Maßnahmen nach dem Coronagipfel: Immerhin die Richtung stimmt
Die zusätzlichen Vorgaben für mehr Homeoffice sind längst überfällig. Ob die nun beschlossenen Maßnahmen reichen, bleibt aber offen.
B ei ihrem jüngsten Spitzengespräch haben die Vertreter*innen von Bund und Ländern einiges richtig gemacht. Angesichts der Gefahr durch die ansteckendere Mutation, über deren Ausbreitung in Deutschland bisher wenig bekannt ist, ist eine Verlängerung und Nachschärfung der Maßnahmen angemessen – auch wenn die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile erfreulicherweise sinkt.
Auch dass bei den Verschärfungen diesmal nicht das Privatleben im Mittelpunkt stand, sondern die Arbeitswelt, ist richtig. Im Privatbereich sind nämlich nicht fehlende Vorschriften das Problem, sondern ihre teilweise fehlende Einhaltung. Und das würde sich durch weitere Beschränkungen wie generelle abendliche Ausgangsbeschränkungen nicht ändern.
Längst überfällig sind dagegen zusätzliche Vorgaben für die Erwerbstätigkeit. Mit der Pflicht für Arbeitgeber*innen, ihren Angestellten wo immer möglich Homeoffice zu ermöglichen, soll es in diesem Bereich erstmals mehr geben als reine Appelle. Und die Pflicht, in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Geschäften bessere Masken vorzuschreiben, scheint ebenfalls sinnvoll.
Bei beiden Maßnahmen ist die Politik aber leider auf halbem Weg stehengeblieben. Homeoffice muss es nämlich den Plänen zufolge nur dort geben, wo es betrieblich möglich ist. Wenn das heißt, dass man die Homeoffice-Pflicht einfach umgehen kann, indem man den Angestellten zu Hause keine ordentliche IT-Anbindung bietet, würde diese Regel bei unwilligen Arbeitgeber*innen nicht viel nützen. Hier wäre ein temporäres Verbot von Bürotätigkeit in Unternehmen und Behörden eine noch bessere Lösung.
Auch die verschärfte Maskenpflicht bleibt halbherzig, weil in ÖPNV und Geschäften, anders als im Vorfeld diskutiert, nicht die wirklich sicheren FFP2-Masken vorgeschrieben werden sollen, sondern auch einfache OP-Masken akzeptiert werden. Die sind zwar besser als ein löcheriger Schal, bieten aber nicht annähernd den gleichen Schutz wie eine dicht sitzende FFP2-Maske.
Ob die jetzt beschlossenen Maßnahmen reichen, um die Infektionszahlen schneller zu drücken und die Ausbreitung der Mutation zu verhindern, ist offen. Aber immerhin haben Bund und Länder gezeigt, dass sie auf die breite öffentliche Kritik an der Einseitigkeit der bisherigen Vorschriften reagieren können. Das macht auch für künftige Entscheidungen ein bisschen Hoffnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus