Lithium-Abbau in Kongo: Kampf um das weiße Gold
In der Demokratischen Republik Kongo liegen große Mengen unerschlossenes Lithium. Westliche Firmen wollen sie heben. Das Risiko trägt die Bevölkerung.
E s ist neun Uhr abends in Manono. In der Dunkelheit rennen Schulkinder nach Hause, vorbei an Hütten mit Dächern aus Bananenblättern und der kleinen Kathedrale aus roten Ziegelsteinen. Die Schatten tanzen zwischen Palmen und Mangobäumen in den grellen Lichtern der Motorräder. Beim Frisiersalon in einer Seitenstraße herrscht Hochbetrieb. Die jungen Männer sprechen über das Neueste in der Stadt: die Lithium-Mine, die die alte Bergbaustadt Manono im Südosten der Demokratischen Republik Kongo zu neuer Blüte führen soll.
Unter Investoren, Geologen und Bergbauunternehmern hat Manono einen legendären Ruf: Das „weiße Gold“, wie Lithium hier wegen seiner Farbe und seines Wertes genannt wird, findet sich hier in einer der größten noch unerschlossenen Erzreserven der Welt. Für kaum ein anderes Metall steigt derzeit die globale Nachfrage so stark, Märkte wie China und Deutschland suchen nach Lithium für Akkus in Elektroautobatterien.
Im Jahr 2021 wurden weltweit 100.000 Tonnen Lithium gefördert – die Nachfrage dürfte bis 2030 zwei bis drei Millionen Tonnen pro Jahr erreichen. Lithium soll die globale Energiewende powern. Kongo kann dabei eine zentrale Rolle spielen. Wird die schöne neue Elektrowelt auch Manono erreichen, tief in der Savanne Zentralafrikas, fern von jeder modernen Infrastruktur?
Carlos, der gerade im Frisierstuhl sitzt, ist aus Kongos Hauptstadt Kinshasa 1.400 Kilometer nach Manono gezogen, um Arbeit zu finden. „Ihr wollt uns filmen?“, fragt er. „Okay. Aber der Präsident muss das Video zu sehen bekommen. In dieser Stadt gibt es nichts zu essen, nicht mal Gemüse für unsere Familien.“
Nur die Schürfer sind geblieben
Manono ist eine alte Bergbaustadt aus der belgischen Kolonialzeit, mit Zinnbergbau ab 1919. Nach der Unabhängigkeit 1960 wurde kaum noch investiert. Der industrielle Abbau des Zinnerzes Kassiterit kam 1982 zum Erliegen, in den Kongokriegen von 1996 bis 2003 wurde Manono größtenteils zerstört. Ein Mechaniker beschreibt, wie die Stadt damals bombardiert, ausgeplündert und angezündet wurde und die Bewohner flohen. Nur Schürfer blieben, die in den verlassenen Minen um die Stadt nach Zinn und Tantal gruben.
Das alte Zentralkrankenhaus von Manono war vor seiner Schließung in diesem Jahr in einem dramatisch schlechten Zustand. Sieben Labortechniker teilten sich ein Mikroskop. Patienten lagen auf dem Betonboden des Innenhofs, neben ihnen ihre Familien, die ihnen in der schweren Tropenluft Frischluft zufächelten. Malaria ist die Todesursache Nummer eins, erzählte der Chefarzt. Die Stationen waren voller unterernährter Kinder.
Die gesamte Stadt Manono mit einigen zehntausend Einwohnern hat weniger als drei Kilometer Straße. Nur Schlammwege verbinden die Stadt mit dem Rest der Welt, sie sind nur für Motorräder passierbar. Lastwagen mit Waren wie Medikamente brauchen für die rund 430 Kilometer aus der fernen Provinzhauptstadt Kalemie am Tanganyika-See mit ihrem Hafen bis nach Manono über zwei Wochen. Bis die Waren ankommen, kosten sie das Doppelte.
