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Lauterbach stellt Initiative vorKnauserig gegen Long Covid

Eine Initiative des Gesundheitsministeriums soll Long-Covid-Patient*innen helfen. Im knappen Bundeshaushalt gibt es dafür allerdings nur wenig Geld.

Sind so leere Hände: Karl Lauterbach auf der Pressekonferenz über ·Long-Covid-Initiativen Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin, taz | Long Covid ist teuer: Allein 2021 haben die Spätfolgen von Covid-19-Infektionen in Deutschland Kosten in Höhe von 5,7 Milliarden Euro verursacht. Das geht aus einer neuen Studie des Frankfurter Gesundheitsökonomen Afschin Gandjour hervor. Rund 0,4 Prozent der Ar­beit­neh­me­r*in­nen könnte durch Long Covid teilweise oder ganz arbeitsunfähig werden.

Doch nicht nur die volkswirtschaftlichen Schäden sind hoch. Betroffene des sogenannten Post-Covid-Syndroms leiden teils unter heftigen Symptomen. Schätzungen zufolge entwickelt etwa je­de*r Zehnte nach einer überstandenen Corona-Infektion Long Covid, in Deutschland sollen es zwischen 1 und 2,5 Millionen Menschen sein. In einigen wenigen Fällen entwickelt sich Long Covid auch nach einer Impfung. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die neuroimmunologische Erkrankung ME/CFS entstehen, bundesweit sind etwa 500.000 Menschen betroffen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will bessere Versorgungsangebote für Betroffene schaffen. Am Mittwoch stellte er dazu die Initiative „Long Covid und ME/CFS“ vor. „Es besorgt mich, dass die Behandlungserfolge bislang so bescheiden sind, ich hätte mehr Fortschritt erwartet“, so Lauterbach. „Wir müssen uns der Lage stellen: Wir haben noch keine durchschlagenden Therapiekonzepte.“ Die Zahl der Betroffenen steige weiter, denn noch immer infizierten sich Menschen mit dem Virus.

Neues Portal soll informieren

Im April hatte Lauterbach 100 Millionen Euro für Long-Covid-Maßnahmen angekündigt. Wegen der Einsparungen im Bundeshaushalt ist für die Initiative jetzt deutlich weniger Geld eingeplant: Das Ministerium will vor allem in die Versorgungsforschung investieren, rund 40 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Lauterbach kritisierte, dass die Pharmaindus­trie bislang zu wenig an Behandlungen forsche.

Außerdem stellt das Ministerium ein Portal online, das Informationen vor allem für Betroffene und behandelnde Ärz­t*in­nen bietet. Ärz­t*in­nen sollen sich dort über den aktuellen Wissensstand erkundigen können. Häufig würden Symptome fälschlicherweise als psychosomatisch eingeordnet.

Im Herbst will das Ministerium zu einem runden Tisch laden, bei dem Betroffene, Selbsthilfegruppen sowie Forschende und Behandelnde sich austauschen können.

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7 Kommentare

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  • Die Zahl neuer Fälle dürfte mit Glück überschaubar bleiben und viele Fälle dürften in der psychischen Behandlung und Betreuung mit abgedeckt werden. So what!

    • @insLot:

      Es sind bereits mehrere 100'000 Menschen erkrankt. Long Covid und ME/CFS sind keine seltenen Krankheiten. ME/CFS ist etwa so häufig wie MS und HIV/Aids. Dort wird das 50 bis 100fache an Ressourcen in Forschung und Versorgung gepumpt. Das ist ungerecht.

      Sie können ME/CFS nicht psychiatrisch behandeln, denn es ist keine psychiatrische Erkrankung. Es gibt bloss einige wenige Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die sich gut mit der Erkrankung auskennen und daher Betroffene unterstützen können, mit ihrer schweren körperlichen Erkrankung und der katastrophalen medizinischen Versorgungssituation klarzukommen und zu lernen, sich selbst medizinisch zu betreuen. Die wenigen Spezialsprechstunden sind nämlich völlig überlaufen.

  • Was neu Betroffene unbedingt brauchen, ist, die Info, dass sie bereits nur bei Verdacht auf Long Covid und ME/CFS ein diszipliniertes Energiemanagement mit dem Leitfaden zur Vermeidung von post-exertioneller Malaise erlernen sollen. So können sich nämlich nachweislich bis zu 80% der Betroffenen zunächst stabilisieren und mittel- und langfristig ihren Zustand verbessern und manchmal auch wieder ganz gesund werden.

    Diese Info findet sich noch nicht einmal unter dem ausführlichen Text zu ME/CFS auf der neuen teuren Website gesund.bund

    Als Betroffene freue ich mich über die 40 Mio. für die Forschung und bete, dass die Ärzte rasch verstehen, dass ME/CFS eine so schwere Erkrankung ist, dass man auch schon nur mit Stabilisierung ohne Therapie alles gewonnen hat.

  • Das Chronic Fatigue Syndrom ist häufig psychosoamtisch bedingt. Wenn Immunologen der Ansicht sind, dass das bei Post-Covid anders sei, dann sollen sie den Beweis liefern (auffällig Laborparameter). Bislang wurde dieser Beweis nicht erbracht.

    • @Pi-circle:

      Das ist eine Hypothese aus den 1970ern, für die nie weitere bestätigende Erkenntnisse gefunden wurden. Diese falschen Vorstellungen haben aber verhindert, dass gute Forschung gemacht werden konnte. Bis sich die Betroffenen ab den 1990ern im Internet zu organisieren begannen und selbst Organisationen zur Förderung der Forschung gründeten.

      Sie haben es offenbar verpasst, dass nun erste Durchbrüche gelungen sind. Bereits 2020 konnten führende Forscher, darunter Bupesh Prusty aus Würzburg zeigen, dass etwas im Serum von ME/CFS-Erkrankten die Mitochondrien schädigt. Der Beweis, dass es sich um eine somatische Erkrankung handelt, wurde also bereits erbracht.

      Ausserdem wurde vor wenigen Wochen zum ersten Mal ein Biomarker zur weiteren Beforschung vorgeschlagen. Es sind hervorragende Wissenschaftlerinnen und Ärzte aus Yale, Ohio State, Oslo ect. ect. nun am Entschlüsseln der Erkrankung.

      Machen Sie sich doch mal über den aktuellen Forschungsstand schlau, anstatt hier weiterhin diese alten Kamellen zu verbreiten.

  • Wie sagte unser Spahn dich zuletzt, "wir werden uns viel entschuldigen müssen" oder so ähnlich. Wenn`s dabei nur um Geld ginge, halb so schlimm. Bei Gesundheit greift eine Entschuldigung in bestimmten Zusammenhängen nicht mehr.

  • Tja, wer sich auf Haftungsübernahmen durch den Staat verlässt ist eben verlassen. Die Pharmas sind den Verträgen nach fein raus. Wer wohl in Zukunft im Aufsichtsrat von biontec sitzen wird? Der ganze Zusammenhang liegt wohl ähnlich wie das Millionengrab unseres CSU-Triumphirates Dobrint-Scheuer-Seehofer.