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Maßnahmen nach dem CoronagipfelImmerhin die Richtung stimmt

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Die zusätzlichen Vorgaben für mehr Homeoffice sind längst überfällig. Ob die nun beschlossenen Maßnahmen reichen, bleibt aber offen.

Ein temporäres Verbot von Bürotätigkeit kann eine Lösung sein Foto: Robijn Page/imago

B ei ihrem jüngsten Spitzengespräch haben die Ver­tre­te­r*in­nen von Bund und Ländern einiges richtig gemacht. Angesichts der Gefahr durch die ansteckendere Mutation, über deren Ausbreitung in Deutschland bisher wenig bekannt ist, ist eine Verlängerung und Nachschärfung der Maßnahmen angemessen – auch wenn die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile erfreulicherweise sinkt.

Auch dass bei den Verschärfungen diesmal nicht das Privatleben im Mittelpunkt stand, sondern die Arbeitswelt, ist richtig. Im Privatbereich sind nämlich nicht fehlende Vorschriften das Problem, sondern ihre teilweise fehlende Einhaltung. Und das würde sich durch weitere Beschränkungen wie generelle abendliche Ausgangsbeschränkungen nicht ändern.

Längst überfällig sind dagegen zusätzliche Vorgaben für die Erwerbstätigkeit. Mit der Pflicht für Arbeitgeber*innen, ihren Angestellten wo immer möglich Homeoffice zu ermöglichen, soll es in diesem Bereich erstmals mehr geben als reine Appelle. Und die Pflicht, in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Geschäften bessere Masken vorzuschreiben, scheint ebenfalls sinnvoll.

Bei beiden Maßnahmen ist die Politik aber leider auf halbem Weg stehengeblieben. Homeoffice muss es nämlich den Plänen zufolge nur dort geben, wo es betrieblich möglich ist. Wenn das heißt, dass man die Homeoffice-Pflicht einfach umgehen kann, indem man den Angestellten zu Hause keine ordentliche IT-Anbindung bietet, würde diese Regel bei unwilligen Ar­beit­ge­be­r*in­nen nicht viel nützen. Hier wäre ein temporäres Verbot von Bürotätigkeit in Unternehmen und Behörden eine noch bessere Lösung.

Auch die verschärfte Maskenpflicht bleibt halbherzig, weil in ÖPNV und Geschäften, anders als im Vorfeld diskutiert, nicht die wirklich sicheren FFP2-Masken vorgeschrieben werden sollen, sondern auch einfache OP-Masken akzeptiert werden. Die sind zwar besser als ein löcheriger Schal, bieten aber nicht annähernd den gleichen Schutz wie eine dicht sitzende FFP2-Maske.

Ob die jetzt beschlossenen Maßnahmen reichen, um die Infektionszahlen schneller zu drücken und die Ausbreitung der Mutation zu verhindern, ist offen. Aber immerhin haben Bund und Länder gezeigt, dass sie auf die breite öffentliche Kritik an der Einseitigkeit der bisherigen Vorschriften reagieren können. Das macht auch für künftige Entscheidungen ein bisschen Hoffnung.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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12 Kommentare

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  • > Angesichts der Gefahr durch die ansteckendere Mutation, über deren Ausbreitung in Deutschland bisher wenig bekannt ist,

    Na, vielleicht weiss der Herr Spahn das nicht, aber wozu gibt es Twitter:

    twitter.com/Cornel...351299872381673472

    Da haben Liebhaber und Ameteure eine ganze Liste auf Google Docs präpariert, mittlerweile 27 Fälle, um den anscheinend völlig überforderten Behörden zu helfen.

    Zum Beispiel:

    www.wz.de/nrw/kref...nisse_aid-55585247

    www.ndr.de/nachric...namutation104.html

    www.rheinische-anz...betroffen-37945340

    Gesundheitsminister Spahn meint dazu wohl, es gebe in Deutschland keine "Übertragung und Bezug zu Auslandsreisen" (also Community Transmission).

    Unfassbar, dass der Gesundheitsminister diese Entwicklung schön redet oder gar leugnet. Falls er weitere Informationen braucht, könnte er mal in der Charité Berlin nachfragen, dort wurden viele der betreffenden Proben sequenziert und da arbeitet ein gewisser Herr D.., wie heißt er gleich noch, Drosten glaube ich, wie man so hört, ein Bekannter der Kanzlerin, also da lässt sich bestimmt was machen.

    Und die, na, "Unwissenheit" von Spahn bestätigt mich leider, dass die Neoliberalen in der deutschen Regierung vielleicht weniger weit weg sind von den grotesken Verbiegungen der Tatsachen aus dem Dunstkreis um Trump, als man sich wünschen würde. Aber vielleicht hat Spahn ja auch den heimlichen Wunsch, den Grünen eine absolute Mehrheit zu verschaffen.

  • zu Homeoffice und temporärem Verbot von Bürotätigkeit: wenn eine ordentliche IT-Anbindung mit Ausstattung nicht vorhanden ist, bringt das Arbeitgeber*innen nichts. Er*sie kann ja nicht alle Mitarbeitenden mit Notebooks+Drucker+Internetverbindung+Serverzugang (VPN) + Mobiltelefon ausstatten. Wer bezahlt das? Nicht nur die Geräte und Software, sondern die Einrichtung und Verwaltung..... Das ganze zu organisieren, Fachleute dafür zu finden, ist ein Mordsaufwand, zeitlich, finanziell und sonst....



