piwik no script img

Leistungen für GeflüchteteAlle streiten über die Bezahlkarte

FDP, SPD und auch die Union fordern Gesetzesänderungen, um die Geldkarte für Geflüchtete zu ermöglichen. Aus Sicht der Grünen ist das nicht nötig.

Einkaufen auf dem Wochenmarkt, wie hier in Münster? Ohne Bargeld ist das kaum möglich Foto: Rüdiger Wölk/imago

Berlin taz | Gerade galt die bundeseinheitliche Bezahlkarte für Geflüchtete als beschlossen, nun wird darum schon wieder gestritten. Ver­tre­te­r*in­nen der Bundesländer fordern vor der Einführung der Karte ebenso wie Union, FDP und SPD Gesetzesänderungen. Die Grünen finden das unnötig.

Die Einführung einer Bezahlkarte hatten die Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Migrationsgipfel im November verabredet. Sie soll den Verwaltungsaufwand der Kommunen verkleinern, Konservative sehen in ihr aber auch ein Mittel zur Abschreckung. So soll sie etwa Geldüberweisungen in die Herkunftsländer unterbinden.

Im Januar hatte eine Arbeitsgruppe der Länder sich auf Mindeststandards für die Karte geeinigt. Die Karte soll nur im Inland einsetzbar sein und keine ­Überweisungen ermöglichen. Ob damit Bargeld abgehoben werden kann, und wenn ja, wie viel, ob sie regional oder bundesweit einsetzbar ist, ob gewisse Branchen gesperrt werden: Das soll in der Hand des jeweiligen Landes liegen. Die Spanne reicht also von sehr liberal bis sehr restriktiv.

Die Arbeitsgruppe der Länder fordert nun, das Asylbewerberleistungsgesetz zu ändern. Darin heißt es bisher, dass Geflüchtete, die nicht in einer Unterkunft leben, „vorrangig Geldleistungen“ bekommen sollen. Auch solle die Bezahlkarte auch an Geflüchtete ausgegeben werden, die bereits seit drei Jahren im Land sind und somit Leistungen in Höhe des Bürgergelds bekommen – in den ersten 36 Monaten ist der Satz deutlich niedriger.

Es gibt schon Bezahlkarten

Die Grünen hingegen betonen, dass Gesetzesänderungen auf Bundesebene nicht notwendig seien – und verweisen auf die Bezahlkarten, die bereits existieren. In Hannover und in zwei thüringischen Gemeinden gibt es bereits Bezahlkarten, Hamburg hat diese vergangene Woche eingeführt. Am Dienstag erklärte Bayern, das sich an der bundeseinheitlichen Lösung nicht beteiligt, im März ein Pilotprojekt in vier Kommunen zu starten.

Bereits am Montag hatte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, sich für eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes ausgesprochen. „Wir müssen den Bundesländern bei der Bezahlkarte jetzt Rechtssicherheit verschaffen“, sagte er dem Tagesspiegel. Der stellvertretetende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki drohte in der Bild gar mit dem Ende der Ampelkoalition.

„Wir Grünen unterstützen grundsätzlich die Einführung einer diskriminierungsfreien Bezahlkarte für Geflüchtete“, sagte der taz hingegen die Grünen-Politikerin Filiz Polat. Diskriminierungsfrei heiße, dass sie „nicht in die persönliche Lebensgestaltung der Menschen eingreift“ – etwa, indem sie Bargeldabhebungen zulasse.

„Es ist unerträglich, dass jetzt erneut eine rassistische Debatte auf dem Rücken von Geflüchteten ausgetragen wird“, sagte der taz die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis von Konservativen und Rechten die Forderung erhoben wird, auch Be­zie­he­r*in­nen von Bürgergeld eine solche Karte aufzuzwingen.“

Ebay und Wochenmarkt

Ohne Bargeld werde der Zugang zu wichtigen günstigen Einkaufsmöglichkeiten wie etwa Tafeln, Möbelbörsen, Wochenmärkten oder Kleiderkammern „stark eingeschränkt“, sagte der taz Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz deckten schon jetzt nicht einmal das Existenzminimum. „Künftig soll dieser eklatante Mangel nun auch noch der freien Verfügung der Betroffenen entzogen werden. Das ist pure Schikane und konterkariert alle Integrationsbemühungen“, so Schneider.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Ver­tre­te­r*in­nen der Bundesländer fordern vor der Einführung der Karte ebenso wie Union, FDP und SPD Gesetzesänderungen. "

    Für mich eine Luftnummer nur darum, dass jede Ziege auch mal gemeckert hat.

  • Solche Systeme hat es gegeben, sie wurden aufgegeben, auch CDU-regierte Kommunen oder Landkreise haben das mal abgeschafft. Diese Systeme haben mehr Nachteile, als sie Vorteile bringen.

