piwik no script img

Linke streiten um KlimavorsitzIm Ernst?

Gegen Pläne der Linksfraktion, den Klimaausschuss an den Nordstream2-Fan Klaus Ernst zu übertragen, regt sich breiter Protest.

Klaus Ernst ist ein umgänglicher Mensch. Aber reicht das als Eignung für den Klimaausschuss? Foto: Eckehard Schulz / dapd

Berlin taz | Kli­ma­po­li­ti­ke­r:in­nen der Linken und Kli­mak­ti­vis­t:in­nen mobilisieren gegen Pläne der Linksfraktion, den Ausschussvorsitz für Klima und Energie an den bayerischen Abgeordneten und ehemaligen IG-Metall-Sekretär Klaus Ernst zu übertragen. In einem offenen Brief mit dem Titel „Nicht-euer-Ernst“, der am Freitag viral ging, heißt es: „Wer mit Gazprom-Schröder für NordStream2 wirbt und gleichzeitig die Klimabewegung verurteilt, sollte für den Vorsitz des Klimaausschusses für DIE LINKE disqualifiziert sein!“ Unterzeichnet haben etwa die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Melanie Wery-Sims und Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer, die auch Mitglied der Grünen ist.

Der einstige SPDler und spätere Linken-Vorsitzende Klaus Ernst leitete in der vergangenen Legislaturperiode den Ausschuss für Wirtschaft und Energie und hatte zu einer Sitzung auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder, SPD, eingeladen. Dieser wechselte nach seinem Abdanken ziemlich flink zur Gazprom-Tochter Nordstream. In der Linksfraktion gehört Ernst, der ein Faible für schnelle Autos hat, zu jenen, die davor warnen, „grüner als die Grünen“ zu werden, und die eine „Anbiederung“ an Klimabewegungen wie Fridays for Future befürchten.

Der Ausschuss für Klima und Energie ist der einzige, den die Linke in dieser Wahlperiode leiten darf. Die Fraktion ist die kleinste im Deutschen Bundestag und verdankt ihren Einzug als Fraktion drei Direktmandaten, da sie bei der Wahl im September nur mit 4,9 Prozent abschnitt.

In einem zweiten Brief, der am Freitagmittag an alle 39 Fraktionsmitglieder verschickt wurde, warnen Parteimitglieder die Genossinnen und Genossen der Bundestagsfraktion eindringlich vor den Folgen einer solchen, in ihren Augen, Fehlbesetzung. „Die Chance, linke Konzepte als Alternative zu grünem Kapitalismus zu profilieren und bei der nächsten Bundestagswahl auch damit Stimmen zu gewinnen, wäre arg geschmälert.“

„Wir sind geschockt“

Klaus Ernst passe definitiv nicht, um die Linksfraktion im Bundestag im Kampf um Klimagerechtigkeit zu Gehör zu bringen. „Solltet ihr euch dennoch für ihn entscheiden, wäre auch öffentlich ausgetragener Streit wahrscheinlich.“ Unterzeichnet wurde dieser Brief auch vom ehemaligen klimapolitischen Sprecher der Fraktion, Lorenz Gösta Beutin.

Am Samstag will sich der Parteivorstand in seiner Sitzung mit der Personalie befassen, am Montag wollen die Spre­che­r:in­nen der Landesverbände, wie die Vorsitzenden bei der Linken heißen, sie ebenfalls thematisieren.

Die rheinland-pfälzische Landessprecherin Wery-Sims, die auch Mitglied im Parteivorstand ist, sagte der taz, sie habe zunächst gezögert, den Brief im Netz zu unterzeichnen. Sie habe es dennoch getan, um die Fraktion wachzurütteln und ein Zeichen zu setzen. „Viele, die mit uns zusammen für Klimagerechtigkeit streiten, und viele unserer jungen Mitglieder sind geschockt.“

Persönlich habe sie überhaupt nichts gegen Klaus Ernst, es gehe aber um die Positionen, für die er stehe. „Wir werben als Linke für Veränderungen, müssen aber auch selbst bereit sein Dinge zu verändern.“ Nach der Bundestagswahl habe sie gehofft, dass ein Ruck durch die Partei gehe. Aber der blieb bislang aus. Wery-Sims sprach sich dafür aus, dass der Vorstand und die Fraktion zusammen einen neuen Vorschlag für den Ausschussvorsitz erarbeiten.

Kandidiert Sören Pellmann?

Zu den Sitzungen des Parteivorstands sind üblicherweise auch die beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali eingeladen. Außer dem Namen von Klaus Ernst kursiert auch der Name von Bernd Riexinger. Der Ex-Parteivorsitzende hat im vergangenen Jahr ein Buch zum Green New Deal veröffentlicht und zusammen mit Luisa Neubauer in der taz vorgestellt. Er steht mit seinen 66 Jahren und nach acht Jahren als Parteivorsitzender aber auch nicht mehr für den Aufbruch und Neuanfang, nach dem sich viele Parteimitglieder sehnen.

