtung anderer bekannter nationalistischer Bewegungen, wie beispielsweise der „Russischen Gemeinschaft“, unzufrieden sind.

Meduza berichtet auf Russisch, warum lokale Staatsdiener bereit sind, mit „Der Mensch des Nordens“ zusammenzuarbeiten – und wie man in Moskau dazu steht.

Ein Beispiel: Im Jahr 2024 gewährte das Kulturministerium der Region Woronesch dem lokalen Verein „Severnij chelovek“ (Der Mensch des Nordens) einen Zuschuss in Höhe von 999.000 Rubel für das Projekt „Poetisches Duell. Es lebe die Poesie“. Mit diesem Geld veranstaltete die Abteilung einen Wettbewerb für junge Dichter, in dessen Jury Mawashi selbst saß.

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