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Landtagswahlen Sachsen und ThüringenVon null auf Regierung?

Das BSW von Sahra Wagenknecht zieht in die Landtage ein. Und nun auch in die Landesregierungen? Das entscheidet nicht allein die Parteigründerin.

Katja Wolf (2. von rechts) mit Sahra Wagenknecht auf der Wahlparty der BSW Foto: Christian Mang/reuters

Erfurt/Dresden taz | Es sind sehr gute Ergebnisse für eine Partei, die es vor acht Monaten noch nicht gab. 12 Prozent sind es nach Hochrechnungen in Sachsen und 15 Prozent in Thüringen. Kein Wunder, dass am Sonntagabend BSW-Politiker das Wort „historisch“ benutzten. Einen so steilen politischen Aufstieg hat es selten gegeben. Noch nie gab es in der Bundesrepublik eine erfolgreiche populistische Partei, die sozial moderat linke mit migrationspolitisch rechten und wirtschaftsliberalen Elementen mixt. Neu ist auch, dass eine Partei mit so wenigen Mitgliedern die politische Landschaft umpflügt: in Sachsen und Thüringen jeweils weniger als 100.

Auf der Wahlparty des BSW im Erfurter Dompalais ist der Andrang groß. Von einem „historischen Ergebnis“ sprach Landeschefin Katja Wolf, nachdem sie bei den ersten Zahlen aber eher verhalten geklatscht hatte. Die Partei liegt deutlicher hinter der CDU (24 Prozent) als erhofft. Ob es für eine Koalition reicht, ist unklar – selbst mit der SPD, die sich bereits als dritte Partnerin angeboten hatte.

Den Anspruch, mitzuregieren, stützt offiziell auch Parteichefin Sahra Wagenknecht, die zur Wahlparty nach Erfurt angereist ist. Als Namensgeberin liegt die Zustimmung zu großen Teilen an ihr. In den vergangenen Wochen tourte die gebürtige Jenaerin von Marktplatz zu Dom­platz und schimpfte über die Bundesregierung und die Unterstützung der Ukraine.

„Natürlich ist das eine große Verantwortung für uns“, sagte Sahra Wagenknecht bei der Wahlparty des BSW. „In Sachsen und Thüringen wollen die Menschen kein weiter so. Aber vor allem wollten sie eine neue Bundesregierung“, sagte Wagenknecht. „Wie die Ampelparteien abgeschmiert sind“ – es klingt höhnisch. Das BSW sei nun ein Faktor, der die Politik verändern könne und wolle.

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Dass es dazu in Thüringen kommt, dafür soll Katja Wolf sorgen. Die Ex-Linke und Ex-Oberbürgermeisterin von Eisenach gilt als pragmatisch. Ihren Parteiwechsel hatte sie damit begründet, einen Ministerpräsidenten Björn Höcke verhindern zu wollen. Dafür könnte sie nun mit der CDU unter Landeschef Mario Voigt koalieren. Allerdings kritisierte der zuletzt, dass sich Sahra Wagenknecht in die Koalitionsverhandlungen einmischen wolle. Die hatte angekündigt, das BSW könne nur mit jenen koalieren, die sich gegen die Stationierung von US-Raketen aussprechen. Wagenknecht zielt damit bereits auf die Bundestagswahlen.

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Die nächsten Tage werden zeigen, wie groß ihr Einfluss auf den Landesverband ist. Das BSW würde es ohne die Namensgeberin nicht geben. Aber ernst wurde das Projekt in Thüringen erst, als Wolf ihren Übertritt verkündete. Der Erfolg hat damit zwei Mütter. Nach der Wahl könnte das spannungsreich werden.

Sachsen: Koalition mit der Staatspartei?

Im Hotel Penck in Dresden unweit des Landtags ist die Stimmung glänzend. Vier Zahlen werden von dem ungefähr 100 BSW-Mitgliedern und -Fans bejubelt. Die FDP in Thüringen bei 1,3 Prozent, das eigene Ergebnis in Thüringen und Sachsen. Und, ganz demokraiefreundlich, die gestiegene Wahlbeteiligung in Sachsen, auf 73,5 Prozent. Als Jörg Schönenborn sagt, dass in Erfurt keine Regierung ohne das BSW möglich ist, brandet Applaus auf.

Ob es dieses Szenario auch in Sachsen geben wird oder ob auch CDU, SPD, Grüne weiterregieren könnten ist zunächst noch unklar. Jörg Scheibe, Landesvorsitzender, braungebrannt mit rotem Schlips, sagt schon mal, man werde nicht „Steigbügelhalter für den Ministerpräsidenten sein“. Seine Co-Vorsitzende Sabine Zimmermann verspricht: „Mit uns wird es einen Neustart geben.“ Und: „Wir werden nicht der Mehrheitsbeschaffer sein.“ Die Angst als Newcomer von der CDU, die seit 34 Jahren regiert, über den Tisch gezogen zu werden, ist nachvollziehbar. In der neuen ungefähr 15-köpfigen Fraktion werden nur drei sein, die schon mal ein Parlament von innen gesehen haben.

Das organisatorische Gerüst von BSW besteht auch hier aus Ex-Linkspartei-GenossInnen. Die Parteichefin Sabine Zimmermann war lange im Bundestag und nutzte das BSW, um ihre Karriere wiederzubeleben. Doch in den neuen BSW-Fraktionen sitzen auch politische Neulinge wie Zimmermanns Co-Vorsitzender Jörg Scheibe: Dem Unternehmer sagt man nach, dass er beim Job des Wirtschaftsministers nicht Nein sagen würde, Zimmermann steht Parteichefin Sahra Wagenknecht nahe. Und die hat in Sachen Waffen für die Ukraine und US-Raketen die Latte mit nicht gerade landestypischen Themen hoch gelegt.