    Wenn es eine Pflicht gäbe, könnte ich meinem AG sagen: So, bitte, sorge dafür, dass ich das alles habe, sonst kann ich nicht arbeiten.... ich würde mich freuen..... Viel Spaß :-)

  • "Aber immerhin haben Bund und Länder gezeigt, dass sie auf die breite öffentliche Kritik an der Einseitigkeit der bisherigen Vorschriften reagieren können. Das macht auch für künftige Entscheidungen ein bisschen Hoffnung."

    Der Berg kreisste und gebar ein Mäuschen.

  • "Auch die verschärfte Maskenpflicht bleibt halbherzig, weil in ÖPNV und Geschäften, anders als im Vorfeld diskutiert, nicht die wirklich sicheren FFP2-Masken vorgeschrieben werden sollen, sondern auch einfache OP-Masken akzeptiert werden."

    Sehe ich auch so. Das Problem der OP-Masken, viele liegen nicht wirklich eng an, so dass viel Atemluft ungefiltert an den Seiten vorbei kommt.

  • Auch bei der Taz geht es nur noch um "nachschärfen, verbieten, einschränken, die Menschen kontrollieren und Massregeln. Früher hat man Mal versucht die Menschen mitzunehmen und für Verständnis zu werben. Wenn es so weiter geht, dann geht die Hauptenergie Vieler nicht mehr in den Infektionsschutz, sondern in effektive Massnahmenumgehung.

    • @Aymen:

      "Früher hat man Mal versucht die Menschen mitzunehmen und für Verständnis zu werben."



      Was genau fehlt ihnen? Ich glaube eigentlich nicht, dass die Zahlen besser aussehen würden, wenn die Politik statt Einschränkungen zu beschließen lediglich mit Appellen wie "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger bitte schränken sie im Interesse ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Mitmenschen vermeidbare Kontakte ein." arbeiten würde. Corona ist seit inzwischen einem Jahr DAS dominierende Thema in allen Medien. Ein Jahr Zeit also in dem die Bevölkerung mehr als ausreichend Gelegenheit hatte sich auf Basis von Verständnis, Verantwortung und Selbstorganisation so zu verhalten, dass die Infektionen zurückgehen. Hat nicht funktioniert. Die Hautpsorge war denn eben doch die Frage wie man doch noch nach Malle kommen konnte (auch gegen den Protest der lokalen Bevölkerung) und, dass man da sogar noch Maske tragen musste. [1] Und auch jetzt wird ja allzu oft gemäß der Maxime, dass erlaubt ist was nicht verboten wurde verfahren.



      Wie also wollen sie erfolgreich um das Verständnis jener werben die nach einem Jahr Pandemie noch immer nicht verstanden haben was Phase ist?



      [1] www.tagesschau.de/...touristen-103.html

  • "besser als ein löcheriger Schal", also tendentiöser geht's kaum, solche Schalträger sieht man nur alle paar Tage, die Stoffmasken sieht man mehrheitlich und die schützen die Mitmenschen ausreichend.

    Die Maßnahmen werden nicht viel helfen, alleine schon aber im Gesamtpaket werden sie von anderen Maßnahmen überlagert. Da gibt's eine gute Corona-Podcast Folge dazu.



    Zum Schluss: Die Infektionen und daraus folgenden Todesfälle in Altenheimen werden die Maßnahmen nicht reduzieren, unser Fokus solte dort liegen, nicht bei der risikoarmen jüngeren Bevölkerung.

    • @Thomas R. Koll:

      "solche Schalträger sieht man nur alle paar Tage, die Stoffmasken sieht man mehrheitlich und die schützen die Mitmenschen ausreichend."

      Das kommt ganz drauf an, wo "man" lebt bzw. unterwegs ist.

    • @Thomas R. Koll:

      "...nicht bei der risikoarmen jüngeren Bevölkerung."

      Die Ärmsten. Sollen jetzt andere Masken tragen. Wie furchtbar...

      PS: An Corona sterben auch junge Menschen und es gibt auch junge Menschen mit ernsthaften Folgeschäden.

  • "Hier wäre ein temporäres Verbot von Bürotätigkeit in Unternehmen und Behörden eine noch bessere Lösung."

    Zumindest eine wirkliche Pflicht, zu begründen, warum Homeoffice nicht möglich ist. Mein Chef wird weiter auf Anwesenheit bestehen, weil er glaubt, zu Hause arbeitet niemand...

  • Sein wir ehrlich. Denn: ehrlich währt am längsten.



    Es ist noch lange nicht vorbei. Es wird nicht der letzte Krisengipfel sein, es dauert noch bis ausreichend geimpft sein wird und von den Virus- Mutationen können massive Gefahren ausgehen. Das Problem ist, dass im Moment Müdigkeit, Ungeduld und Verdruss auch deshalb steigen, weil wir alle glauben möchten, dass wir es bald geschafft haben. Das ist aber reichlich unklar. Falsche Hoffnungen sind gefährlich und Arbeitgeber, die glauben bei der Verweigerung von Homeoffice auf Zeit spielen zu können, sind ein ganz objektives Problem. Ebenso sollte die Politik sich endlich konsequent von der Illusion dieses Schuljahres verabschieden, also von normalen Zeugnissen und Schulabschlüssen. Vor allem sollten sich die Länderchefs um Einigkeit bemühen, die Einigkeit und damit Glaubwürdigkeit ist nämlich letztendlich wichtiger als inhaltliche Fragen.

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