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Landtagswahl Baden-WürttembergMehr Klima, wenig Soziales

Kretschmann macht's nochmal mit der CDU. Das könnte gut für die Klimapolitik sein. Gesellschaftspolitisch wird sich nur wenig bewegen.

Machtzuwachs nach der Landtagswahl: BaWüs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann Foto: dpa

Karlsruhe taz | „Das Neue ist das Alte“, hat Winfried Kretschmann schon im Herbst 2019 gesagt, als er sich bereit erklärt hatte, für eine dritte Amtszeit ins Rennen zu gehen. Damit meinte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg die alten Forderungen der Grünen zu Klima- und Artenschutz, die er nun endlich durchsetzen wolle. Dass er damit auch die Regierungskonstellation meinte, war damals nicht direkt abzusehen.

Doch nach dem beeindruckenden Sieg bei der Landtagswahl 2021, durch den die Grünen den Koalitionspartner frei wählen können, ist es nicht ganz überraschend, dass sich der bekennende grüne Konservative nun für die CDU entschieden hat.

Nach mehreren Verhandlungsmarathons, nicht mit den potenziellen Koalitionspartnern, sondern mit den eigenen Leuten, konnte Kretschmann dies noch einmal durchsetzen, wenn auch mit gewaltigem Zähneknirschen der Parteiführung. Bereits am Mittwoch brauchte Kretschmann eine elfstündige Sitzung, um sein Sondierungsteam, das aus den beiden Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand sowie dem Fraktionschef Andreas Schwarz bestand, von einer Koalition mit der CDU zu überzeugen.

In einer Koalition mit der Union sieht Kretschmann mehr Stabilität in der Pandemie. Zudem hofft er, mit Hilfe der CDU, die immer noch tief in den Regionen verankert ist, mehr Akzeptanz für klimapolitische Veränderungen zu erhalten.

Jüngere bevorzugen die Ampel

Außerdem hatte Kretschmann schon in der Fraktionssitzung am Montag gesagt, dass er größere Probleme mit der FDP als Koalitionspartner habe. Tatsächlich hat sich die Partei im Wahlkampf mit harscher Kritik an den Corona-Maßnahmen profiliert. Und Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hat sich über weite Strecken der Legislatur als kalter Kritiker grüner Politik gegeben. Kretschmann selbst hat immer wieder gesagt, dass der persönliche Kontakt mit Rülke schwierig sei.

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Diesen Argumenten mochten sich dennoch zu wenige Mitglieder des Parteivorstands anschließen. Viele Vorstände haben nur wenig Kontakt zur Regierungsarbeit, und sie wurden erst spät in die Diskussion um die Regierungsbildung eingebunden. Unter den Vorständen sind seit dem letzten Parteitag viele junge Mitglieder, die in der Ampelkoalition ein Zukunftsbündnis sehen, das auch gesellschaftspolitische Akzente setzt. Deshalb verweigerten sie Kretschmann am Mittwoch früh zunächst die Gefolgschaft.

Das brachte den von der Partei so schön choreografierten Zeitplan ins Rutschen. Denn am Mittag sollte es ein letztes Sondierungstreffen mit dem potenziellen Koalitionspartner geben mit anschließendem gemeinsamen Statement. Daraus wurde nichts. Erst eine weitere Vorstandssitzung, bei der wohl auch die Sorge im Raum stand, dass Kretschmann seinen Rückzug anbieten könnte, brachte die Vorstandsmitglieder auf Linie.

Neues Machtgefälle

Wenn die Koalitionsverhandlungen nicht scheitern, ist die neue Koalition die Alte. Allerdings in einem neu austarierten Machtgefälle. War in der letzten Legislatur von einer Komplementärkoalition die Rede, bei der beide Partner ihre Themen einbringen, so ist nach der vergangenen Wahl, bei der die CDU eine historische Niederlage erlitten hat, ziemlich klar, wer Koch und wer Kellner ist.

Die CDU dürfte also Ministerien verlieren. Und die Grünen legen, so ist zu hören, ihren Partner auf eine strikte Klimapolitik fest. Die CDU müsse sich zu Solarpflicht auf allen Neubauten in Baden-Württemberg und einem Klimavorbehalt für alle größeren Vorhaben schriftlich verpflichten. Andernfalls haben die Grünen jetzt das Drohszenario eines Koalitionswechsels in der Hinterhand.

