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Lektionen der WocheMerz kann nicht Kanzler

Friedrich Merz kann nicht Kanzler. Antje Tillmann rettet die Ehre der CDU. Heidi Reichinnek ist kämpferisch. Angela Merkel sagt, was Sache ist.

Friedrich Merz ist offenkundig weder ein guter Stratege, noch kann man sich auf sein Wort verlassen. Kanzler geht anders Foto: Michael Kappeler/dpa

1 Merz kann's nicht

Dieser Mann will Kanzler werden? Der Mann, der sich die Mehrheit für seine Anträge von einer Partei beschaffen lässt, die er 2018 selbst als „offen nationalsozialistisch“ bezeichnet hat? Der trotzig bekundet, es sei ihm „egal“, wenn die AfD ihm die Mehrheit beschafft? Der ihr mit seiner nicht zu Ende gedachten Aktion den größten Triumph ihrer Geschichte beschert hat? Der danach bedröppelt dasteht und sich wundert, was passiert ist? Der trotzdem dasselbe Stück am Freitag noch mal aufführt? Weil „egal“?

2 Tillmann trotzt

Antje Tillmann war es nicht egal. In der historischen Abstimmung am Mittwoch stimmte sie als einziges Unionsfraktionsmitglied gegen die Anträge. Alle anderen hielten Parteidisziplin für wichtiger als die Zukunft des Landes. In ihrer Partei steht Tillmann aus dem Kreisvorstand Erfurt und Weimar ziemlich allein da, in Deutschland nicht. Manche ihrer Bun­des­tags­kol­le­g*in­nen zogen es vor, aus Protest gegen das „Egal“ ihres Kanzlerkandida­ten nicht zur Abstimmung zu gehen. Tillmann kam – und sagte Nein. Respekt.

3 Merkel mischt mit

Wie heißt es so schön in den ­Asterix-Comics: „Ganz Gallien?“ Nein, eine unbeugsame Ex-Kanzlerin scheint sich ebenfalls noch daran zu erinnern, dass Politik mehr ist als Mehrheiten. Kurz nach Merz’ Brandmauer-Abrissmanöver meldete sich Angela Merkel auf ihrer Website zu Wort: Sie halte dessen Vorgehen für „falsch“. In ihrer kürzlich veröffentlichten Biografie schreibt Merkel über Merz, es habe ihr einst gefallen, dass er „machtbewusst“ war. „Aber es gab ein Problem: Wir wollten beide Chef werden.“ Wie das ausging, ist bekannt.

4 Die Linke liefert

Noch eine Frau aus Ostdeutschland zeigte vor der Schicksalsabstimmung klare Kante: Heidi Reichinnek. Die Linke-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt, die in Osnabrück lebt, blies der Union den Marsch: „Wo, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, die Sie hier alle frenetisch applaudiert haben, ist der Aufstand der Anständigen in Ihren Reihen?“ Die Linke ist wegen Menschen wie Reichinnek, ihrer mieten- und so­zial­politischen Positionen und trotz ihrer unklaren Haltung zur Unterstützung der Ukraine im Aufwind. 7 Prozent sind für die Partei locker drin.

5 Ein Bündnis bröckelt

Es wäre ein schönes Bild: ostdeutsche Frauen im Kampf gegen den politischen Rechtsruck. Allein, man muss ein bisschen die Augen zusammenkneifen, denn da ist ja noch: Sahra Wagenknecht. Deren BSW lag in jüngsten Umfragen unter 5 Prozent, was sich die Große Vorsitzende mit den Grünen erklärt. Die würden „konservativer“ auftreten, deswegen habe die Linkspartei jetzt ein ­Umfragehoch. Ihre Partei, die sich in der eingangs genannten Abstimmung enthielt, soll künftig übrigens „Bündnis für Sicherheit und Wohlstand“ heißen. Klingt überraschend – konservativ?

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13 Kommentare

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  • Kanzler kann er nicht, Sportminister auch nicht, wie seine Behauptungen über die Bundesjugendspiele gezeigt haben, und zu Wirtschaft, Gesundheitswesen usw. hat er auch schon grob falsches Zeug gesagt.

    Nicht dass er am Ende noch ins Bürgergeld fällt.

  • "Merz kann nicht Kanzler"



    Dann passt es ja, denn Scholz kann es auch nicht.

  • inhaltlich wohl richtig, entscheidend ist aber das Wahlergebnis und da deuten die Wahlumfragen keine Veränderung an.



    Mit 30% der Stimmen könnte auch ein Blumentopf Kanzler werden, auch wenn er gänzlich ungeeignet ist.

    • @nutzer:

      Noch ist Schland nicht verloren •

  • Da möchte ich klar sagen:



    guter Titel, guter Untertitel!