Rhetorisch aber achten die beiden ChefInnen an diesem Abend darauf, dass keine Löschblatt zwischen sie passt. Die Lage wird, gerade wenn es keine Mehrheit für CDU, SPD, Grüne geben sollte, noch schwierig genug. Christian Leye, BSW-Generalsekretär und eng bei der Parteichefin, sagt: Man sei bereit, „Verantwortung zu übernehmen, aber nicht um jeden Preis.“ Und den Preis nennt er im Nachsatz auch gleich: „ein Zeichen für den Frieden.“ Es wird kompliziert.

Dieser Text wird im Laufe des Abends aktualisiert.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • In Sachsen dürfte es wohl ein Bündnis CDU-BSW-SPD geben. Aber in Thüringen? Da reicht es ja nicht. Da ginge nur CDU-BSW-Linke. Das BSW wäre dann sozusagen die zentristische Kraft, CDU und Linke dagegen die "Flügel".

    Die CDU hat das ausgeschlossen. Das kann sie zwar revidieren. Aber ob dieses sehr heterogene Bündnis dann stabil wäre und nicht beim ersten Landeshaushalt zerfiele, zur Freude der AfD?

    Landespolitisch sind CDU und AfD sich doch vermutlich recht nahe. Ob es nicht doch das Beste für die Demokratie wäre, die Konservativen und die Rechten gingen zusammen, natürlich nach einem Rückzug von Höcke aus der Thüringer Landespolitik?

  • Das BSW ist am Ende dann mehr als Sahra Wagenknecht, aber der Personenkult dieser Gruppe gibt mir zu denken.



    Ansonsten würde ich sagen, besser eine Partei, die für soziale Gerechtigkeit eintritt und Gewerkschaften nicht ablehnt, keinen Neoliberalismus will und grundsätzlich für Frieden eintritt.



    Pragmatisch ist BSW auch, sie sind bereit, unter nicht besonders guten Vorzeichen in die Regierung zu gehen und dort direkt Verantwortung zu übernehmen. Das ist irgendwie erfrischend, ob es der Partei am Ende gut tun wird? Da habe ich ein dickes Fragezeichen.

    • @Andreas_2020:

      Ich will keine "italienischen" oder "österreichischen" Personenparteien.

      Klar ist Wagenknechts Trupp zumindest sozial viel weiter als Union oder ADis. Aber die Ukraine zur Unterwerfung treiben zu wollen, ist nicht Frieden, sondern Appeasement auf Kosten Dritter.



      Fehlende innerliche und Erfahrungs-Reife hat schon zweimal die FDP in der Regierung zum Drama werden lassen. Das dürfte beim BSW leider kaum anders sein.

    • @Andreas_2020:

      Das BSW tritt nicht für Frieden, sondern für den Erfolg des putinschen Angriffskrieges ein.



      -Der Versuch in orwellscher Manier Begriffe zu pervertieren ist allzu plump und durchsichtig !

  • In Analogie zum Fußball, auch bezüglich der Mitgliederzahlen, fällt mir der Begriff "Retortenpartei"* ein.



    Spielt aber bereits munter bei den Profis vorne mit, da bekommt dann jede(r) einen Posten.



    *Gab's schon mal am anderen Ende des Spektrums in Österreich

  • Ein "Zeichen für den Frieden" ist aber auch wirklich zu viel verlangt.

    • @derstefan:

      Seit wann ist das Land Thüringen dafür zuständig?



      Reine Sollbruchstelle, weil BSW kein Personal hat.

      Ein Zeichen für den Frieden könnte es im Übrigen sein, der Ukraine zu helfen, zumindest den Status Quo 2020 wiederzuerlangen, das wäre eine der Möglichkeiten eines gesichtswahrenden Friedens für alle. Siehe Korea.

  • Man kann es nicht schön reden: neben der AfD ist das BSW in beiden Bundesländern der eigentliche Wahlsieger … auch wenn man in der CDU so tut, als hätte man einen Riesenerfolg eingefahren, bald auch in Thüringen zu regieren.



    Denn wie es aussieht, ist eine Koalitionsbildung in beiden Ländern nicht ohne das BSW möglich. Darum sollten wir uns jetzt schon darauf fokussieren, welche Chancen und Risiken eine Regierungsbeteiligung der Wagenknecht-Truppe birgt. Wird sich das Mitregieren des BSW als Bremse oder als Treiber zukünftiger AfD-Erfolge im Osten erweisen?



    Das ist ungewiss, ebenso wie Prognosen, in welche Richtung sich das BSW in dieser Situation entwickeln wird. Es soll dort ja auch pragmatisch orientierte Leute geben, die - im Gegensatz zu Wagenknecht selbst - die tatsächlich Interesse an Landespolitik haben. Oder Traditionslinke, die abspringen, weil sie Wagenknechts zunehmendes Blinken nach Rechts nicht mitmachen wollen.



    Sollte das BSW aus diesen Gründen binnen einer Legislaturperiode wieder zerfallen, wäre ich nicht traurig drum. Ich fürchte nur, die AfD dagegen wird uns noch langfristig erhalten bleiben, leider.

  • Wir erinnern uns, wie Westerwelles FDP und Lindners FDP nicht regieren konnten, u.a. weil kaum jemand Erfahrung hatte.



    Sie sollten Oskar Lafontaine für den Beginn ausgraben.

  • Frau Wagenknecht hatte bei Gründung ihrer Partei behauptet, dadurch AFD-Wähler zu gewinnen. Hat ja super funktioniert.

    • @Ignaz Wrobel:

      Auf jeden Fall in Sachsen. Und auch in Thüringen wäre Die Linke auch ohne BSW abgestürzt. Wie gut, dass es das BSW gibt.