Letzte Generation bewirft Monet-Bild: Was kommt nach der Aufmerksamkeit?
Die Letzte Generation hat in Potsdam ein Gemälde mit Kartoffelbrei beworfen. Das ist legitim, die Klimabewegung muss aber noch stärker Druck erzeugen.
Routiniert überschlägt sich in den nächsten Stunden die Empörungsmaschinerie. Da meint der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), entscheiden zu können, dass die Aktion „Kulturbarbarei“ und „keine politische Meinungsäußerung“ sei.
Obwohl das Museum noch am Abend mitteilt, dass das Bild „keinerlei Schäden“ davongetragen habe, sieht die Brandenburger Kulturministerin Manja Schüle (SPD) die Aktivist:innen „willentlich unsere Kulturschätze zerstören“. Der Förderverein des Potsdam Museums redet sogar von „Kulturterrorismus“. Klar, es muss sich um die grüne RAF handeln, wenn Aktivist:innen einen symbolischen Kunst-Stunt vorführen.
Kunst von Superreichen
Deutlich wird dabei nur eines: Ein Grund, den Aktivist:innen nicht zuzuhören, werden ihre Gegner:innen immer finden. Überschütten sie wie am Samstag den Eingang des Verkehrsministeriums mit Tempo-100-Schildern, ist das Verschwendung. Blockieren sie Autobahnen, wie sie es am Montag erneut taten, treffen sie die Falschen. Werfen sie Kartoffelbrei auf ein Bild, das die Schönheit der Natur zelebriert, um auf ihre Zerstörung aufmerksam zu machen, sind sie Kulturbanausen.
Eigentlich sollten mit dem Kartoffelbreiwurf jene zufrieden sein, die der Letzten Generation seit Monaten vorwerfen, dass ihre Aktionen die Falschen treffen. Denn der „Getreideschober“ ist keineswegs „unser Kulturschatz“, sondern gehört dem Multimilliardär und Vermögensteuer-Gegner Hasso Plattner. 111 Millionen Euro soll er dafür 2019 gezahlt haben. Doch dass Superreiche die Kulturschätze dieser Welt als Vermögensanlage benutzen, das finden nur sehr wenige skandalös. Lieber drischt man auf einige Klimaaktivist:innen ein, die vor einer existenzbedrohenden Katastrophe warnen.
Und dennoch muss die Frage erlaubt sein: Was kommt eigentlich nach der Aufmerksamkeit? Schon im Ursprung der Initiative, während des Hungerstreiks im vergangenen Jahr, forderten die Aktivist:innen primär ein Gespräch mit den damaligen Kanzlerkandidat:innen. Inzwischen wollen sie ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern und die Fortführung des 9-Euro-Tickets. Im Kern bleibt das Modell der Initiative aber, an die Politik zu appellieren. Der Theorie des zivilen Ungehorsam treu bleibend soll der Politik zugleich die Hand gereicht und ihr Druck gemacht werden – das Ziel ist in erster Linie die Zusammenarbeit.
Die Normalität stören reicht nicht
Aber was, wenn das nicht ausreicht? Was, wenn die Kapitalhörigkeit der Politik doch zu groß und das Zeitfenster der Klimakrise zu knapp ist, um so Veränderungen zu bewirken? Was, wenn Aufmerksamkeit allein eben doch nicht reicht, weil es die Macht der Massen braucht? Hier jedenfalls haben die Kritiker:innen der Letzten Generation recht: Ihre Aktionen mögen die Scheinnormalität des fossilen Alltags stören. Macht, die Verhältnisse zu ändern, erzeugen sie nicht.
Es kann aber auch nicht alleinige Aufgabe der Letzten Generation sein, diese Macht aufzubauen. Die gesamte Klimabewegung, die gesamte politische Linke, muss unterstützen. Die Jacobin-Herausgeberin und führende Person hinter dem Protestbündnis Genug ist Genug, Ines Schwerdtner, hat der Gruppe „Narzissmus“ und „Selbstinszenierung“ vorgeworfen. Doch das ist der falsche Ansatz. Produktiver wäre es, die Debatte über Möglichkeiten, Druck auf die Politik aufzubauen, voranzutreiben.
Geredet wird darüber bereits – die Zerstörung von klimaschädlicher Infrastruktur ist nur das kontroverseste Beispiel. Auch Kunstwerke wirklich zu zerstören wäre übrigens nichts Neues: 1914 zerhackte die Suffragettin Mary Richardson das Gemälde „Toilette der Venus“ von Velázquez mit einem Fleischerbeil.
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