Linken-Chefin Sahra Wagenknecht: Das Ende einer steilen Karriere

Sahra Wagenknecht wird nicht mehr als Fraktionschefin antreten. Offizieller Grund: Stress und Krankheit. Doch es gibt wohl auch politische Gründe.

Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht

Will nicht länger Fraktionsvorsitzende sein: Sahra Wagenknecht Foto: dpa

Berlin taz | Es gab in der politischen Karriere von Sahra Wagenknecht seit Langem immer nur eine Richtung: bergauf. An ihr, der Erfolgreichen, die Parteitage zum Jubeln brachte, Säle in der Provinz füllte, in Talkshows glänzte, führte kein Weg vorbei. Jetzt endet ihre politische Karriere, vielleicht. Am Sonntag verkündete sie, dass sie bei der von ihr mitbegründeten „Aufstehen“-Bewegung aussteigen wird – zumindest aus deren Führung.

Noch weit einschneidender ist, was Wagenknecht am Montagmittag ihren verblüfften GenossInnen erklärte: Sie wird nicht mehr als Fraktionschefin an der Seite von Dietmar Bartsch kandidieren. „Wie ihr wisst, musste ich knapp zwei Monate lang meine politische Arbeit krankheitsbedingt ruhen lassen. Inzwischen geht es mir wieder gut. Allerdings hat mir die lange Krankheit, deren Auslöser in erster Linie Stress und Überlastung waren, Grenzen aufgezeigt, die ich in Zukunft nicht mehr überschreiten möchte.“

Eingeweiht war in diesen Plan kaum jemand – sie hatte offenbar nur Dietmar Bartsch vorab informiert. Auch Parteichefin Katja Kipping, in der Migrationsfrage Wagenknechts Gegenspielerin, wusste Montagmittag noch nichts von dem Rückzug ihrer Konkurrentin. Der Coup hat alle überrascht. „Es gab im Fraktionsvorstand sehr emotionale Reaktionen auf ihre Ankündigung“, sagte Jan Korte, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, am Montagnachmittag.

Matthias Höhn, ein Vertrauter von Bartsch, hatte am Montagmittag noch gehofft, dass Wagenknechts Rückzug bei „Aufstehen“ auch den schwelenden Zoff in der Partei beruhigen würde. „Der Streit um Aufstehen war für Partei und Fraktion kraftraubend. Dass dieser zentrale Konflikt nun wegfällt, trägt zur Befriedung bei“, sagte er der taz. Andere glaubten, dass das Aus bei „Aufstehen“ ein Schachzug von Wagenknecht war, um ihren Job als Fraktionschefin zu sichern. Alles Irrtümer.

Nun gibt es ein Machtvakuum

Wagenknecht wird, ihrer Erklärung zufolge, bis zur Neuwahl Fraktionschefin bleiben. „Um einen ordentlichen Übergang zu gewährleisten, werde ich meine Aufgaben als Fraktionsvorsitzende bis zur Neuwahl wahrnehmen“, so ihre Erklärung. Doch ihr politischer Einfluss in der Fraktion dürfte schwinden. Sie ist fortan eine „lame duck“, nicht mehr gebunden an die Fraktionsdisziplin, von der sie nie viel hielt, aber auch ohne Einfluss auf die künftige Linie der Fraktion.

Allerdings ist jetzt viel möglich. Die Wahl einer neuen Fraktionsspitze würde eigentlich im Herbst oder Winter stattfinden, sie kann aber auch vorgezogen werden. Mit Wagenknechts angekündigtem Verzicht auf eine erneute Kandidatur kann in den nächsten Tagen die gesamte Statik der inneren Machtarchitektur der Linkspartei ins Rutschen geraten. Ob das sogenannte Hufeisen – das Bündnis der Reformer um Dietmar Bartsch und der Parteilinken um Wagenknecht – ohne Wagenknecht funktionsfähig bleibt, ist zumindest fraglich.

Angesichts der Europawahl und der drei Wahlen im Osten kämen interne Machtkämpfe zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt

Es gibt in der Fraktion nun ein Machtvakuum. Parteichef Bernd Riexinger hofft, dass „Sahra Wagenknecht der Linken als wichtiges Gesicht weiter zu Verfügung steht“. Doch auch der im Januar notdürftig hergestellte Burgfrieden zwischen Bartsch, Wagenknecht und der Parteispitze um Katja Kipping und Bernd Riexinger wird diesen abrupten Rückzug kaum überdauern können. Angesichts der Europawahl und der drei Wahlen im Osten kämen interne Machtkämpfe zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt.

Oskar Lafontaine trat vor genau 20 Jahren, am 11. März 1999, von allen Ämtern zurück. Schwer vorstellbar, dass Wagenknecht das vergessen hat. Ist dieser Termin nur ein Kuriosum? Oder zeigt er, dass Wagenknecht ihre politische Agenda nicht daran ausrichtet, wie sie ihren Rückzug für alle Beteiligten erträglich organisiert, sondern eher nach dem Wunsch nach dem größtmöglichen symbolischen Knalleffekt?

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