Einen weiteren Namen brachte Maximilian Becker, Umweltaktivist und Mitglied des Parteivorstands der Linken, gegenüber der taz ins Spiel: „Für mich wäre Sören Pellmann der logische Kandidat für den Ausschussvorsitz Klima und Energie.“ Der 44-jährige Pellmann, der in Leipzig Süd für die Linke das dritte Direktmandat gewann und der Linken damit den Erhalt des Fraktionsstatus' im Bundestag sicherte, habe gezeigt, dass er Milieus zusammenbringen und linke Positionen mehrheitsfähig machen könne. „Und das sowohl in hippen Grünen-Stadtteilen als auch in der Plattenbausiedlung.“

Pellmann hatte zuvor gehofft, künftig den Petitionsausschuss zu leiten, dem er als Mitglied auch angehört. Doch die Linke hat eben nur Anspruch auf eine Leitung. Ob er sich denn vorstellen könne, künftig den Klimaausschuss zu leiten, fragte die taz bei Pellmann an. Dieser hielt sich die Option zumindest offen und antwortete: „Ich stimme mich dazu übers Wochenende ab.“

Als klimapolitischen Sprecher der Fraktion kann sich Becker den ehemaligen Parteivorsitzenden Riexinger dagegen gut vorstellen. „Er hat in der Vergangenheit die Partei in der Klimapolitik entscheidend voran gebracht.“

Der Fraktionsvorstand will am Montag einen Vorschlag für den Ausschussvorsitz vorlegen. Am Dienstag solle diese Person dann in der Sitzung gewählt werden, wie Fraktionssprecher Michael Schlick der taz bestätigte. Zur Personalie Ernst wollte er sich nicht äußern. Ernst selbst antwortete nicht auf Anfragen der taz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Es ist eine Sache wen andere Linke die Besetzung kritisieren. Aber wen man einer faschistischen Partei den Ausschuss fürs innere überlässt wäre ich als grünen Mitglied etwas zurückhaltender mit der Kritik.

    • @Blechgesicht:

      So wahr. Als ich das gelesen habe konnte ich meinen Augen net trauen. Wir haben endlich eine kompetente Innenministerin und dann soll die AfD dem Ausschuss vorsitzen? Wohlgemerkt in einer Zeit der inneren Radikalisierung...

  • Die Parteivorsitzenden im Tiefschlaf, die Fraktionsvorsitzenden im Besitzstandwahren, einr Salonlinke beim selbstgegälligen Talken und Irrlichtern und jetzt noch Einen (Apparatschik) von gestern, wenn nicht schon von vorgestern, versorgen. Seid Ihr schon soschmerzbefreit, dass 4,9 nicht schon schmerzhaft genug sind? Schlimmer geht immer!

  • " der ein Faible für schnelle Autos hat, zu jenen, die davor warnen, „grüner als die Grünen“ zu werden, und die eine „Anbiederung“ an Klimabewegungen wie Fridays for Future"

    Na ja: es gibt locker 10-20 Felder wo man schnell mehr machen könnte als bei "schnellen Autos". Die sind symbolträchtig, aber es gibt viel bessere Hebel: Industrie, Energieerzeugung, LKWs, Schifffahrt,...

    Bei den Grünen ist auch nicht alles grün was glänzt, insofern kann man durchaus Punkten wenn man die Truppe NICHT kopiert.

    Und zu guter Letzt... Ich habe letzt mal mit Leuten von FFF diskutiert, verbohrt, borniert und dumm trifft es leider nicht ganz. Und jetzt weis ich auch was Cancel Kulture ist, denn da denen die sachlichen Argumente schnell ausgehen, ist man nach ~10 Posts zum Admin gerannt und hat mich sperren lassen. Die Leute kann ich daher gar icht mehr Ernst nehmen. Total lost!

  • Der Traumkoalitionspartner für den ökologischen Umbau ...

  • Ich hab nicht soviel Proteste von den Grünen gehört, als sie das Verkehrsministerium Mr. Diesel von der FDP überlassen haben... Und dessen Einfluß auf die Klimapolitik ist deutlich größer als die eines Ausschussvorsitzenden.

  • Das fängt ja alles gut an.

    Ein Nazi leitet den Innenausschuss und ein Beton-Linker den für das Klima.

    Das nennt man wohl den Bock zum Gärtner machen.

  • Was mischt sich eine Grüne in die Personalpolitik der Linksfraktion ein? Hat sie nicht genug damit zu tun, für echten Klimaschutz bei den Grünen zu sorgen?

    • @Tiene Wiecherts:

      Gucken Sie sich mal an, wer den Brief alles unterzeichnet hat. Linke, soweit Sie gucken können - dazu ein paar FFFler inkl. Neubauer

  • Wieso muss denn die Linke jetzt den Umweltausschuss leiten? Um sich selber als desinteressiert zu entlarven? Dann ist Ernst der richtige Mann.