Sechs Uhr abends, die Motorradtaxifahrer an der Kreuzung nahe dem Krankenhaus räkeln sich auf ihren Satteln. Sie warten auf Kundschaft: die Bauarbeiter der Bergbaufirma AVZ Minerals Limited. Das australische Unternehmen will das Lithium von Manono fördern. Lokale Arbeiter bauen das „Camp Colline“, wo die AVZ-Zentrale entsteht. Jeden Abend werden sie in ihren blauen Uniformen, weißen Gummistiefeln und Schutzhelmen an der Kreuzung abgesetzt, um ein Motorrad nach Hause zu nehmen.
„Manono ist ein geologischer Skandal“, sagt Abbé Moise Kiluba, ein katholischer Priester in Manono und Koordinator der zivilgesellschaftlichen Gruppe „Forces Vives“. Er kommt aus der Stadt und kämpft für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Menschen. „So viele Mineralien sind seit der Kolonialzeit noch nicht abgebaut worden“, erklärt er. „Nicht nur Kassiterit. Es gibt Lithium, Galena, Kupfer, Coltan, grünen Turmalin, roten Granat, Smaragde, Mangan.“ Aber „die Bevölkerung ist ausgegrenzt, es herrscht eine Politik der Gier“.
Das „Manono Project“ zielt auf eines der größten Hartgestein-Lithiumvorkommen der Welt. Das geplante Fördergebiet „Manono Project“ umfasst 188 Quadratkilometer im Lizenzgebiet PR13359, an dem AVZ 2017 eine 60-Prozent-Beteiligung erwarb. Die Stadt Manono liegt mitten in diesem Gebiet. Rund um PR13359 gibt es weitere 242,25 Quadratkilometer Explorationsgebiet in den zwei Lizenzgebieten PR4029 und PR4030, das sogenannte Manono Extension Project, das AVZ kurz vorher zu 100 Prozent erwarb.
AVZ schätzt die Ressource von PR13359 auf 400 Millionen Tonnen Erde mit einem Lithiumoxidgehalt von 1,65 Prozent und will davon innerhalb von 29,5 Jahren ein Drittel abbauen. Dafür müsste Kongos Staat die Explorationslizenzen (PR – Permis de Recherche), die lediglich die Suche nach Rohstoffen erlauben, in Bergbaulizenzen (PE – Permis d’Exploitation) umwandeln, die den Abbau und Verkauf der Rohstoffe erlauben. Hier wird es kompliziert.
Seit 2010 haben die lithiumreichen Bergbaugebiete um Manono immer wieder den Lizenzbesitzer gewechselt. Wie ein chaotisches Speed-Dating, abwechselnd mit bitteren Trennungsstreitigkeiten, haben auswärtige Akteure mit Geld und Connections um diese Minen spekuliert, Deals gemacht, sich zerstritten, ihre Geschäftspartner gewechselt, ihre ehemaligen Partner verklagt und dabei viel Geld hin- und hergeschoben.
Derweil kann die Stadt Manono nicht mal ihre staatlichen Schulen offenhalten und die Bevölkerung erfährt kaum, was geschieht. Manche Geschäftsleute scheinen sich die Lizenzen sogar selbst verkauft zu haben, indem sie nach dem Deal vom Verkäufer zum Käufer wechselten.
Der Unternehmer: ein Deutscher
Im Jahr 2012 kaufte die Bergbaufirma Alphamin Resources PR4029 und PR4030 für zwei Millionen US-Dollar sowie Aktien von einem Unternehmen namens Gorrion Properties Limited. Alphamin, bekannt aus dem Zinnabbau im Ostkongo, bekam 2013 einen deutschen Präsidenten und Geschäftsführer, Klaus Eckhof. Kurz nachdem er 2014 das Unternehmen wieder verließ, schrieb Alphamin die beiden Lizenzen als „wertlos“ ab.
Sie tauchten im Jahr 2016 wieder auf, als das in Dubai registrierte Unternehmen Medidoc FZE, das nach eigenen Angaben in Alphamin investiert hatte, sie an AVZ verkaufte. Nach Angaben des Firmenregisters der Wirtschaftszone Ras Al Khaimah in Dubai ist das Geschäftsfeld von Medidoc „Handel mit medizinischen und chirurgischen Artikeln“.
Es ist auf Anhieb schwer zu verstehen, wie eine solche Firma die Rechte an zwei der wichtigsten Lithium-Lagerstätten der Welt erwerben und weiterverkaufen konnte. Doch Medidocs Manager war damals der Pole Andreas Friedrich Reitmeier, ein langjähriger Geschäftspartner von Klaus Eckhof. Als 2016 AVZ die beiden Lizenzen von Medidoc kaufte, war Klaus Eckhof der Chief Executive von AVZ. Im Juni 2018 verließ Klaus Eckhof AVZ.
Im Juni 2019 ging er zur in Frankfurt registrierten Bergbaugesellschaft AJN Resources, sein ehemaliger Alphamin-Kollege Mark Gasson wurde dort Chief Financial Officer. AJN Resources, vertreten durch Eckhof, unterzeichnete einen Vertrag mit dem kongolesischen Staat, vertreten durch die Ministerien für Bergbau und Staatsbesitz, unter anderem über nicht näher benannte Bergbaukonzessionen in Manono.
Von Januar 2022 bis Juni 2023 war Klaus Eckhof bei der rivalisierenden Firma Tantalex Lithium Resources aus Kanada. Diese hält die Rechte an elf Abraumhalden – Erdmassen, die bei Bergbauaktivitäten nach der Extraktion von Rohstoffen übrigbleiben – die sich teilweise auf dem Lizenzgebiet PR13359 befinden, direkt über den von AVZ nachgewiesenen Lithium-Vorkommen.
Die Abraumhalden aus dem früheren Zinnabbau von Manono enthalten ebenfalls viel Lithium, das früher niemanden interessierte. Tantalex schätzt die Menge lithiumhaltiger Erde in seinen Halden auf 105 Millionen Tonnen. Die kanadische Firma hält seit November 2021 über ein Joint Venture mit einer kongolesischen Staatsfirma zwei weitere Explorationskonzessionen direkt neben der von AVZ. Im vergangenen Jahr kündigte Tantalex erste Bohrungen an: „Das wird groß!“, schrieb die Firma in ihrem Newsletter.
Auf Anfrage nennt Eckhof die vielen Transfers von Bergbaurechten samt der dazugehörigen Pflichten einen „normalen Vorgang im Explorationsgeschäft“. Eckhof erklärt die Problematik von Bergbauinvestitionen in einem Land wie Kongo, wo keine Infrastruktur bereitsteht und nur wenige Akteure sich engagieren: „Aufgrund schwankender Rohstoffpreise werden Projekte im Laufe der Zeit wertlos und Risikokapital ist nicht verfügbar. Deswegen veräußern und erwerben Unternehmen Projekte ständig.“
Auch Andreas Friedrich Reitmeier, der frühere Geschäftspartner von Eckhof, erläutert auf Anfrage, das Problem sei, dass in der DR Kongo, einem „Hochrisikoland“, nur wenige Geldgeber zu den notwendigen Großinvestitionen bereitstünden. „Für jedes Projekt sind Milliarden an Infrastruktur zu stemmen.“
Aber normalerweise müsste jeweils klar sein, wer der momentane Besitzer ist. In der DR Kongo ist derzeit aber völlig unklar, wer genau welche Rechte an welchen Lithiumvorkommen von Manono hält. Der staatliche kongolesische Partner Cominière beansprucht mittlerweile die wichtigste Lizenz PR13359 zu 100 Prozent, und so ist es aktuell auch im staatlichen Bergbaukataster eingetragen. Aber AVZ beansprucht weiterhin einen 75-Prozent-Anteil an dem Joint-Venture Dathcom, das es einst mit Cominière und einem chinesisch geführten Unternehmen gegründet hatte.
