Medienpolitik im Jahr 2023: Berlusconi auf ProSieben?
Der Rundfunk braucht Reformen, Alternativen zu Twitter wollen gefunden, Papierzeitungen gerettet werden. Was in der Medienwelt 2023 wichtig wird.
Schlesinger, Berlusconi, Musk. Das waren viel genannte Namen im vergangenen Medienjahr. Von den einen wird man wohl weiter hören, von der anderen wohl nicht. Was dieses Jahr ansteht in der Welt von Rundfunk und Presse.
Öffentlich-rechtliche Zukunft
Geld sparen, digital erneuern, Filz ausmisten, Mitbestimmung stärken: Bei der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist es wie beim Dachboden aufräumen. Man weiß nicht, wo anfangen. Vielleicht beim Führungspersonal? Der RBB muss 2023 eine neue Chef*in finden. Katrin Vernau war im September nach dem Skandal um Vorgängerin Schlesinger für ein Jahr gewählt worden. Vermutlich wäre es förderlich, wenn der RBB sich einen möglichst transparenten Wahlkampf gönnt. Einen Wettbewerb der Reformideen.
Empfohlener externer Inhalt
Auch der MDR wählt dieses Jahr eine neue Spitze. Der Verwaltungsrat soll bis Ende Januar einen Vorschlag vorlegen. Interessant wird auch, welche Rolle der neue ARD-Vorsitzende Kai Gniffke spielen wird. Als Tagesschau-Chef stand Gniffke für Transparenz und Bürgerdialog. Als SWR-Intendant versprach er Erneuerung und Innovation. Als ARD-Chef muss er sich nun entscheiden: Gibt er den radikalen Reformton an – oder wartet er damit bis zum Ende seiner Amtszeit?
Journalismus nach Twitter
Alle namhaften Twitter-User*innen wandten sich augenblicklich ab, als Elon Musk die Plattform kaufte. Boykottbewegung des Jahrhunderts. Nein, Spaß, einige gingen, man sprach kurz über Mastodon. Aber bis dato bleibt Twitter die Plattform Nummer eins für die Vernetzung von Politik, Journalismus, Zivilgesellschaft, Wissenschaft. Was nicht heißt, dass es keine alternativen Ideen geben kann. In jedem Fall ist es Zeit für den Journalismus, sich seine Netzwerke über alternative Wege aufzubauen.
Facebook pfeift auf News
Nachdem Facebook jahrelang als eine Art fiese Endgegnerin für den Qualitätsjournalismus galt, hat es sich diesem in den letzten Jahren ernsthaft verschrieben. Mit Millionen-Förderung unterstützte der Konzern, der inzwischen „Meta“ heißt, lokaljournalistische Projekte, meist in Form von Schulungen, auch in Deutschland. Aber die Krise ist da und Meta muss sparen. Nachdem der Konzern zuletzt einige Top-Leute im Bereich Journalismus-Förderung gefeuert hat, fürchten viele, das er sich komplett zurückziehen wird.
Auf Anfrage sagt der Deutschland-Sprecher: „Nachrichten sind für die Mehrheit der Menschen nur ein Bruchteil dessen, wofür sie unsere Plattformen nutzen. Facebook- und Instagram-Nutzer*innen interessieren sich zunehmend für Inhalte, die von Creator*innen erstellt werden, insbesondere für Videos.“ Man werde Verlagen weiterhin Produktaktualisierungen zur Verfügung stellen und mit afp, Correctiv und dpa zusammen Faktenchecks betreiben. Mehr aber offenbar nicht.
Journalismusförderung im Lokalen ist eine Lücke, die dringend, am besten gestern, gefüllt gehört. Unabhängige Lokalzeitungen sind in Deutschland längst die Ausnahme.
Kein gutes Jahr für Papier
Mit dem gedruckten Journalismus steht es wie immer herzlich schlecht. Schon vor der Inflation stieg der Papierpreis. Nun kommt hinzu, dass die Kaufkraft sinkt und Zeitungsabos nicht einfach so teurer werden können. Laut Koalitionsvertrag will die Ampel Fördermöglichkeiten prüfen, um eine „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“ zu gewährleisten. Der Bundesrat hat die Regierung im September daran erinnert. Eine Zustellförderung für Zeitungen könnte zum Beispiel helfen. Aber dafür hat noch nicht einmal jemand den Hut auf bei der Ampel, fand der Fachdienst epd medien kürzlich heraus. Eine Studie zur Bedarfsermittlung läuft offenbar noch.
Powered by Berlusconi
Silvio Berlusconis Medienkonzern Media for Europe (MFE) greift nach ProSiebenSat.1. MFE gehört schon zirka ein Viertel der Münchner Sendergruppe, dieser Anteil soll auf bis zu 29,9 Prozent aufgestockt werden, das meldete MFE kürzlich bei der Bayerischen Medienanstalt an. Könnte Wichtigtuerei oder Preistreiberei sein. Oder aber ernst zu nehmen. Jemand müsste Berlusconi die fehlenden Anteile aber verkaufen. Und dann müsste das ganze kartellrechtlich geprüft werden. Leider laufen die Geschäfte beim deutschen Privatfernsehen schlecht, und wer eine Finanzspritze aus italienischen Politikerkreisen verhindern will, muss ein besseres Angebot machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker