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Linken-Politiker über Altersvorsorge„Das ist eine Pokerrente“

Die geplante Betriebsrentenreform ist gefährlich, sagt Linken-Rentenexperte Birkwald. Normal- und Geringverdiener zahlen womöglich drauf.

Ruhig aufs Alter blicken können nur Gutverdiener Foto: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Herr Birkwald, die Bundesregierung will die Betriebsrente reformieren. Gute Idee?

Matthias W. Birkwald: Menschen müssen im Alter finanziell abgesichert sein. Ob das die reformierte Betriebsrente schafft, ist fraglich.

Warum?

Wenn das sogenannte Betriebsrentenstärkungsgesetz so umgesetzt wird, wie es jetzt geplant ist, werden die Normal- und GeringverdienerInnen im Alter vielleicht nicht einmal mehr die Beiträge herausbekommen, die sie eingezahlt haben.

Wie kann das sein?

Der Teil des Geldes, das ArbeitnehmerInnen in die betriebliche Altersvorsorge stecken, soll künftig hochriskant an den Aktienmärkten angelegt werden. Angesichts der unsicheren Finanzmärkte weiß jetzt noch niemand, wie sich dort das Geld entwickelt. Deswegen soll es künftig keine garantierte Rente mehr geben, sondern nur noch eine sogenannte Zielrente. Das wiederum heißt, dass niemand mehr weiß, mit welcher Betriebsrente er zum Rentenbeginn rechnen kann. Auch danach ist nicht mehr – wie bisher – ausgeschlossen, dass laufende Renten abgesenkt werden. Das ist also keine Zielrente, das ist eine Pokerrente.

Die Koalition wirbt damit, dass insbesondere GeringverdienerInnen davon profitieren.

Das Gegenteil ist der Fall. Es funktioniert nur für die ArbeitgeberInnen. Für sie gilt: Pay and forget – zahl und vergiss die bisherige Arbeitgeberhaftung.

Im Interview: Matthias Birkwald

55, ist Sozialwissenschaftler und Parlamentarischer Geschäftsführer sowie rentenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Mal konkret: Jemand verdient ein Durchschnittsbruttogehalt von 3.000 Euro. Wie viel davon zahlt er in die betriebliche Altersvorsorge und was kommt am Ende heraus?

Wie viel jemand einzahlt, bestimmt er selbst, empfohlen werden rund 4 Prozent. Diese Summe geht direkt von seinem Bruttogehalt ab, als sogenannte Gehaltsumwandlung. Dadurch senkt der Arbeitnehmer aber automatisch seine gesetzliche Rente, weil sein Gesamtverdienst für die Rentenversicherung geringer ist. Unabhängig davon ist das auch schlecht für alle Beschäftigten, weil das Rentenniveau in der Rentenversicherung durch die geringere Lohnsumme verringert wird.

Wie löst man das Problem?

Die „Zielrente“ darf es nicht geben. Stattdessen sollte das Rentenniveau auf 53 Prozent angehoben werden. Darüber hinaus sollte es wieder die „Höherversicherung“ geben, mit der freiwillige zusätzliche Beiträge auf das persönliche Rentenkonto eingezahlt werden können.

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4 Kommentare

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  • "Die „Zielrente“ darf es nicht geben. Stattdessen sollte das Rentenniveau auf 53 Prozent angehoben werde"

     

    53 Prozent ist zu niedrig - gerade bei niedrigen Einkommen sollte es höher sein. Und dafür ist Solidarität notwendig. Die fordert nur die Linke ein, alle anderen Parteien sind eigentlich mit Altersarmut mehr oder weniger zufrieden. Der besste Beweis ist die große Koalition: Sie hätte schnell das verbessern können, aber sie wollte nicht. Gerade die Entpflichtung der Arbeitgeber ist ein absoluter Knaller, an dem hängen aber Union und SPD - das könnte sie auch in Zukunft schnell zueinander führen. Dafür lassen sie Millionen Arbeitnehmer bluten - ausgerechnet im Altern, wenn viele krank sind, die Arbeitsfähigkeit nicht mehr da ist und eigene Kinder in die Pflicht geraten, sich um die Eltenr auch finanziell zu kümmern ... Das ist doch das echte Rentenmodell der Zukunft: Gesundheitlich werden alte Menschen am Leben erhalten, finanziell bluten sie, müssen in Armut und unter staatlicher Repression und Aufsicht leben, so wie Menschen auf Bewährung.

  • Gutes Interview, sehe ich fast genau so.

    Abgesehen vom höheren Freibetrag geht der Gesetzentwurf komplett in die falsche Richtung.

  • Sieht aus, als wären sie mal wieder Klinken putzen gewesen, die Lobbyisten dieses Landes. Und das vor der Wahl!

     

    Statt Hochrisikogeschäfte stärker zu reglementieren oder gleich ganz zu verbieten, damit die Steuerzahler nicht wieder solche Banken retten müssen, die sich (mit fremdem Geld) verspekuliert haben, passiert das genaue Gegenteil: Die Regierung will neuerdings dafür sorgen, dass sie noch attraktiver werden, als sie schon sind – für solche Gutverdiener, die zehn Jahre lang (schmerzfrei) „richtig was riskieren“ wollen und sich anschließend ganz kommod zur Ruhe setzen.

     

    Zu diesem Zweck soll nun also auch noch der „kleine Mann“ hineingezogen werden in das Kasino-System. Als „Kleinvieh“ soll er – staatlich dazu aufgefordert – möglichst viel „Mist“ machen, damit die Spekulanten besser spekulieren können. Ob er nach 40 oder 45 Jahren Arbeit und Verzicht tatsächlich „etwas raus bekommt“, oder ob einmal mehr nur die gewinnen, die nicht umsonst als Heuschrecken bezeichnet werden, weiß er nicht bei Vertragsabschluss. Er soll sich nur als Sieger FÜHLEN, weil er die „Großen“ unterstützt bei dem, was sie angeblich bestens können.

     

    Die „Heuschrecken“ können, wenn sie sich beim ersten Mal geirrt haben, noch drei- oder viermal 10 Jahre lang spekulieren mit fremdem Geld. Der Beitragszahler hat nicht so viel Zeit. Er wird nicht 180 Jahre oder älter. Nein, das ist keine „Pokerrente“. Das ist einfach Beschiss – und ein besonders guter Grund, am Wahltag ausnahmsweise mal die ganz, ganz kleinen Parteien zu unterstützen. Und sei es nur aus Solidarität. Ist ja nicht so, dass es tatsächlich keine Alternativen gibt, Frau Merkel.

  • Dem ist nichts hinzuzufügen. Im Alter braucht man als Paar 65 Rentenpunkte um in würde dahinzudämmern. Bei einem Durchschnittseinkommen von 33 Tsd p.a. muß man also 60 Jahre arbeiten. Utopisch. Das System macht 3 Dinge zwingend erforderlich damit später nicht pleite ist : 1. Die Frau arbeitet mit und sammelt ebenfalls Punkte. 2) Man erbt. 3) Man verdient mehr Geld - Individualisierungstendenzen wie sie der Kapitalismus als Blüten immer wieder am Rande hervorbringt sind damit Geschichte bzw. nur noch den Wohlhabenden vorbehalten, denn der Rest schuftet bis zum Umfallen. Man kann es natürlich lassen und sich frühzeitig verabschieden. alles in allem. FCK SPD.