Der Abbau ist vorerst blockiert
Ob dieses Joint-Venture überhaupt noch in der ursprünglichen Form existiert, ist unklar. Cominière bezeichnet AVZ als „ehemaligen“ Partner. Auch AJN meldet nach wie vor Interesse an Manono an, Tantalex sowieso. Es gibt Berichte über Ministerialdekrete, die später wieder annulliert worden seien, ein internationales Schiedsverfahren läuft, der Ausgang ist offen. Damit ist der Lithiumabbau vorerst blockiert, ebenso viele Vorarbeiten und Prüfungen. Und von dem Geld, das die Unternehmen dafür bereits ausgeben mussten, landet so gut wie nichts bei den Menschen vor Ort.
In der riesigen Zinnerzgrube Roche Dure haben bereits Testbohrungen stattgefunden. Pumpen und Generatoren von AVZ pumpen Wasser ab. Die zukünftige AVZ-Zentrale „Camp Colline“ hat einen modernen Sitzungsraum, eine Kantine mit Trinkwasser, es entstehen Häuser für die zukünftige Belegschaft. Die Erwartungen der Kongolesen sind groß. Ob Arbeiter, Staatsbeamten, Lehrer oder Aktivisten: die Rede ist von Tausenden neuen Arbeitsplätzen, einem neuen Krankenhaus, neuen Straßen, sogar bis in die ferne Millionenstadt Lubumbashi.
Die staatliche kongolesische Cominière insistiert, eine Batteriefabrik in der DR Kongo sei sinnvoll. Schon werden in Manono entsprechende T-Shirts getragen. Die Älteren denken nostalgisch an die „guten Zeiten“ zurück, die belgische Kolonialzeit, als es Arbeit und medizinische Versorgung gegeben habe.
Was die Menschen vor Ort erwarten, hat wenig damit zu tun, was die Bergbaufirmen tatsächlich planen. Batterien werden nicht dort hergestellt, wo die Erze gefördert werden, sondern dort, wo die Autos zusammengebaut werden, also in China, Japan oder Südkorea. Die Anzahl der Arbeitsplätze vor Ort in den Minen dürfte dreistellig sein.
AVZ-Direktor Nigel Ferguson, der australische Nachfolger von Klaus Eckhof, spricht von 300 Bauarbeiterjobs, 150 Dauerarbeitsplätzen in der Mine und 200 bis 300 befristeten Arbeitsplätzen für Dinge wie Straßenunterhalt.
Esther, Bewohnerin von Manono
Doch bis es so weit ist, warten große Herausforderungen. Kongos Lithiumvorkommen befinden sich in Hartgestein, sogenanntem Pegmatit. Das Gestein wird zerkleinert, die Bestandteile mit einem möglichst hohen Gehalt des Lithiumminerals Spodumen werden bei über 1.000 Grad geröstet – ein sehr energieintensiver Prozess – und danach mit Schwefelsäure transformiert. Am Ende gewinnt man Lithiumsulfat mit einem Lithiumgehalt von 80 Prozent – das kann exportiert werden, für die Weiterverarbeitung. Es bleiben auch zahlreiche andere Rohstoffe und Rückstände.
AVZ würde jährlich für seine geplante Lithiumsulfatraffinerie in Manono 41.175 Tonnen Schwefelsäure brauchen. Schwefelsäurentransporte für den Bergbau haben in der DR Kongo schon mehrfach verheerende Unfälle angerichtet; so starben im Jahr 2019 18 Menschen, als ein Schwefelsäuren-Lkw für die Kobaltmine Mutanda auf der Straße umkippte. Der Transport von Schwefelsäure über lange Strecken sei „teuer und gefährlich“, gibt AVZ in seiner Machbarkeitsstudie für Manono zu.