Wenn die Grünen die CDU auf Kurs halten, könnte Kretschmanns dritte Amtszeit Baden-Württemberg zur klimapolitischen Musterregion machen. Für gesellschaftspolitische Vorhaben wie weitere Schulreformen oder eine innovative Wohnungsbaupolitik muss man dagegen eher schwarz sehen.

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25 Kommentare

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  • Winfried Kretschmann, ein CDU-Mann der aus Versehen bei den Grünen gelandet ist. Mit solchen "Grünen" wird sich in diesem Land nie etwas ändern.

    Was man von Kretschmann in den nächsten Jahren erwarten kann, darüber hat sich ja schon die Kabarettsendung "Die Anstalt" in *Klimagipfel mit Winfried Kretschmann | Die Anstalt* geäußert. www.youtube.com/watch?v=yu7hD2z530I

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Eventuell hat dies ja doch etwas mit sozialer Sicherheit zu tun. Die Arbeitslosenzahlen sind ein ziemlich sicherer Indikator wer an die Macht kommt. Es gibt einen Break Point, Anden die Sache kippt, der liegt bei ca 6-7%. Darüber regieren die Sozen ( Berlin , Brandenburg) darunter die Grünen mit den Christdemokraten ab und an mit Sozialdemokraten. Ich erinnere mich noch an die Amigo- Affäre, damals hatte Bayern 2,2% Arbeitslosenquote und Berlin über 10 % . Lieber Amigo und 2,2% als Gerechter und 10%. Es muss nur die Arbeitslosenquote in Baden- Württemberg und Bayern steigen, dann wird das auch was mit dem Parteienwechsel. Der Weg dazu ist die Eindämmung der Korruption und die Abschaffung der Automobilindustrie, allerdings bedeutet dies dann auch eine Zunahme der AfD- Wähler, die dann vermutlich mit den Freien Wählern und der CDU die nächste Regierung bilden.

  • Die grüne Jugend ist schon jetzt total sauer (siehe DLF-Interview heute), und zwar zu Recht.



    Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Da bereichern sich gleich eine ganze Reihe von Abgeordneten von CDU und CSU massiv an einem tödlichen Virus, das bisher 77 Tausend Menschenleben gekostet hat, und Kretschmann rollt dieser Partei und der CSU auch noch den Teppich aus.



    Ein Watergate, schwarze Koffer fallen in diesem Land gar nicht mehr auf, so sehr sind bei uns die Sitten verroht.



    Und die Vorsitzenden der Bündnisgrünen in Berlin, auf die jeder im September setzen möchte, der die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels kapiert hat, lassen Kretschi machen.



    Dieser Mangel an Autorität und Integrität bei den Grünen, schon im Dannenröder Forst beobachtet, deprimiert mich. Die FDP wäre bei einer Ampel nicht so stark, um SPD und Grünen viel entgegenzusetzen. Junge Menschen sind schon jetzt ziemlich abgetörnt.

  • So sehr ich verstehen kann, dass man die Baden-Württembergische CDU ablehnt:

    Aber haben die Ampel-Befürworter denn alle schon vergessen, wie sehr die SPD in den ersten vier Jahren Rot-Grün alles ausgebremst hat? Wie ein "Wir haben Benzin im Blut"-Schmid agiert hat? Eigene Akzente setzen nannten die dieses Verhinderungspiel.

    Mit der SPD gäbe es vielleicht sozialpolitisch mehr zu heben. Aber in die Rechnung muss auch noch die FDP mit rein. Und dass man mit der Baden-Württembergischen FDP irgendwas positives zu erreichen können glaubt, ist mir ein Rätsel. Rülke zuhören und alle Hoffnung fahren lassen.

    Klimapolitisch sind alle drei bisher nicht als fortschrittlich in Erscheinung getreten. Aber damit, sich zwei Partner ins Boot zu holen, die "Akzente setzen" müssen, wird es sicher nicht leichter, das nachzuholen.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Merkwürdig - im Wahlkampf hieß es noch, das der mangelnde Ausbau der Windkraft vor allem der CDU zu "verdanken" sei.



    Nun soll plötzlich die CDU der Garant für den Ausbau der Erneuerbaren sein?

