Landtagswahlen Sachsen und Thüringen: Von null auf Regierung?
Das BSW von Sahra Wagenknecht zieht in die Landtage ein. Und nun auch in die Landesregierungen? Das entscheidet nicht allein die Parteigründerin.
Auf der Wahlparty des BSW im Erfurter Dompalais ist der Andrang groß. Von einem „historischen Ergebnis“ sprach Landeschefin Katja Wolf, nachdem sie bei den ersten Zahlen aber eher verhalten geklatscht hatte. Die Partei liegt deutlicher hinter der CDU (24 Prozent) als erhofft. Ob es für eine Koalition reicht, ist unklar – selbst mit der SPD, die sich bereits als dritte Partnerin angeboten hatte.
Den Anspruch, mitzuregieren, stützt offiziell auch Parteichefin Sahra Wagenknecht, die zur Wahlparty nach Erfurt angereist ist. Als Namensgeberin liegt die Zustimmung zu großen Teilen an ihr. In den vergangenen Wochen tourte die gebürtige Jenaerin von Marktplatz zu Domplatz und schimpfte über die Bundesregierung und die Unterstützung der Ukraine.
„Natürlich ist das eine große Verantwortung für uns“, sagte Sahra Wagenknecht bei der Wahlparty des BSW. „In Sachsen und Thüringen wollen die Menschen kein weiter so. Aber vor allem wollten sie eine neue Bundesregierung“, sagte Wagenknecht. „Wie die Ampelparteien abgeschmiert sind“ – es klingt höhnisch. Das BSW sei nun ein Faktor, der die Politik verändern könne und wolle.
Empfohlener externer Inhalt
Dass es dazu in Thüringen kommt, dafür soll Katja Wolf sorgen. Die Ex-Linke und Ex-Oberbürgermeisterin von Eisenach gilt als pragmatisch. Ihren Parteiwechsel hatte sie damit begründet, einen Ministerpräsidenten Björn Höcke verhindern zu wollen. Dafür könnte sie nun mit der CDU unter Landeschef Mario Voigt koalieren. Allerdings kritisierte der zuletzt, dass sich Sahra Wagenknecht in die Koalitionsverhandlungen einmischen wolle. Die hatte angekündigt, das BSW könne nur mit jenen koalieren, die sich gegen die Stationierung von US-Raketen aussprechen. Wagenknecht zielt damit bereits auf die Bundestagswahlen.
Empfohlener externer Inhalt
Die nächsten Tage werden zeigen, wie groß ihr Einfluss auf den Landesverband ist. Das BSW würde es ohne die Namensgeberin nicht geben. Aber ernst wurde das Projekt in Thüringen erst, als Wolf ihren Übertritt verkündete. Der Erfolg hat damit zwei Mütter. Nach der Wahl könnte das spannungsreich werden.
Sachsen: Koalition mit der Staatspartei?
Im Hotel Penck in Dresden unweit des Landtags ist die Stimmung glänzend. Vier Zahlen werden von dem ungefähr 100 BSW-Mitgliedern und -Fans bejubelt. Die FDP in Thüringen bei 1,3 Prozent, das eigene Ergebnis in Thüringen und Sachsen. Und, ganz demokraiefreundlich, die gestiegene Wahlbeteiligung in Sachsen, auf 73,5 Prozent. Als Jörg Schönenborn sagt, dass in Erfurt keine Regierung ohne das BSW möglich ist, brandet Applaus auf.
Ob es dieses Szenario auch in Sachsen geben wird oder ob auch CDU, SPD, Grüne weiterregieren könnten ist zunächst noch unklar. Jörg Scheibe, Landesvorsitzender, braungebrannt mit rotem Schlips, sagt schon mal, man werde nicht „Steigbügelhalter für den Ministerpräsidenten sein“. Seine Co-Vorsitzende Sabine Zimmermann verspricht: „Mit uns wird es einen Neustart geben.“ Und: „Wir werden nicht der Mehrheitsbeschaffer sein.“ Die Angst als Newcomer von der CDU, die seit 34 Jahren regiert, über den Tisch gezogen zu werden, ist nachvollziehbar. In der neuen ungefähr 15-köpfigen Fraktion werden nur drei sein, die schon mal ein Parlament von innen gesehen haben.
Das organisatorische Gerüst von BSW besteht auch hier aus Ex-Linkspartei-GenossInnen. Die Parteichefin Sabine Zimmermann war lange im Bundestag und nutzte das BSW, um ihre Karriere wiederzubeleben. Doch in den neuen BSW-Fraktionen sitzen auch politische Neulinge wie Zimmermanns Co-Vorsitzender Jörg Scheibe: Dem Unternehmer sagt man nach, dass er beim Job des Wirtschaftsministers nicht Nein sagen würde, Zimmermann steht Parteichefin Sahra Wagenknecht nahe. Und die hat in Sachen Waffen für die Ukraine und US-Raketen die Latte mit nicht gerade landestypischen Themen hoch gelegt.
Rhetorisch aber achten die beiden ChefInnen an diesem Abend darauf, dass keine Löschblatt zwischen sie passt. Die Lage wird, gerade wenn es keine Mehrheit für CDU, SPD, Grüne geben sollte, noch schwierig genug. Christian Leye, BSW-Generalsekretär und eng bei der Parteichefin, sagt: Man sei bereit, „Verantwortung zu übernehmen, aber nicht um jeden Preis.“ Und den Preis nennt er im Nachsatz auch gleich: „ein Zeichen für den Frieden.“ Es wird kompliziert.
Dieser Text wird im Laufe des Abends aktualisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“