„Wir kennen die Folgen dieser Ausbeutung nicht“, sagt Esther, Mutter von sechs Kindern und lokale Radiomoderatorin. „Vielleicht verseucht sie das Wasser. Sie könnte Menschen töten. Sie wird unsere Umwelt zerstören. Wir werden darunter leiden.“
Der Abbau des Zinnerzes Kassiterit und des Tantalerzes Coltan in Manono findet auf kleinerem Niveau statt: nicht industriell mit großen Fördermaschinen, sondern händisch mit Spitzhacken und Schaufeln. Aber auch er hat die Seen und Flüsse der Gegend verseucht. Ärzte sprechen von vielen Krankheiten durch verschmutztes Wasser.
Die Wasserversorgung ist bedroht
Auf Nachfrage weiß in Manono niemand, was Lithium für die Wasserversorgung in Manono bedeuten könnte. Lazare Mwilambwe, ein Menschenrechtsaktivist in der Stadt Kalemie, macht sich Sorgen: „Kongos Arbeitsgesetz verpflichtet Bergbauförderer, nicht nur das Wohlergehen ihrer Belegschaft zu wahren, sondern auch die Bedürfnisse der Gemeinschaft in einem Konsultationsdokument festzuhalten“, erklärt er. So müssten Bohrlöcher abgedichtet sein, damit sie nicht das Grundwasser vergiften.
Aber Satellitenbilder erster AVZ-Bohrungen aus dem Jahr 2021 zeigen scheinbar offene Bohrlöcher. „Das ist ein Sicherheitsrisiko“, sagt Steven Emerman, Spezialist für Umweltverträglichkeit von Bergbau bei Malach Consulting. Kontaminiertes Oberflächenwasser könne über Bohrlöcher das Grundwasser erreichen. „Bohrlöcher nicht wieder abzudichten zeugt von einem sehr hohen Ausmaß von Verantwortungslosigkeit. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass auf so verantwortungslose Exploration eine verantwortungsbewusste Förderung folgen kann.“
Manche Wohnhäuser befinden sich bloß 800 Meter vom bestehenden ehemaligen Tagebau Roche Dure entfernt, das ehemalige Krankenhaus und die Kathedrale der Stadt nur drei Kilometer. Es ist auch nicht klar, wie AVZ mit den Abfallprodukten des Bergbaus und des Schwefelsäureverbrauchs umzugehen gedenkt. Eine geplante Müllhalde von 1,8 Kilometer Länge überlappt sich mit Wohngebieten und scheint das Gebiet zu bedecken, wo sich nach Angaben von Bewohnern die einzige Trinkwasserquelle von Manono befindet.
Der geplante Abraumhalden-Damm liegt nur vier Kilometer von der Stadt, es gibt in der Machbarkeitsstudie keinen Plan für seine Überwachung und Unterhaltung und keine Simulation der Auswirkungen eines Dammbruchs. Solche Ereignisse können dramatische Folgen haben, wie beim Bruch des Damms der Eisenerzmine Brumadinho in Brasilien 2019, der über 270 Tote forderte.
AVZ sagt, seine Rückstände würden säurefrei sein, und die Schwefelsäure, die das Lithium aus den Felsen löst, werde beim Abfluss durch die Kalkfelsen neutralisiert. Doch Testergebnisse werden nicht vorgelegt, und ob die Felsen dann säurehaltig sind, wird nicht analysiert. Experte Emerman fällt über die Machbarkeitsstudie ein vernichtendes Urteil: „Sie liest sich wie etwas, was jemand in großer Eile geschrieben hat, ohne Sachkenntnis, wie der faulste Student, der am letzten Abend vor der Abgabe damit anfängt. Ist das wirklich alles, was Kongos Gesetze einfordern, oder Australiens Börsenrichtlinien?“
Eine öffentliche Fassung der Machbarkeitsstudie liegt nicht vor, sie soll aber laut AVZ von Kongos Bergbauministerium gebilligt worden sein. Ohne die Studien kann die lokale Gemeinschaft die Risiken und möglichen Auswirkungen des Bergbauprojekts nicht kennen, auch nicht die Aktivitäten der Firma bewerten.