    Andererseits: Jeder, der etwas anderes von Hrn Kretschmann erwartet hatte, hat wohl auch die deutlichen Zeichen an der Wand bewußt ignoriert. Das gilt auch für viele Wähler aus dem FFF Umfeld.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Schon vor Wochen habe ich meinen Freunden von der SPD prophezeit: der Kretschmann macht sich noch ein paar lockere Jahre mit der CDU. Bei dem gehts um nichts mehr: außer im Rampenlicht zu stehen.

  • Klar doch, bisschen Grünenbashing muss sein. Die vor 10 Jahren gegen den erbitterten Widerstand der CDU eingeführte Gemeinschaftsschule ist ganz klar ein sozialpolitisches Projekt, mit dem einen Nachteil, dass bescheidene Gemüter das nicht erkennen. In Hamburg ist das Muster-Projekt der Grünen an den gut Verdienenden gescheitert und Ole von Beust hat sich vom Acker gemacht. Wohin? Natürlich in den Lobbyismus. Einziger Vorteil der CDU bei Grünschwarz. Sie kann nach Merkelart von Kretschmann marginalisiert werden. Charismatische Südwest-CDUler muss man mit der Lupe suchen. Strobl und Eisenmann sind gar nicht im Landtag. Strobl in der Regierung: Wenn das umgekehrt so wäre, also Schwarz 33%, Grün auf 24% abgefahren und der Grünenvorsitzende nicht im Parlament. Das Geschrei und Getrommel der Union, speziell vom CSU-Blume, wäre bis nach Alaska und Japan zu hören.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Sarg Kuss Möder:

      Zu tief Luft geholt:



      "Charismatische Südwest-CDUler muss man mit der Lupe suchen. Strobl und Eisenmann sind gar nicht im Landtag. Strobl in der Regierung: Wenn das umgekehrt so wäre, also Schwarz 33%, Grün auf 24% abgefahren und der Grünenvorsitzende nicht im Parlament. Das Geschrei und Getrommel der Union, speziell vom CSU-Blume, wäre bis nach Alaska und Japan zu hören."



      Und das sind Ihre Argumente für Grün-Schwarz. Was nur heißen kann: ich such mir die größten Pflaumen unter Gottes weit gespanntem Himmelsgewölbe um in Ruhe Daimler feiern zu können.



      Oh. Mein Gott.

      • @82286 (Profil gelöscht):

        Die SPD hatte die Chance in den ersten vier Jahren. Ich hab sie nur als "wir können Wirtschaft und Stuttgart 21" und umweltpolitische Bremser in Erinnerung. Daimler feiern konnten die doch auch vortrefflich.

        Ich sehe nicht, dass sich die Haltung innerhalb der SPD spürbar verändert hätte seitdem. Und damit auch die Hoffnung verloren, dass mit dieser SPD progressive Politik möglich wäre.

        Lockere Jahre werden das mit der CDU genausowenig wie sie es mit SPD und FDP geworden wären.

  • Grüne und Sozialpolitik war mal. Oder kann mir einer einen Rentenpolitiker der Grünen nennen? Oder ein Kämpfer für Sozialpolitik bei den Grünen? Es gibt keinen. Es ist ein Trauerspiel.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Taxi fahrer:

      "Grüne und Sozialpolitik war mal."



      Wann?

    • @Taxi fahrer:

      Gibt schonpaar soziale, aber sind entweder sehr jung und naiv oder aber von der alten Garde

    • @Taxi fahrer:

      Sven Lehmann und Anton Hofreiter zB. Sollte man eigentlich kennen, die beiden. Danke für nix.

  • "Das könnte gut für die Klimapolitik sein. Gesellschaftspolitisch wird sich nur wenig bewegen."



    Das liegt vielleicht daran, dass der Herr Kretschmann kapiert hat, dass Klimapolitik eine Menschheitsaufgabe ist, welche alle Fortschritte auf anderen Feldern zu Nichte machen kann. Also muss Klimaschutz first, Klimaschutz second und alles andere danach kommen....

