Linke Ökonomen gegen Senat: Aufruf gegen Schuldenbremse
Das R2G-Land Berlin hat eine scharfe Schuldenbremse beschlossen. Jetzt protestieren Wirtschaftswissenschaftler – und ein prominenter Linker.
Der Aufruf unter dem Titel „Berliner Schuldenbremse darf nicht zur Investitionsbremse werden“ ist von Dierk Hierschel (Verdi-Bereichsleiter Wirtschaftspolitik), Jan Priewe (Hans-Böckler-Stiftung), Sabine Reiner (Verdi-Ressortkoordinatorin), Thomas Sauer (Hochschule Jena), Axel Troost (Rosa-Luxemburg-Stiftung) und Harald Wolf unterschrieben. Wolfs Unterschrift ist die politisch bemerkenswerteste unter dem Aufruf: Der Bundesschatzmeister der Linken ist zugleich Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und war von 2002 bis 2011 Wirtschaftssenator.
Der Aufruf richtet sich vor allem gegen eine spezielle Berliner Regelung: Die Schuldenbremse soll zwar nicht wie in anderen Bundesländern in die Landesverfassung aufgenommen werden und kann daher mit einfacher Mehrheit wieder geändert oder abgeschafft werden. Dafür werden auch die Haushalte landeseigener Unternehmen in die Schuldenbremse einbezogen.
Berlin würde damit die im Grundgesetz verankerte Regelung, die ab 2020 auch für die Bundesländer gilt, noch verschärfen. Damit wären unter anderem Investitionen bei den Verkehrsbetrieben, der S-Bahn, den Hochschulen und den Bäderbetrieben gefährdet, heißt es in dem Aufruf. Zudem würde der Anreiz erhöht, „verstärkt in öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP)“ auszuweichen.
Jetzige regelung war ein Kompromiss
Der Senat hatte die Berliner Regelung zur Schuldenbremse auf seiner Sitzung am 18. Juni verabschiedet. Im August steht die Beratung im Abgeordnetenhaus an. Mit der Unterschrift Wolfs, der auch Mitglied im Hauptausschuss ist, könnte der Konflikt zwischen SPD, Grünen und Linken um die Schuldenbremse erneut aufbrechen.
Die jetzige Regelung war ein Kompromiss. Während Die Linke vor allem den Verfassungsrang der Schuldenbremse ablehnte, hatte SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz auf die Einbeziehung der landeseigenen Unternehmen gedrungen. Was für Erstaunen sorgte, weil Kollatz selbst vor einiger Zeit einen Ausweg aus den Beschränkungen der Schuldenbremse gewiesen hatte: Die Berliner Schulgebäude sollen von der landeseigenen Wohnungsgesellschaft Howoge errichtet werden, die von der Schuldenbremse bisher nicht betroffen war.
Die Schuldenbremse war 2009 auf Betreiben der damaligen Großen Koalition im Bund beschlossen worden. Linke Ökonomen halten sie seit Langem für falsch. Im Frühjahr dieses Jahres mischte sich aber auch Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) unter die Kritiker. Die Schuldenbremse verhindere notwendige Investitionen, argumentierte Hüther – ähnlich wie seine linken Kollegen jetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!