Bei Tantalex, dem Konkurrenten, sieht es nicht besser aus. Die gesetzlich vorgeschriebenen Machbarkeits-, Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudien für seine Explorationsgebiete liegen noch nicht vor. Niemand in Manono hat die gesetzlich ebenfalls erforderliche Vereinbarung mit der lokalen Gemeinschaft gesehen, das sogenannte Cahier de charges.
Das versprochene Krankenhaus ist ein kleines Zimmer
Das Unternehmen hat eine Stiftung in Manono versprochen und sagt, es finanziere in der Stadt ein Krankenhaus. Der Chefarzt dieses Krankenhauses erklärt sich zur Führung bereit. Sie geht durch den Hauptflur, wo über Betten mit Patienten drin die Decke gerade herunterfällt, in einen von Tantalex gespendeten Bereich: ein kleines, feuchtes Zimmer ohne Tür mit zwei Betten ohne Moskitonetze, einem Plastiktisch und einem leeren Regal.
Seit diesem Besuch wurden die Patienten in ein neues staatliches Krankenhaus in der Nähe der AVZ-Zentrale verlegt, wo Tantalex nach Angaben von Ärzten einige Medikamente bezahlt. Man habe ein Chirurgenteam nach Manono geschickt, erklärt Eric Allard von Tantalex auf Anfrage: „Wir sorgen uns um die Wohlfahrt der Gemeinschaften in Manono und die positive Auswirkung, die unsere Projekte in dem Gebiet auf die Bevölkerung haben können.“
AVZ und Dathcom sagen, dass sie viel Gemeinschaftsarbeit mit der lokalen Bevölkerung machen. Es gibt Videos von Versammlungen. Aber die Presseerklärungen, Studien und Firmenberichte gibt es nur auf Englisch – nicht einmal auf Französisch, geschweige denn in den lokalen Sprachen Swahili oder Kiluba.
Während die Bergbaurechte zwischen Firmen hin- und hergeschoben werden und die kongolesischen Behörden der Bevölkerung Informationen vorenthalten, bleibt die Bevölkerung von Manono auf sich gestellt. Die lokalen Schürfer, die mit der Hacke Kassiterit und Coltan aus dem Boden holen, fürchten um ihre Zukunft, wenn die industrielle Förderung beginnt – ihre handgegrabenen Minen befinden sich zum Großteil auf den Konzessionsgebieten der Lithiumförderer.
„Das Lithium liegt in unserer Erde“, sagt Radiojournalistin Esther. „Die jungen Menschen in Manono haben jedes Recht, sich zu beschweren. Mehrere Firmen bereichern sich an unserer Erde, aber wir stecken im Elend. Die Ausländer graben nicht selber, aber sie profitieren am meisten. Sie kommen und lassen uns wie Sklaven schuften.“
Übersetzung und Mitarbeit: Dominic Johnson
Der Text entstand im Rechercheprojekt „The Lithium Diaries“ des Recherchekollektivs The Rock Pool, das Investigativjournalisten, Experten, Künstler und zivilgesellschaftliche Akteure aus Europa und Afrika zusammenführt. Sophia Pickles ist Koordinatorin der überparteilichen Arbeitsgruppe zum Afrika der Großen Seen im britischen Parlament und war Mitglied der UN-Expertengruppe zur Überwachung der Sanktionen gegen bewaffnete Gruppen in der DR Kongo. Die Recherche wurde gefördert von Journalism Fund Europe, Netzwerk Recherche und der gemeinnützigen Umwelt-Förderorganisation Olin gGmbH.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen