Linken-Politikerin Demirel: Mit Klasse, gegen Krieg
Die Linken-Politikerin Özlem Demirel aus Düsseldorf möchte wieder ins EU-Parlament. Sie will mit dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ punkten.
Rechte Blogs hetzten nach dem 7. Oktober gegen Özlem Demirel, weil sie die harte israelische Reaktion auf den Angriff der Hamas früh kritisierte. „Ich war die erste deutsche Abgeordnete, die gegen den Krieg in Gaza klar Stellung bezog und dazu auf einer Demonstration gesprochen hat“, sagt sie rückblickend. „Das hat einige gestört. Bei anderen hat mir das Respekt eingebracht – auch bei Genossen, die meine Meinung nicht teilen.“
Die 40-jährige Linken-Politikerin aus Düsseldorf ist von Kindesbeinen an politisch aktiv. Mit ihrer kurdischen Familie kam sie 1989 aus der Türkei nach Deutschland. Ihr Vater, ein Lehrer, erhielt politisches Asyl, ihre Mutter ist gelernte Schneiderin. Schon in der Schule engagierte sich Demirel als Schülervertreterin und demonstrierte gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak. „Ich bin keine Pazifistin, ich bin Antimilitaristin“, betont sie. „Ich betrachte Kriege aus einer Klassenperspektive: wessen Interessen werden damit verfolgt? Wer zahlt die Zeche?“
Nach ihrem Abitur stieg Demirel erst in die PDS ein und später in der Linkspartei auf, seit 2019 sitzt sie für diese im Europaparlament. Die Nähe zu Bewegungen hat sie sich bewahrt. Häufig tritt sie als Rednerin bei Demonstrationen auf, zuletzt oft vor einer Palästina-Flagge.
„Man konnte von Anfang an sehen, auf was dieser Krieg hinausläuft“, sagt Demirel über Gaza. „Aber ich habe das Gefühl, dass manche nicht so genau hinschauen wollen, was da passiert.“ Doch die Stimmung hat sich gedreht: Über 60 Prozent der Deutschen haben laut Umfragen kein Verständnis für die israelische Kriegsführung mehr. Inzwischen räumt selbst der Vizekanzler ein, dass Israels Vorgehen nicht mit dem Völkerrecht vereinbar ist. „Herr Habeck ist ein Politiker, der ein gutes Gefühl für Stimmungen im der Bevölkerung hat“, kommentiert Demirel trocken.
Demirels Verbleib im EU-Parlament ist unsicher
Das Bündnis Sahra Wagenknecht bedient ebenfalls eine Anti-Kriegs-Stimmung. Auch wenn sich manche Forderungen ähneln, grenzt sich Demirel scharf vom BSW ab. Wer gegen Aufrüstung sei, müsse sich auch gegen die Aufrüstung an den Außengrenzen aussprechen, findet sie. „Die Rüstungsindustrie verdient sich an dem Grenzregime in Europa eine goldene Nase.“ Und was den Krieg in der Ukraine angeht, müsse man „auch über den russischen Imperialismus reden“, sagt sie. „Ich trete für das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein“. Weder der Westen noch Russland hätten ein Recht auf Einflusssphären.
Bei dieser Wahl steht Demirel auf Platz drei, hinter Carola Rackete und Parteichef Martin Schirdewan, ihr Verbleib im EU-Parlament ist unsicher. „Viele sind mit den herrschenden Verhältnissen und Parteien unzufrieden“, hat sie festgestellt. „Wie sich das auf die Wahlbeteiligung auswirken wird, vermag ich nicht zu beurteilen.“ Davon hängt es ab.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden