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Erneuerung der LinksparteiSeit an Seit mit den Fridays

Bewegungslinke und Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen treffen sich am Samstag. Sie möchten, dass die Linke sich künftig in den Dienst der Klimabewegung stellt.

So soll es weitergehen: Linken-Fraktionschef Bartsch diese Woche mit einer Peta-Aktivistin Foto: Casten Koall/dpa

Berlin taz | Die erste Schlacht hatten sie verloren. Im Dezember protestierten Kli­ma­po­li­ti­ke­r:in­nen der Linkspartei gemeinsam mit Ak­ti­vis­t:in­nen von Fridays for Future in einem offenen Brief gegen die Ernennung des Linken-Abgeordneten Klaus Ernst zum Vorsitzenden des Ausschusses für Klima und Energie im Bundestag. 12.000 unterschrieben dagegen. Umsonst. Die Linksfraktion zog durch und machte den erklärten Erdgas- und Autoliebhaber Ernst zum Linken-Aushängeschild im Klimaausschuss.

Nun sammeln sich die Kri­ti­ke­r:in­nen erneut im Netz, diesmal zu einem eintägigen digitalen Vernetzungstreffen. Und es geht ihnen nicht mehr um einen einzelnen Ausschussposten, sondern darum, die Gesellschaft und die Linkspartei umzukrempeln. Viele Parteimitglieder und besonders viele Aktive aus der Klimabewegung lehnten das „Weiter so“ in der Linken ab und wünschten sich eine Erneuerung, heißt es in einem Aufruf im Netz.

Ziel des Treffens ist es, in einem ersten Schritt gemeinsam mit der Klimabewegung eine Demonstration gegen die Politik der Ampel-Regierung im März zu organisieren, wenn diese 100 Tage im Amt ist. Doch darüber hinaus wollen die Initiator:innen, dass die Linkspartei sich künftig in den Dienst der Klimabewegung stellt „und mit ihrem Know-How, den Strukturen und dem Enthusiasmus ihrer Mitglieder all jenen den Rücken stärkt, die sich eine andere Klimapolitik wünschen“, heißt es in dem Aufruf. Man brauche mehr denn je eine Partei, die die Interessen der Klimabewegung vertrete, ohne die Bewegung zu verraten oder sie zu bevormunden. Ein kleiner Seitenhieb auf die Grünen.

Eingeladen sind unter anderem Carla Reemtsma von Fridays for Future und der ehemalige Parteivorsitzende Bernd Riexinger, die zu Beginn reden werden. Im weiteren Verlauf soll es auch darum gehen, wie man gemeinsam Klimabündnisse von unten aufbauen kann. Außerdem sind mehrere parallel tagende regionale Vernetzungstreffen geplant. Angemeldet sind nach Auskunft der Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen 250 Menschen, die mehrheitlich Mitglieder der Linkspartei seien.

Die Gretchenfrage der Linken

„Wir wollen, dass die Linke eine Bewegungspartei wird, die ihre parlamentarischen Möglichkeiten vor allem in den Dienst der außerparlamentarischen Bewegung stellt“, sagte Yaak Pabst vom Organsationsteam zur taz. Pabst gehört zu den Bewegungslinken und ist außerdem Mitglied im trotzkistischen Netzwerk Marx21. Letzteres lehnt Regierungsbeteiligungen der Linken grundsätzlich ab.

Entsprechend kritisch sehen die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen des samstäglichen Treffens auch „den Ausverkauf an der Regierung und die Politik der kleinen Schritte“ und fordern Alternativen. Damit machen sie eine Uralt-Debatte in der Linken wieder auf: Will man regieren und Kompromisse machen oder kompromisslos in der Opposition bleiben.

Eine Frage, die die Mehrheit der Mitglieder und Wäh­le­r:in­nen längst für sich entschieden hat. In parteiinternen Umfragen haben Regierungsbeteiligungen satte Mehrheiten. Auch die Berliner Linkspartei hatte sich im Dezember mit Dreiviertel-Mehrheit für die Zusammenarbeit mit SPD und Grünen im Land ausgesprochen.

Susanne Hennig-Wellsow, die die Linkspartei seit einem Jahr zusammen mit Janine Wissler führt, hatte im Bundestagswahlkampf auf ein solches Bündnis auf Bundesebene gesetzt. Mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent verfehlte die Linkspartei dieses Ziel jedoch klar und beinahe auch den Einzug in den Bundestag. Der gelang nur dank dreier Direktmandate. Seitdem sucht die Partei einen Weg aus der Krise.

