Lehrer*innen streiken in Jordanien: Schulen leer, Straßen voll
Für Schüler*innen in Jordanien hat das neue Schuljahr noch nicht wirklich begonnen: Seit Wochen streiken ihre Lehrer*innen für 50 Prozent mehr Lohn.
Die Lehrer*innen argumentieren, die jetzt eingeforderte Gehaltserhöhung sei ihnen schon 2014 vom Parlament versprochen worden. Doch davon will die Regierung nichts wissen. „Die 50-Prozent-Erhöhung wurde von keiner Regierung in den vergangenen Jahren versprochen“, erklärte Jumana Ghunaimat, Staatsministerin für Medienangelegenheiten.
Der JTA gehören nach eigenen Angaben rund 140.000 Mitglieder an. Davon seien knapp zwei Drittel an öffentlichen Schulen beschäftigt, für die die nun geforderte Erhöhung relevant wäre. 100.000 Lehrer*innen beteiligen sich der JTA zufolge am Streik. Darüber hinaus gingen in den vergangenen Wochen tausende Menschen in verschiedenen Städten des Landes auf die Straßen, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen.
In den ergebnislosen Gesprächen vom Wochenende machte die Regierung zwar Angebote zur Verbesserung der Unterrichtsbedingungen und des Bildungssystems, die Gehaltserhöhung aber lehnte sie ab. Sie würde, argumentiert das Bildungsministerium, 112 Millionen Dinar (etwa 140 Millionen Euro) kosten. Für Shlash Alzyoud, JTA-Sprecher, ist das kein Argument: „Die Lehrer*innen sind der Überzeugung, dass es immense Ausgaben für viele Dinge gibt, die weniger wichtig sind als die jordanischen Lehrer“, sagt er gegenüber der taz.
Angst vor Unruhen
Die wirtschaftliche Situation in Jordanien ist angespannt, die Arbeitslosigkeit liegt bei 19 Prozent, bei den 20- bis 24-Jährigen sogar bei knapp 40 Prozent. Die Inflationsrate steigt und mit ihr steigen die Lebensmittelpreise und Wohnkosten. „Der Hauptgrund für die Forderung, die versprochene Gehaltserhöhung umzusetzen, ist die miserable wirtschaftliche Situation der Lehrer“, sagt Alzyoud, „seit 2013 gab es keine Gehaltserhöhung, aber in der gleichen Zeit stiegen die Preise mehrfach.“
Proteste wie die der Lehrer*innen sind für das jordanische Königreich nicht untypisch. Als „Single-Issue-Proteste“ bezeichnet sie Jordanien-Experte André Bank vom Giga Institut für Nahost-Studien in Hamburg. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass eine Interessengemeinschaft sich mit klar abgegrenzten Forderungen an die Regierung wendet. Aus Sorge vor einer ähnlichen Entwicklung wie etwa in Syrien schrecken viele Menschen vor einer breiten Mobilisierung und radikaleren Forderungen zurück – eine Angst, die von der Regierung auch gezielt geschürt und instrumentalisiert wird.
Streiks einzelner Berufsgruppen dagegen hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben: Taxifahrer protestierten Anfang des Jahres gegen die Konkurrenz von App-basierten Fahrdiensten wie Uber, Touristenführer in der Felsenstadt Petra streikten, da sie sich wiederholt physischen Angriffen ausgesetzt sahen.
„Das Frustrationspotenzial ist hoch, trotzdem übersetzt sich das nicht automatisch in eine soziale Bewegung“, erklärt Bank. Das liege unter anderem am Umgang mit Protesten. Die Regierung betreibe eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie: Auf der einen Seite werden Proteste eingeschränkt. So kam auch bei einer Demonstration von Lehrer*innen Anfang September zu Verhaftungen und zum Einsatz von Tränengas. Auf der anderen Seite werden wichtige Protestfiguren an die Regierung gebunden und Forderungen teilweise umgesetzt. Damit rechnet Bank auch im Falle des Lehrer*innen-Streiks: „Die Erfahrung in Jordanien lehrt, dass es zu einem Deal kommen wird.“
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