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Mangelnde PCR-Tests in DeutschlandVon Österreich lernen

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Eine effektives Corona-Management ist möglich. Die Bundesregierung und Län­der­che­f*in­nen könnten einfach mal in Wien anrufen und fragen.

Da geht was: Corona Teststelle in Wien Foto: Daniel Biskup

W ien macht Deutschland vor, wie vorausschauende Coronapolitik beim Testen aussehen kann. Wenn ich am Abend einen PCR-Test vorweisen muss, gehe ich morgens zur fünf Minuten entfernten Teststation, zeige meine elektronische Versicherungskarte und bin nach fünf Minuten wieder draußen. Nur zu Spitzenzeiten bilden sich kleine Schlangen. Um 17 Uhr kommt normalerweise das Testergebnis via SMS aufs Smartphone.

Wien ist Testweltmeister. Zwischen 400.000 und 500.000 PCR-Tests werden derzeit täglich verarbeitet. Bis zu 800.000 wären in 24 Stunden möglich. Vier Prozent sind derzeit positiv. Beliebt ist auch die Variante, den Test mit Selfie-Video zu dokumentieren und die Probe in einer Drogerie oder einem Supermarkt in eine Box zu werfen. Um 9 Uhr holt das Labor die Proben ab, das Resultat ist meist binnen zwölf Stunden da. Anderswo dauert es oft so lange, dass die 48-stündige Gültigkeit des Tests schon abgelaufen ist.

Was ist das Geheimnis der österreichischen Bundeshauptstadt? Die sozialliberale Stadtregierung unter Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat schon sehr früh auf flächendeckende Tests gesetzt. Schon bei den Antigentests im vergangenen Jahr wurden schnell effiziente Mechanismen entwickelt, die die Testkits unter das Volk brachten. Die Kosten von rund 6 Euro für einen PCR-Test inklusive Logistik übernimmt der Bund. Die beliebten Gurgeltests wickeln die Lifebrain-Labors ab, die mit rund 1.000 Mitarbeitern – darunter viele Migrantinnen – rund um die Uhr arbeiten. Kein anderer Anbieter kann in puncto Schnelligkeit und Zuverlässigkeit mithalten.

Ludwig praktiziert eine strenge Coronapolitik und nimmt dafür auch den Vorwurf der Spaßbremse in Kauf. Die Teststrategie, die unter dem Motto „Koste es, was es wolle“ stehen könnte, gehört zum Gesamtkonzept. Sie verringert die Dunkelziffer und ermöglicht einen relativ ungestörten Kultur- und Gastronomiebetrieb.

Wenn es Deutschland so schwer fällt, beim Testen und anderen Problemen in der Pandemie vorausschauend zu handeln, sollte Berlin einfach mal in Wien vorbeischauen und sich beraten lassen.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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7 Kommentare

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  • Naja... Wien ist nicht Österreich. Das, was in einer dicht bevölkerten Metropole funktioniert, funktioniert nicht automatisch auch in ländlich strukturierten Regionen wegen der größeren Entfernungen gleich gut.



    Ob wohl daher die in Österreich weit verbreitete Ansicht rührt, dass Wien ohnehin nicht von dieser Welt ist, zumindest aber nicht österreichisch zu sein scheint?

  • anscheinend sind die Probleme in D struktureller Art. Es war gestern sehr erhellend bei Markus Lanz zu hören, wie die Testlabore organisiert sind. Es dürfen wohl längst nicht alle testen, die dazu in der Lage sind, Unis nicht, Veterinäre nicht oder jedes andere Labor. das technisch in der Lage ist diese Tests zu machen darf nicht mit den Krankenkassen abrechnen, wenn kein ausgewiesener Humanmediziner im Chefsessel sitzt und seinen Otto drunter setzt. Die technischen Kapazitäten wären angeblich viel höher.



    Das klingt wiedermal nach deutscher Regulationswut. Wenn das das Problem sein sollte, dann helfen die Politikerforderungen a la " Jetzt müssen wir...", "Der Bund soll..." auch nicht. Wenn es auf schon auf der rein formalen Ebene nicht genehmigungsfähig ist, dann wird das nichts.

  • In Wien ist die PCR-Testung hervorragend organisiert, aber mW nicht in Österreich allgemein. Es gibt einen Testanbieter in Wien, der das Ganze besser managt, als das andere Labore schaffen. In anderen Städten und auf dem Land sieht das nicht so toll aus.



    Trotzdem kann man davon lernen, obwohl ich nicht formulieren würde, 'von Österreich'.



    Btw die Frage: wenn die Omikron-Variante sich nun tatsächlich rasend exponentiell verbreitet, heißt das nicht auch, dass man sich mit unbegrenzten PCR-Tests in einen Lockdown testet? Wäre dies politisch, wirtschaftlich und gesundheitlich wünschenswert, wenn die Belastung des Gesundheitswesens und anderer kritischer Bereiche mit weniger Tests und dadurch weniger Quarantäne-Fällen unterhalb einer kritischen Grenze bleibt?



    Immer noch sind aus meiner Sicht die Impfraten und die Kontaktbeschränkungen die primär schadenbegrenzenden Faktoren und nicht die Zahl der PCR-Tests. Dies könnten die Modellierer*innen mit entsprechenden Daten und Berechnungen wahrscheinlich plausibel machen. Ohne indes die politische Entscheidung damit ersetzen zu versuchen. Möglicherweise ist eine Mischung von ‚laufenlassen‘ und Teilkontrolle sogar der Königsweg, was informationspolitisch kaum vermittelbar wäre, wo doch schon die einfacheren Logiken der Pandemiemaßnahmen an manche Verständnisgrenzen stoßen.



    Man kann die Testleistungen in Wien bewundern, ohne Frage. Aber ob man in D diese vielen Tests überhaupt will, steht auf einem anderen Blatt.

    • @Jossito:

      Sie beschreiben das detailliert, aber im Grunde ist dir deutsche Politik dort angekommen, wo Donald Trump in 2020 war: wenn wir weniger testen, gibt es offiziell weniger Fälle, Problem damit unter Kontrolle! Ich bereue allerdings immer noch nicht, damals über Trump geschimpft zu haben, das war nie verfehlt.

  • Es ist ja nicht so, das sie es nicht wüßten.



    Bei allen Corona Problemen liegen, wie auch vielen anderen Fragen, die Antworten ja auf der Hand.



    Ich glaube in D liegt es oft am Geld.



    Bei Corona ist man jetzt wohl der Meinung, genug ausgegeben zu haben.



    Jetzt muß halt mal ein wenig gestorben werden.

  • Etwas mehr Info dürfte es schon sein.



    Ist PCR Test gleich PCR Test?



    Wer hat die Laborausrüstung wann gekauft - Staat / privat, wann wurde bestellt (wann hätte man in Deutschland bestellen müssen: Spahn oder Lauterbach), die Auswertung im Labor machen wirklich Hilfsarbeiter? keine Biochemiker mit Erfahrung?



    Wäre es überhaupt möglich gewesen das mehrere Staaten gleichzeitig die Kapazitäten aufstocken - die Laborausrüstung und Verbrauchsmaterialien sind ja nicht in unendlicher Menge produzierbar.

    Kurz... im Prinzip ist man nach dem Lesen des Artikel keinen Deut schlauer als zuvor.

  • Liebe taz!



    Wie kommen Sie denn darauf, dass wir uns irgendetwas woanders abschauen könnten? Impfterminmanagement in Spanien? Ach was! 3G--Regeln am Arbeitsplatz in Italien? Och nö!



    Ich darf so wurschteln wie bisher! Das ist das Motto der deutschen Corona-Politk bisher gewesen, und zwar bis auf die Ebene der Gemeinden / Einzelschulen. Und dazu gehörte auch immer die feste Überzeugung, dass man natürlich alles richtig macht.