Landkreisvertreter über Schulden: „Der Bund ist nicht zuständig“

Finanzminister Scholz will die Kommunen entschulden. Er solle lieber Geld für Infrastruktur freigeben, sagt Hans-Günter Henneke.

Straße mit leerstehenden Häusern

Wohngebiet mit leerstehenden Schrottimmobilien im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck Foto: imago/Rupert Oberhäuser

taz: Herr Henneke, Finanz­minister Olaf Scholz plant, rund 2.500 Kommunen mit Bundesmitteln zu entschulden. Sie sind dagegen. Warum?

Hans-Günter Henneke: Wir als Deutscher Landkreistag sind dafür, dass Maßnahmen für gleichwertige Lebensverhältnisse auf der Grundlage eigener Zuständigkeiten realisiert werden. Das bedeutet, der Bund muss Geld in die Hand nehmen, etwa für den Breitbandausbau, zur Strukturförderung und für ländliche Infrastrukturen. So hat es die vom Innenministerium federführend betreute Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse in diesem Jahr beschlossen, und genau das sollte jetzt umgesetzt werden.

Was ist dagegen zu sagen, dass Olaf Scholz klammen Kommunen helfen möchte?

Der Bundesfinanzminister hat im Kabinettsbeschluss vom 10. Juli festgehalten, dass er für die von der Kommission beschlossenen Vorhaben kein Geld gibt, sondern dass jedes Ressort Umschichtungen vornehmen soll. Umso überraschender, dass Olaf Scholz scheinbar doch Geld hat, und zwar um Kommunen zu entschulden.

Was sagen Sie Kommunen, die wegen Überschuldung Sportstätten schließen müssen und Angebote für ihre Bürger einstampfen?

Es geht doch nicht um Neidkomplexe oder „warme Kinderjacken“. Es geht um verschiedene Bedarfe. Es ist völlig abwegig, Bilder in die Welt zu setzen, die suggerieren: hier die Reichen auf dem Lande und da die armen Städter, die alle zehn Kilometer ein weltmeisterschaftstaugliches Fußballstadion haben, aber unter ihrer Schuldenlast darben. Der Bund ist außerdem für die Altschuldentilgung schlicht nicht zuständig.

In Städten und Regionen mit hohen Schulden leben laut Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) 10 Mil­lio­nen Menschen. Soll der Bund die hängen lassen?

Hängen gelassen haben die – vor allem westdeutschen – Kommunen die jeweiligen Länder. Schauen Sie nach NRW, wo der langjährige Finanzminister und heutige SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans die Kommunen in Kassenkredite gestürzt hat, aber selbst keinen verfassungsgemäßen Landeshaushalt zustande gebracht hat. Es kann nicht angehen, dass der eine Kandidat für den SPD-Vorsitz die Kommunen in die ­Schulden getrieben hat und der andere ihnen nun die Schulden erlassen möchte.

Jahrgang 1957, ist seit 2002 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages

Sie sehen als Hintergrund dieses Themas also die Machtkämpfe innerhalb der SPD?

Darüber steht mir kein Urteil zu. Aber es ist doch so: Es gibt zu diesem Thema keine Verlautbarung der Bundesregierung. Sondern permanent Äußerungen des Finanzministers. Jenes Ministers also, der alle anderen Ressorts kurz hält – nun aber eigenes Geld in die Hand nehmen möchte. Das ist ein Widerspruch.

Sie sprachen von Fußballstadien, ich nenne mal die geschlossenen Schwimmbäder. Diese Not in den Kommunen ist doch real.

Die Schulden sind da, das bestreitet niemand. Sollen sie beseitigt werden? Ja. Durch wen? Meine Antwort: Durch die Länder. Ich bin auch dafür, Schwimmbäder zu unterhalten, aber in einem vernünftigen Ausmaß. Allerdings darf das kein Tot­schlagargument sein. Es geht doch um die Grundversorgung großer Landstriche – und dazu gehört das Schwimmbad nicht. Gleichwertigkeit bedeutet, dass wir zuallererst in unsere Zukunft investieren, und das meint Breitbandnetz, 5G, Wirtschaft, Verkehr und Bildung. Da müssen wir priorisieren.

Der Plan: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will etwa 2.500 überschuldeten Kommunen einmalig die Schulden abnehmen. Dies soll gemeinsam mit den Ländern geschehen, „Ich stelle mir so etwas wie eine Stunde null dieser Kommunen vor“, sagte er.

Die Schulden: Betroffene Kommunen könnten „kaum noch handeln“, sagte Scholz. Ihre Altschulden bei den sogenannten Kassenkrediten bezifferte er auf etwa 40 Milliarden Euro. Betroffene Länder und Kommunen hoffen, dass der Bund davon bis zu 50 Prozent übernimmt. (afp)

Die Gleichwertigkeitskommission ist beim Innenministerium angesiedelt, das Geld beim Finanzministerium. Horst Seehofer und Olaf Scholz gehören verschiedenen Parteien an. Ist das der eigentliche Kern der Debatte?

Ich möchte nicht parteipolitisch argumentieren. Aber wenn man abgleicht, wer wofür zuständig ist: Frau Klöckner von der CDU für den ländlichen Bereich, für die Gesundheit Herr Spahn von der CDU, für Digitalisierung Herr Scheuer mit CSU-Parteibuch und Herr Altmaier, CDU. Das heißt: All den Ressorts, die Geld für das Land – nicht für Parteien – in die Hand nehmen müssten, sagt der Bundesfinanzminister: Das müsst ihr aus dem eigenen Haushalt erwirtschaften. Ich habe aber Geld für die Respektrente und für kommunale Altschulden. Das wundert dann doch.

Sie als Vertreter des Landkreistages sind gegen Olaf Scholz ’ Vorschlag, der Städtetag und der Städte- und Gemeindebund sind dafür. Wenn nicht mal Sie sich einig sind – ist das Thema nur ein weihnachtliches Politstrohfeuer?

Das will ich hoffen. In der Tat rechne ich mit einem schnell abgebrannten Tischfeuerwerk.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.