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Live-Übertragung von Trump-BriefingsSogar Fox hat keinen Bock mehr

Der Fernsehsender MSNBC hat erstmals die Übertragung von Trumps täglichem Corona-Briefing gekappt. US-Stationen erwägen, nun gemeinsam vorzugehen.

13. April: Präsident Donald Trump im „Gespräch“ mit den Medien Foto: Leah Millis/reuters

D ie Show war großartig. Tucholskys Ratschläge an einen schlechten Redner wurden zu 150 Prozent befolgt. Und dann auch noch der peinliche Einspielfilm. Nein, nicht „Anne Will“, die ist ausgefallen, weil ja Ostern war. Gemeint ist das soundsovielte „White House Briefing“ mit einem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Und Donald Trump war in Form.

Derart in Form, dass der US-Nachrichtensender MSNBC die Übertragung abbrach. Hat man das schon mal erlebt? Ein Newskanal kappt das Livegequassel eines US-Präsidenten, und Moderator Ari Melber sagt, völlig zu Recht, „Wir vermeiden jetzt, noch mehr von diesem White House Briefing zu senden.“ Hat man nicht erlebt. Will man auch nie wieder. Wird aber noch häufiger vorkommen.

„Ein Kleinkind hat sich am Montagabend live im Fernsehen in einen Anfall voller Selbstmitleid hineingesteigert. Leider war es 73 Jahre alt, trug eine lange rote Krawatte und regiert das mächtigste Land der Erde“, fasst der Washington-Korrespondent des Guardian, David Smith, den Auftritt zusammen.

Dass Trump Journalistinnen und Journalisten beschimpft und beleidigt und ansonsten 1-a-Stuss erzählt, ist ein alter Hut. Trotzdem markiert das tägliche Corona-Briefing aus dem „White House Press Room“ vom Montag einen Paradigmenwechsel. Denn Trump und sein Team haben dem Press Corps im Weißen Haus mit ihren Einspielfilmchen derart plumpe Falschinformationen und Propaganda serviert, dass der wegretouchierte Trotzki auf den Bildern der russischen Revolutionäre vor 100 Jahren geradezu subtil daherkommt.

So billig, so Trump

Der Grund lag auf der Hand: Die „Fake News New York Times“ (O-Ton Trump) hatte am Ostersamstag eine lange „Fake News“-Geschichte (O-Ton Trump) veröffentlicht, wie sehr Trumps Regierung in der Coronakrise wertvolle Zeit verschenkt und die Warnungen der eigenen Experten in den Wind geschlagen hat. Klar, drum muss er sich aufregen und wie bei Orwells 1984 die Geschichte ändern?

So billig, so Trump. Also gab es einen Wissenschaftler, der im Januar Corona in irgendeiner TV-Show noch nicht für so wichtig hielt. Und einen Zeitstrahl, der zeigen sollte, dass Trump das Virus von Anfang an ernst genommen und entschieden und beherzt gehandelt hat. Auf die entgeistert-höfliche Frage nach der Glaubwürdigkeit dieses vom „White House Social Media Team“ hingerotzten Quarks, rastete Trump dann völlig aus. Alles Fake, die NYT, CBS und CNN sowieso. „Everything we did was right“, so der Präsident.

Kommen wir also zum Paradigmenwechsel. Selbst Fox News übertrug nicht bis zum bitteren Ende. Zwischen den Sendern gibt es vielmehr Überlegungen, die Trump-Show gar nicht mehr live zu senden. Und das wäre dann mal wirklich fast schon ein Happy End.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"