Margarine für Asklepios-Patient*innen: Keine Butter bei die Kranken
Weil er sparen muss, legt der Klinikkonzern Asklepios seinen Hamburger Patient*innen Margarine statt Butter aufs Tablett – manchen wenigstens.
W enn das mal nicht das nächste Kulturkämpfchen wird: „Asklepios nimmt Kassenpatienten die Butter vom Brot“, lasen wir am Dienstag, klar: bei Kaffee und Frühstücksbrötchen, im Hamburger Abendblatt. Demnach hat der Klinikkonzern spät im alten Jahr den gesetzlich krankenversicherten Kund*innen bei Frühstück und Abendbrot die Butter, nun ja, gestrichen. Als wäre Krankenhaus-Essen nicht ätzend genug, erhalten sie nun „pflanzliches Streichfett, also Margarine“. Privatversicherte hingegen bekommen weiterhin gereicht, was manche*r gute Butter nennt.
Asklepios begründet den Schritt mit der Erfordernis zu sparen: Die Inflationsrate von knapp acht Prozent im vergangenen Jahr treffe „auch die Hamburger Krankenhäuser mit aller Wucht“, heißt es. „Da geht es uns nicht besser als anderen Branchen oder auch Privathaushalten“, zitiert das Blatt einen Unternehmenssprecher. Die zuvor verwendete, fett- und kalorienreduzierte Joghurt-Butter durch Margarine zu ersetzen, bedeutet demnach eine Kostenersparnis rund 330.000 Euro pro Jahr. Klingt nach viel, ist es aber nicht angesichts des Kostenanstiegs bei Einkauf, Transport und Energie für die Speisenversorgung der Kliniken: Den beziffert der Konzern auf rund 2,6 Millionen Euro im Jahr.
Aber irgendwo muss man ja anfangen, und wenigstens spart Asklepios lieber beim Streichfett als bei der medizinischen Versorgung, könnte man sagen – was der zitierte Unternehmenssprecher auch prompt getan, also: gesagt hat. Nur was all die angeführten schlechter gewordenen, Handeln nötig machenden Rahmenbedingungen nicht recht erklären, ist die Ungleichbehandlung der Patient*innen, je nachdem, wer die Rechnung bezahlt – durchreichen bis ans Krankenbett kann Asklepios den gestiegenen Butterpreis ja nicht, glaubt man dem Unternehmenssprecher. Und angesichts eines bundesweit erzielten Konzernjahresergebnisses von 106,3 Millionen Euro im Jahr 2021 wirken die paar Hunderttausend Euro Margarine-Spar-Effekt so dringend dann ja auch gar nicht mehr.
Wer das Geld hat, hat das Fett? Ehe nun die naheliegende Neid-, Pardon, Gerechtigkeitsdebatte eröffnet wird: Sind wir sicher, dass es wirklich ein Privileg ist, noch Butter aufs Brot zu kriegen? Nicht vielmehr ein schleichendes Meucheln der Privatzahler*innen? Um wie viel gesünder die gehärteten Pflanzenfette sind, darüber gehen die Sichtweisen durchaus auseinander. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) aber hat Margarine „im Vergleich zu Butter einen höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und damit eine bessere Fettsäurenzusammensetzung“.
Bloß: Gerade für ältere Menschen ist richtige, also aus Kuhmilch hergestellte Butter ja mehr als einfach ein Nahrungsmittel; sie sich leisten zu können, das ist gerade für jene ein Wert an sich, die noch Krieg und Entbehrung kennengelernt haben – man sollte annehmen: keine völlig irrelevante Gruppe für so einen Klinikkonzern. Und mag auch der Asklepiossprecher recht haben, wenn er sagt, Butter sei „für den medizinischen Behandlungsprozess und den Genesungserfolg nicht von Relevanz“ – Zufriedenheit respektive deren Abwesenheit sind es ziemlich sicher doch.
Dabei wollen wir gar nicht dafür werben, dass sich nichts verändern darf, rein schon von der Klimabilanz her: Die nämlich spricht für den pflanzlichen Aufstrich. Der Geld-Effekt ist also überschaubar, aber wir nehmen Menschen etwas, das sie lieben, und das schont obendrein den Planeten? Klingt irgendwie wie nach grünem Fleischverzichts-Gedöns, oder? Dazu passt: Mancher Mitbewerber hat mit ähnlichen Argumenten wie Asklepios, den Fleischanteil an der Patient*innenkost tatsächlich reduziert.
Sind die Hamburger Asklepios-Häuser am Ende zu woken Umerziehungsanstalten geworden? Gendern sie demnächst bei der, Moment, Chef*innenärzt*innenvisite?! Wenn die falschen, also richtigen Leute das mitkriegen, ist aber was los.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich