Lateinamerika und Syrien: Assads Freunde
Die USA und „der Zionismus“ stecken hinter der Vertreibung Assads aus Syrien, sagt Venezuelas Propagandaministerium. Aus Kolumbien klingt es ähnlich.
D ie Achse des Widerstands bleibt stabil. Wenn man in den vergangenen Tagen die Website des venezolanischen Senders Telesur besuchte, begegnete einem gleich zum Einstieg das übergroße Konterfei von Ajatollah Chamenei. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass das, was in Syrien passiert, das Ergebnis eines gemeinsamen Plans der USA und des Zionismus ist“, zitiert das Propagandamedium der Regierung Venezuelas den iranischen Religionsführer. Warum die „von Israel und den USA unterstützten terroristischen Gruppen“ den „demokratisch gewählten Präsidenten“ Baschar al-Assad gestürzt haben, erklärt dann das Telesur-Magazin „El Mapa“.
Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro bedauerte die „schmerzhaften Umstände für das syrische Volk“ und warnte die „extremistischen Faschisten“ in seinem Land, einen Bürgerkrieg gegen das Volk anzuzetteln. Wer genau das Volk ist, von dem er spricht, hat er nicht erläutert.
Die Sympathien der venezolanischen Bevölkerung ihm gegenüber dürften sich in ähnlichen Grenzen halten wie die der syrischen gegenüber Assad. Beide Länder verbindet, dass sie ganz oben stehen auf der Liste der Staaten, aus denen am meisten Menschen weltweit geflüchtet sind. Die Zehntausende, die in den Kerkern Assads gestorben sind, dürfte Maduro auch nicht gemeint haben.
Sei's drum. Auch das kubanische Regime will das Volk verteidigen. So drückte Außenminister Bruno Rodríguez kurz vor dem Fall Assads „Kubas Solidarität mit dem Volk und der Regierung Syriens angesichts der terroristischen Attacken“ aus. Darüber hinaus zeigte sich Havanna, ebenso wie die autoritäre Regierung Nicaraguas, zurückhaltend. Die nationale Souveränität des Landes müsse respektiert werden, erklärten sie.
Über ähnliche Forderungen wegen der jahrelangen russischen Bombardements oder der militärischen Unterstützung Teherans des Terrors gegen Syriens Bevölkerung ist nichts überliefert.
Die Furcht, Verbündete zu verlieren
Der Sturz Assads könnte für diese Latino-Regierungen schwerwiegende Konsequenzen haben. Iran, einer der engsten ideologischen Verbündeten und wirtschaftlicher Partner, ist geschwächt. Und wie der kolumbianische Staatschef Gustavo Petro besorgt anmerkt, hat Russland gezeigt, dass es derzeit schnell mal einen Alliierten fallen lassen muss. Man könnte also die Reaktionen aus Havanna und Caracas als antiimperialistischen Klimbim abhaken, um sich der Solidarität der Partner im Kampf gegen das US-Imperium zu vergewissern. Nichts Neues, der Weltlage geschuldet.
Ganz ohne Not erklärt dagegen die mexikanische linke Tageszeitung La Jornada im Editorial der Redaktion, der Fall des syrischen Regimes sei nach dem „sogenannten Arabischen Frühling“ eine weitere Episode der USA, um die Region zu destabilisieren. Auch das folgt der Logik, dass nur das Recht auf ein menschenwürdiges Leben hat, wer ins manichäische Weltbild passt. Für viele traditionelle Antiimperialisten stand der Krieg in Syrien schon immer – jede Evidenz und Komplexität ignorierend – in einer Reihe mit den US-Interventionen in Afghanistan und dem Irak.
Dekolonial verbrämt schließt sich auch der puertoricanische Soziologe Ramón Grosfoguel diesen Thesen an. „Das war eine Invasion, kombiniert mit einem imperialistischen/zionistischen/Nato-Putsch“, schreibt er auf dem mexikanischen journalistischen Portal Pie de Página. Eine Armee von 30.000 bis 50.000 „terroristischen Dienern“ hätte von den Imperialisten und Zionisten monatlich zwischen 1.000 und 2.000 US-Dollar erhalten. Woher er das weiß, schlüsselt Grosfoguel nicht auf.
Man könnte das einfach unter „Kurioses“ abhaken, wäre Grosfoguel nicht ein Protagonist der lateinamerikanischen dekolonialen Theorie, die dort durchaus Einfluss hat. Grosfoguels Thesen, etwa über „indigene Palästinenser“, die von der Kolonialmacht Israel vernichtet werden sollen, werden in linken Kreisen gern aufgegriffen. Auch seine Bezeichnung „Hitlerismus“ für den Zionismus dürfte bei nicht wenigen gut ankommen. Nun bedauert er, dass „die Ereignisse in Syrien eine brutale Niederlage für die Achse des Widerstands sind, die für die Befreiung der Völker große Lektionen aufgeben“. Welche Völker denn nun? Und welche Befreiung?
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