    Mein Grundproblem ist zweiteilig:



    a) Die Idee, dass die Asylbewerberzahlen 2024 sinken müssen, und



    b) dass die Bezahlkarte dazu den wesentlichen Beitrag leistet, nämlich die Asylbewerber mächtig abschreckt, so dass sie nicht mehr nach Deutschland wollen und vor allem nicht kommen.

    Beides ist aus meiner Sicht einfach nicht zutreffend.

    Weder lassen sich Zugangszahlen in einem Rechtsstaat senken, noch erledigt diese Aufgabe eine Bezahlkarte.

    Und es gibt auch ethische Bedenken, eine Gruppe der Gesellschaft per Gesetz direkt kenntlich zu machen und indirekt zu unterstellen, die würden nur an Geld interessiert sein und es dann direkt ins Ausland transferieren.

    Das ist Wasser auf die Mühlen der AfD, Neonazis und NPD (Heimat). Die müssen sich durch solche Schachzüge bestätigt fühlen.

    Und die bieten dann die ganz harte Lösung an, wer also die Zahlen wirklich senken will, der kreuzt bei denen an, macht da mit. Es bringt ja immer was, siehe Einführung der Bezahlkarte oder was auch immer.

    Und die Politik weiß das ganz genau, dass Konflikte in Afghanistan, Syrien, Palästina, Libyen und die Unterdrückung der Kurden die echten Ursachen der Flucht sind.

    Unser NATO-Partner Türkei vertreibt Kurden in Syrien, terrorisiert Kurden im Irak durch Luftangriffe und völkerrechtswidrige Invasionen. Dass diese 'Kurden' dann flüchten, ist in Ankara ein erwünschtes, ein geplantes Ziel.

    Inzwischen kommen auch wieder Kurden aus der Türkei. Und die kann man - entegegen der von CDU vertretenen Idee - nicht einfach Erdogan zurück geben.

    Eine Bezahlkarte hat auch diese Dynamiken keinen Einfluss.



    Auch EU-Grenzen bringen nur begrenzt was, sonst kommen die Leute später dann aus Griechenland, Zypern oder Italien hierher.

  • Die Grünen Blockierer



    Schaut, schaut, auch die Grünen treten schon wieder als Blockierer innerhalb der Ampel auf, nachdem Lisa Paus im September schon mal als Blockierer auftrat.



    Die SPD blockiert das Cannabisgesetz, die FDP blockiert die Grünen und Koma-Kanzler Scholz schaut dem Treiben einfach nur zu.



    Diese Koalition schadet Deutschland, meine Kritik geht an alle drei.

    • @Rudi Hamm:

      Welche Politik denn? Politik geht doch nur, wenn es Mehrheiten gibt. Im Monent wird nur auf Reize von Aussen reagiert, wenn es nicht anders geht.

  • Und dann, wenn junge Migranten auf die schiefe Bahn geraten weil 50 Euro Bargeld nicht reichen, geht die nächste rassistische Debatte los. Komplett sinnfrei.

  • Das Argument, dass man mit der Einführung einer neuen Bezahlkarte irgendwelchen Verwaltungsaufwand sparen kann, ist so extrem albern. 400€ bar auf Kralle benötigt nur jemanden, der das Geld besorgt und ausgibt. 400€ auf diese sonderbare Karte benötigt zuerst mal die Karte, die gesamte zugehörige Infrastruktur, Datenbanken dazu, wer wie viel bereits wofür ausgegeben hat und noch ausgeben darf, etc. Einziger Vorteil ist weniger Bargeldausgabe durch Angestellte.

    Das ist eine Totgeburt, wird wieder Unmengen Steuern kosten und gar nichts bringen, außer mehr Bürokratie. Das Geld hätte man auch den Menschen geben oder in mehr Personal investieren können.

    Sinnlose Symbolpolitik, um die Faschisten und deren feuchte Ausländer-Träume zu befriedigen.

    BTW...wie lange ist die digitale Krankenakte schon angekündigt und merkt man schon, wie viel Bürokratie die spart...😉

  • Bisher dachte ich, die FDP ändert ihre Meinung wenn es darum geht, gemeinsame Beschlüsse umzusetzen. Die Grünen also auch

    • @Ahnungsloser:

      Das verhält sich hier eher so, wie mit der Blockade des Wachstumschancengesetzes durch die Union. Die Union will ja nicht das Gesetz verhindern, sondern die Subventionen für fossilen Agrardiesel erhalten ("erpressen").

      Die Grünen erwarten "als Gegenleistung" z. B., dass abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber beim Arzt nicht aufgegriffen und dann abgeschoben werden dürfen. Das hat mit der Bezahlkarte auch nichts zu tun.

  • ".... günstigen Einkaufsmöglichkeiten wie etwa Tafeln, Möbelbörsen, Wochenmärkten ..."



    Das wäre doch ein ausgezeichneter Grund für diese Anbieter auf bargeldlose Zahlung umzustellen. Mit einer entsprechenden App bräuchte man noch nicht einmal das Stück Plastik und vor allem würde keine Umsatzprovision für der Herausgeber der Karte anfallen.



    [...]



    Andere Länder, angeblich weniger entwickelte, machen das vor. (z. Bsp. PIX in Brasilien). Kostenlos, provisionslos, sekundenschnell. Der zweckfremden Verwendung der monatlichen Zahlung wäre damit einfachste Einhalt zu gebieten.

    [...] Beitrag editiert. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank! Die Moderation

  • "„Wir Grünen unterstützen grundsätzlich die Einführung einer diskriminierungsfreien Bezahlkarte für Geflüchtete“ (...) Diskriminierungsfrei heiße, dass sie „nicht in die persönliche Lebensgestaltung der Menschen eingreift“ – etwa, indem sie Bargeldabhebungen zulasse."



    Schlau gesagt, aber das Hintertürchen mit den Bargeldabhebungen als 'must have' hätten sich die Grünen mal als Position einfallen lassen sollen, BEVOR die Einigung zu stande kam... 🤷‍♂️ - so sieht es von außen halt danach aus, dass man noch irgendwie 'Nein' zum vorschnellen 'Ja' sagen will.



    Die Posse um die Bezahlkarten hat gute Chancen der nächste Dauerstreit in der 🚦 zu werden - und sollte man sich dann am Ende zu einer verwässerten 'Bezahlkarte light' mit relativer finanzieller Freiheit durchwurschteln, wird das der nächste Elfmeter für AfD und CDU bei den anstehenden Landtagswahlen - die ersten Erfahrung restriktiver Modelle liefern sowieso bereits jede Menge passender Munition für deren Lager...



    www.google.com/amp..._id_259594310.html

  • Kann mir mal jemand verraten, was außer der Formulierung "Die Grünen finden das unnötig" gegen eine Gesetzesänderung spricht. Wenn das im Gesetz steht, was verabredet wurde - wo ist dann das Problem.

    • @Al Dente:

      Das Gesetz definiert die Leistungen, die Menschen erhalten, die Asyl in Deutschland beantragen. Wenn im Gesetz steht, dass die Auszahlung der Leistung durch eine 'Bezahlkarte' erfolgen soll, dann muss es im gesamten Bundesgebiet gemacht werden. Alle Bundesländer müssen dieses System dann einführen. Wenn es in Hinsicht auf Bargeld spezifiziert wird, dann gilt es Bundesweit. Keine Landesregierung kann es dann anders machen, das schränkt den Spielraum der Landespolitiker sehr stark ein. Und es gibt eine klare Linie aus Berlin vor. Hier steht ja schon, dass Bayern gar nicht vorneweg geht mit diesem System, die würden dann eben aus Berlin direkt in die Logik der Bezahlkarte eingepresst. Die Grünen in Schleswig Holstein müssten es dann mit der CDU auch umsetzen, es kommen dann Verwaltungsjuristen in der Innenbehörde in Kiel zusammen und arbeiten die praktischen Richtlinien aus, kein Politiker im Kieler Landtrag kann das dann diskutieren, keine Initiative hat einen Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Es ist ein sehr regides Vorgehen, denn die Länder setzten die Asylleistungen bisher ziemlich unterschiedlich um, hier gibt es mehr Betten im Zimmer, dort kleinere Zimmer, hier ist Beratung vorgesehen, hier keine Security etc. Es könnte der erste Schritt sein, bundeseinheitlich die Spielregeln für Asylleistungen festzulegen.

      • @Andreas_2020:

        Was spricht (grundsätzlich) gegen bundeseinheitliche Regeln? Die Leute kommen doch nach D und nicht nach NRW oder Bayern. Asyl etc. ist doch (formal-rechtlich) nicht Ländersache.

      • @Andreas_2020:

        „ Es könnte der erste Schritt sein, bundeseinheitlich die Spielregeln für Asylleistungen festzulegen.“



        Also wäre das doch dann gut, wenn es endlich einheitlich geregelt werden würde.



        Da stellt sich weiterhin die Frage, wo das Problem der Grünen ist? Außer das man halt dagegen ist…

        • @Walterismus:

          Grundsätzlich können bundeseinheitliche Vorgehensweise auch gut sein. Nur ist das Problem, dass der Zusammenhag von Bezahlkarten und dadurch sinkenden Asylanträgen gar nicht besteht. Und die Gefahr besteht auch, dass regionale Besonderheiten gar nicht berücksichtigt werden. Wenn zum Beispiel mehr Platz vorgesehen wäre, könnten Bremen, Hamburg und Berlin das gar nicht schaffen, weil sie die Immobilien gar nicht hinbekommen. Und im Falle der Bezahlkarte kann es eben sein, dass vor Ort mehr in Bar bezahlt werden muss als anderenorts.