    • @Kartöfellchen:

      Das ist nicht korrekt. An der Klimakrise ändert sich nichts durch ein paar Solaranlagen, Windkraftanlagen und Elektroautos. Es müssen grundlegende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen durchgesetzt werden, um überhaupt der Klimakrise begegnen zu können. Jedes Individuum muss in die Lage versetzt werden, umweltfreundlich agieren zu können. Dafür muss die Politik einen Rahmen schaffen und dazu gehört vor allem die Sozialpolitik und Bildungspolitik. Das ist mit der CDU aber nicht möglich, mit der SPD übrigens auch nicht.

      • @t-mos:

        Ich bleibe dabei: Das Wort "Klimaschutz" ist nichts weiter als eine lobbygesteuerte Verkürzung der wesentlich umfassenderen Begriffe Umweltschutz und Umweltpolitik. Und das Batterieauto ist nicht einmal per se umweltfreundlicher als Benziner mit Kat. Die Zukunft ist der Wasserstoffantrieb, der wirklich emissionsfreie Massenmobilität garantieren würde. Aus erneuerbaren Energieträgern! Und aktuell ist CO2 ein weit geringeres Problem als Müll und Dieselabgase. Die Grünen sind aktuell nicht innovativ, sondern betreiben Lobbypolitik ohne besondere Rücksicht auf Arbeitnehmer/innen.

      • @t-mos:

        Das ist aber mit 51% Grün, aber auch nicht möglich.

  • Einige Grüne hätten wohl gerne eine Ampelregierung als Anschauungsbeispiel für den Bund. Dann gäbe es auch einen grünen Kanzlerenden.



    Ich halte das für keine gute Idee wenn jemand mit Null bzw. minimaler Regierungserfahrung Kanzler wird.



    Wobei erfahrenen Politikern auch viel misslingt, aber da habe ich noch mehr Hoffnung.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Westried:

      "Ich halte das für keine gute Idee wenn jemand mit Null bzw. minimaler Regierungserfahrung Kanzler wird."



      Mit der Argumentation bin ich auch schon an die Wand gefahren. :-)

    • @Westried:

      Rein theoretisch könnte man ja jürgen Trittin zum Kanzlerkandidaten ernennen. Der hat erfahrung und tritt sehr staatsmännisch auf

      • @Karim Abidi:

        Wäre Trittin der grüne Kandidat, käme ich glatt in Versuchung, doch noch einmal grün zu wählen. Aber bei der zu erwartenden KandidatIn wohl eher nicht (mehr).

  • Dann hat sich die Stimmabgabe für die Klimaliste oder die ÖDP, statt für die Grünen, ja gelohnt:



    "Das könnte gut für die Klimapolitik sein. Gesellschaftspolitisch wird sich nur wenig bewegen."

    Nachdem es keine Mehrheit für grün-rot gab, hatte Kretschmann zwei Koalitionsalternativen, konnte dadurch in der Sondierung selbstbewusster verhandeln, und mit der CDU musste halt beim Klimaschutz etwas drinstehen, weil bei anderen Themen nicht viel läuft.

    • @meerwind7:

      meine Hoffnung ist halt, dass die Union den Preis bezahlt, merkt, dass sie ohne Klimapolitik baden geht und Kretschmann weit entgegen kommt. Und dass es dann Schwarz-Grün im Bund gibt....Wenn diese Koalition sich auf Klimaschutz einstellt, dann kann sie was reißen...

      • @Kartöfellchen:

        Ich bin gegen Schwarz-Grün im Bund. Und ich denke, dass die CDU hier einfach an der baden-württembergischen Regierung bleiben wollte, und dass in ein bis zwei Jahren die inhaltlichen Karten neu gemischt werden. Die Grünen müssen aufpassen, nicht zu Steigbügelhaltern für rechtskonservative Politik mit Diktaturambitionen zu werden. In Österreich ist das schon so weit- Baden-Württemberg ist wegen der Personalie Kretschmann noch(!) ein Sonderfall. Daher dort etwas mehr "Klima" derzeit. Aber kein wesentlicher Unterschied .

      • @Kartöfellchen:

        Dazu müsste die CDU sich aber eines bedeutenden Teils ihres Spitzenpersonals entledigen. Verkapptes oder ganz offenen Leugnen des Klimawandels (und anderer wissenschaftlicher Tatsachen wie der Evolution) ist bei dieser Partei so salonfähig wie bei FDP und AfD.

        lobbypedia.de/wiki..._Klima_und_Energie