Linke Autonome: Patronen als Diskussionsbeitrag

Militante Aktionen kommen in der linken Szene teilweise gut an. Von Aktionen, bei denen Personen in Gefahr gerieten, grenzte man sich jedoch ab.

Protest vorm Gerichtsgebäude: Verurteilt wurden drei Berliner nicht wegen terroristischer Aktivitäten, sondern als kriminelle Vereinigung. Bild: dpa

Die Richter am Berliner Landgericht waren sich sicher. Es bestehe kein Zweifel, dass die drei Angeklagten Mitglieder der „militanten gruppe“ seien, erklärten sie im Oktober 2009 in ihrem Urteil. Zu erdrückend seien die Indizien. Dann sprachen sie Haftstrafen von bis zu dreieinhalb Jahren aus.

Zu 25 Anschlägen hatte sich die „mg“ bekannt, verübt zwischen 2001 und 2009. Polizeiautos, Sozialämter oder Bundeswehrfahrzeuge gehörten zu den Zielen. An den FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff schickte die Gruppe Pistolenpatronen, als „Diskussionsanregung“ für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern.

Erst im Juli 2007 bekamen die Anschläge ein Gesicht – drei Berliner Linke wurden festgenommen: Axel H., Sozialpädagoge, Florian L., Altenpfleger und Oliver R., Antiquariatsangestellter. 37 bis 48 Jahre alt, keiner vorbestraft. Verurteilt wurden sie nicht wegen des Anfangsverdachts terroristischer Aktivitäten, sondern als kriminelle Vereinigung und wegen einer versuchten Brandstiftung, bei der sie am Tatort gefasst wurden. Da hatte sich die „mg“ vier Monate zuvor schon selbst aufgelöst.

Die Sicherheitsbehörden hatten daran allerdings stets Zweifel. Schnell zogen sie Parallelen zu den wenig später aufgetauchten „Revolutionären Aktionszellen“ (RAZ). Zu ähnlich seien Bekennerschreiben und „Grußformeln“, hieß es. Auch bezog sich die „RAZ“ in ihren „Kommuniqués“ selbst auf die „mg“. Tatsächlich wird nun einer der "mg"-Verurteilten, Oliver R., von der Bundesanwaltschaft verdächtigt, auch zur "RAZ" zu gehören.

„Das Grollen des Eyjafjallajökull“

Auch nach Abtauchen der Gruppe gab es Brandanschläge. Im Mai 2011 bekannte sich in Berlin eine Gruppe namens „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ dazu, eine Kabelbrücke am Bahnhof Ostkreuz angezündet und so große Teile des Bahnverkehrs lahmgelegt zu haben. Ein halbes Jahr später wurden Brandflaschen im Berliner Bahnnetz postiert, eine explodierte. Damals zog die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich. Sie ermittelte bereits einen Anschlag von Vermummten im Dezember 2009 auf eine Hamburger Polizeiwache.

Verbindungen zur „RAZ“ sehen Ermittler in diesen Fällen aber nicht: Zu unterschiedlich seien das Vorgehen der Täter und der Duktus der Bekennerschreiben. Auch ein linker Terrorismus wurde in Sicherheitskreisen stets ausgeschlossen, da sich die Attacken bisher nicht gegen Menschen richteten. In der linken Szene grenzte man sich ebenso von Aktionen ab, bei denen Personen in Gefahr gerieten.

Aktionen mit Sachschäden kommen dagegen zumindest in Berlin weiter vor. In der Nacht nach dem 1. Mai 2013 wurden sieben Jobcenter und die SPD-Landesgeschäftsstelle mit Steinen und Farbbeuteln attackiert - als "Widerstand" gegen Zwangsräumungen. Zudem rufen Unbekannte mit einer im Internet geführten „Berliner Liste“ zu „kreativen, radikalen Aktionen“ gegen Immobilienprojekte auf. Auch hiermit, heißt es in Sicherheitskreisen, habe die „RAZ“ wohl nichts zu tun.

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