Hennig-Wellsow sagt der taz, sie verstehe das Treffen am Samstag nicht als Kritik an ihrem Kurs, sondern als einen Versuch, sich einen Kopf darüber zu machen, wie sozial-ökologische Erneuerung gehen könne. Sie fühle sich weder übergangen, noch finde sie, dass sie in das Treffen hätte eingebunden werden müssen. „Es ist das, was jetzt überall passiert, die Suche nach einem Weg. Ich bin auf die Ideen gespannt“, sagte Hennig-Wellsow.

Eingeladen hatten die Organisatoren auch Ko-Vorsitzende Janine Wissler, die den Bewegungslinken nahe steht und ehemals zu Marx21 gehörte. Sie habe ihre Teilnahme an dem Treffen aus Zeitgründen abgesagt, so Pabst. Er betonte, dass das Treffen den Erneuerungskurs der Parteiführung teile.

Es gelte aber nun, den Worten auch Taten folgen zu lassen. „Da passiert bislang zu wenig, wie die Ernennung von Klaus Ernst zum Ausschussvorsitzenden gezeigt hat.“ Um die Causa Ernst werde es auf dem Treffen aber höchstens noch am Rande gehen, es gehe nun darum, nach vorn zu schauen und den Protest für eine nachhaltige und soziale Klimapolitik auf die Straße zu bringen.

Der Fall Ernst ist für die Linkspartei erst mal abgeschlossen, ihre Krise aber dauert an.

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12 Kommentare

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  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Die Linkspartei wurde von FFF auch schon vor der BTW als beste politische Option für einen möglichst wirkungsvollen Klimaschutz eingeordnet.



    Die Grünen war da auch schon nur auf Platz 2!!!



    Nach dem desaströsen Koalitionsvertrag und den diesbezüglich ebenso mageren Bilanzen aus den Grün (mit-)regierten BL darf man mit Fug und Recht bezweifeln, das die Grünen wirklich für Klima- und Umweltschutz, für eine Verkehrswende oder Wende in der Landwirtschaft stehen.



    Die Linkspartei hat hier freilich auch noch viel Luft nach oben. :-)

  • Eine Sprachregelungsempfehlung zur Güte (Teil 2):

    Bezeichnend ist dabei, dass beide Bewegungen Schwierigkeiten haben, Menschen mit niedrigen Einkommen anzusprechen. Dies könnte sich ändern, wenn von nun an nicht mehr vom "Klimawandel", der "Erderwärmung" oder der "Klimakrise" gesprochen werden würde, sondern von der SYSTEMATISCH ESKALIERENDEN VERNICHTUNG UNSERER SOZIO-ÖKOLOGISCHEN REPRODUKTIONSGRUNDLAGEN FÜR DIE PROFITE EINIGER WENIGER zu sprechen. So kompliziert diese Formulierung anmuten mag, so lässt sie sich doch je nach Bedarf anpassen (zB die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen).

    Worauf ich hinaus will: Der Garten eines mittelständischen Einfamilienhauses oder der Straßenbaum vor einer Altbau-WG im Szeneviertel dürfte über die letzte Zeit immer noch einigermaßen intakt geblieben sein. Anders sieht es in den Wohnvierteln aus, die in der Nähe von Industrieparks und Mülldeponien stehen - und das seit Beginn des Kapitalismus. Hier müsste kein neues historisches Updatebewusstsein konstruiert werden, wie es über die Wissenschaftskommunikation versucht wird zu erreichen. Hier könnte ein über Jahrzehnte gewachsenes Betroffenen-/Klassenbewusstsein angesprochen werden, das sich darüber hinaus international nur marginal voneinander unterscheiden dürfte.

    Und zu Guter letzt: bitte! BITTE! MITWELT statt "Umwelt" - das muss ich hoffentlich nicht erklären.

    fangt an zu ökern, es lohnt sich. Ohne *.

  • Eine Sprachregelungsempfehlung zur Güte (Teil 1):

    es empfiehlt sich nicht vom "Klimawandel" als Hyperobject zu sprechen.

    1. handelt es sich beim Begriff "Klimawandel" um ein neokonservatives Narrativ aus dem Jahr 2000 der Bushregierung, um die Verwirrung in der öffentlichen Debatte aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln und so Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern.