    Ja, die Spatzen pfeifen es von den Dächern: "auf der Mauer auf der Lauer sitzt ne kleine Pfeife, seht Euch mal den Merzi an, der dicke Backen machen kann...



    auf der Mauer auf der Lauer höckt der kleine Fritze, hört Euch mal die Pfeife an, nach der der kleine tanzen kann...

    machen kann

  • Aus Merkels Intervention:

    》"In seiner Rede am 13. November 2024 im Deutschen Bundestag hat der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Kanzlerkandidat von CDU und CSU, Friedrich Merz, [...] erklärt: 'Für die wenigen verbleibenden Entscheidungen, die ohne Bundeshaushalt möglich sein könnten, will ich Ihnen hier einen Vorschlag machen: Wir sollten mit Ihnen, den Sozialdemokraten, und Ihnen, die Grünen, vereinbaren, dass wir nur die Entscheidungen auf die Tagesordnung des Plenums setzen, über die wir uns zuvor mit Ihnen von der SPD und den Grünen in der Sache geeinigt haben, sodass weder bei der Bestimmung der Tagesordnung noch bei den Abstimmungen in der Sache hier im Haus auch nur ein einziges Mal eine zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der AfD zustande kommt. Diese Verabredung möchte ich Ihnen ausdrücklich vorschlagen, meine Damen und Herren. Denn das hätten diese Damen und Herren von rechts außen doch gerne, dass sie plötzlich die Mehrheiten besorgen, und sei es mit Ihnen von den beiden Minderheitsfraktionen bei der Bestimmung der Tagesordnung. Wir wollen das nicht. Ich hoffe, Sie sehen das auch so, liebe Kolleginnen und Kollegen.'《

  • Mal ernsthaft gefragt. Möchte Frau Merkel nicht doch nochmal kandidieren ? Ich würde sogar behaupten, dass sie sehr gute Chancen hätte, angesichts der Katastrophe um diese Figur.

    • @Jungle Warrior:

      Mit der Idee stehen Sie nicht allein!



      Andere Kandidaten sind noch "in der Deckung", bevor sie endlich auch von den parteiinternen EntscheiderInnen als "systemrelevant für's Kanzleramt" wahrgenommen werden, den bayerischen MP meine ich ausdrücklich nicht.



      MerkelianerInnen gibt's noch immer, besonders die Courage von Antje Tillmann ist bemerkenswert erfreulich und schafft Raum für Hoffnung.

  • "...Merz kann's nicht..." - Stimmt. Noch schlimmer ist: Alle anderen auch nicht

    "Die Linke liefert.[...].7 Prozent sind für die Partei locker drin." - Die letzte Lieferung war wohl etwas stark?!

    • @Samvim:

      Jemand, der es könnte, achtet wohl zu stark auf seinen Umgang, um sich in die Politik zu begeben.

  • "Der trotzig bekundet, es sei ihm „egal“, wenn die AfD ihm die Mehrheit beschafft? Der ihr mit seiner nicht zu Ende gedachten Aktion den größten Triumph ihrer Geschichte beschert hat?"



    Nicht allen dürfte das egal gewesen sein, insbesondere aus der Gruppe derjenigen konservativen "ParteigängerInnen", als "ParteifreundInnen" auch mancherorts bezeichnet, die die AfD schon glasklar wiederholt und vehement als "Nazi-Partei" bezeichnen und die sicherlich nie unbedachterweise "Nazi-Partner" sein oder gar sehenden Auges, machtpolitisch fehlkalkuliert, "Nazi-Steigbügelhalter" werden wollen.



    "Die AfD ist eine Nazi-Partei" (...)



    "Auch seine Worte zu aktuellen politischen Themen sind durchdacht, vor allem zum Umgang mit der AfD. Für Hendrik Wüst ist das eine "Nazi-Partei", die Wortwahl habe er sich wohl überlegt, er will "das Kind beim Namen nennen". Dass die CDU bundesweit nicht deutlich über 30 Prozent in den Umfragen liegt, sieht er durchaus auch selbstkritisch."



    Quelle swr.de

  • BSW, auch so eine Wendehals Partei, der es nur um Stimmen geht, aber nicht um der Wähler und des Landes-Wohlergehen. Also keine Vertretung des suverän. Auch kein Wunder wenn hinter ihr ein Einsflüsterer der Altvorderen steht, dem es auch noch nie um das Wohl des Landes und er Wähler ging, sondern nur um Posten und Macht.



    Nur bei "Die Linke" scheint auch wahres Links drin zu sein.

    Da das Pupertier leider noch immer nicht seine Reifeprüfung bestanden hat, musste Mutti klar und in richtiger Weise kommentieren. Kanzlerkandidaten sollten nur Staatsbürger mit Kompetenz werden. Sich Respekt verschaffen zu wollen durch verbale Verhaltenskopie bei Trump ist armseelig, und zeigt die wahre Größe.

    Schön das es noch aufrichtige UnionspolitikerInnen gibt - es gibt eben überall Ausnahmeerscheinungen.