    2. Die Verwendung des Begriffs "Klimawandel" führte dazu, dass KlimawissenschaftlerInnen dazu gedrängt wurden, der Öffentlichkeit im Grunde nur schwer weil nicht so direkt verständliche Konzepte von CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust und Kipppunkten zu erklären. Alles was auf der Basis dieser Dinge passieren würde wurde mit Konjunktiven ausgeschmückt - soz als versicherndes Zugeständnis an den Teil der Öffentlichkeit, der Zweifel an den wissenschaftlichen Erkenntnissen schürte, so à la "seht her, wir haben diese Zweifel ja schon selbst, also braucht ihr sie nicht zu haben". Das war ein kommunikatives Desaster. Denn so ließ sich die Klimawissenschaft ins Zentrum der medialen Auseinandersetzung ziehen wodurch sie politisiert.

    Diese Dynamik wurde von FFF und XR traurigerweise weitergetragen. Beide Bewegungen fordern "auf die Wissenschaft zu hören". Was erst einmal einleuchtend klingt hat jedoch bei näherer Betrachtung durchaus negative Konsequenzen. Einmal gan davon abgesehen, dass das eine absolute Selbstverständlichkeit sein sollte, wird vor allem eine Wissenshierarchie konstruiert und reproduziert: hier sind wir, die recht haben und erklären können wie recht wir haben, und da sind die, die das mit dem Klimawandel immer noch nicht verstanden haben - es geht um das Überleben der Menschheit. Vor allem wird die Stufenkommunikation fortgeführt - also über CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust und Kipppunkte, alles Dinge, die so weit von unserer menschlichen Erfahrung mit unserer "Umwelt" sind, wie es nur eben gerade geht.

  • FFF mag also die Grünen nicht mehr, und probiert's nun mit den Linken. Mhmh.

    Nur das wird nicht klappen, weil das Thema schon von den Grünen besetzt ist und die Linkspartei für andere Sachen steht bzw. stehen sollte.

  • Das mit dem Klima- und Umweltschutz lernen die Linken schon noch.

    Aber was ist mit dem Datenschutz?

    Die Seite der "Linkenerneuerer" scheint in den USA gehostet zu sein, es wird Google Analytics eingebunden und ein Facebook-Dingens. Zu allem Überfluß wird ein Telegram-Kanal zur Vernetzung vorgschlagen. Fehlt eigentlich nur noch, daß die Online-Konferenz via Zoom oder Teams stattfindet...

    • @Yvvvonnne:

      Daten sollten in aller erster Linie genutzt, und erst in zweiter Linie geschützt werden. Sonst braucht man sie nicht.



      Datenschützer haben uns in Deutschland schon eine erfolgreiche Pandemiebekämpfung unmöglich gemacht.



      Digitale Kommunikationstools sind immer Mittel zum Zweck.



      Nur technikverliebte IT-Nerds und übereifrige „Datenschützer “ halten sie immer für einen Selbstzweck.

      • @neu_mann:

        Soso, die Datenschützer sind also schuld daran, dass die Gesundheitsämter lieber mit Fax als über Internet kommunizieren. Und Datenbanken in Excel pflegen.

        Jaja, garantiert NICHT!

  • Die Linke will also einfach mal ihre Wählerschaft wechseln? Ob das klappen kann? Im Osten wird und wurde die Linke eher von Menschen gewählt, die zwar gerne sozial gerecht aber sonst eher sehr konservativ und kleinbürgerlich. Die Jugend von FFF als zukünftige Wählerstimmen? Das erscheint mir dagegen mehr als fraglich.

  • Die Generation Z und folgende ist offen für einen Ökologischen Sozialismus, der Markenkern der Linken werden könnte. Andocken an FFF ist ein erster Schritt. Jetzt muss vom Kopf her transformiert werden. Schluss mit klassischem Parteiapparat, mehr Mitbestimmung. Meinungsbildung von unten. Das braucht völlig neue Strukturen. Echte Vision, nicht nur Verwalten von „sozialistischem Erbe“.

  • Bewegungslinke als Totalopposition.



    Das reicht nicht.

    Eine Partei, die nicht einen Gestaltungsanspruch hat und nur als Kommunikator im Parlament dient, macht sich über kurz oder lang überflüssig.

    Wobei die Linke solange bundespolitisch exkludiert ist, solange sie nicht dem NATO- und US-Primat zustimmt. Insofern kommt es wohl eh nicht drauf an.

  • "Sie möchten, dass die Linke sich künftig in den Dienst der Klimabewegung stellt."

    Stellt sich dann auch die 'Klimabewegung' in den DIENST der Beseitigung der eigentlichen Ursache dieser schamlosen Resourcenverschwendung namens Kapitalismus?

    Oder doch eher lieber nicht????

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Das ist doch ein ordentlicher Ansatz - Populismus mit guter Absicht! Aber vor allem mit einem offenen Ohr für's Volk, statt mit Hinterzimmern für Eliten...