Armutsrisiko in Deutschland: Die Ost-West-Schere wird kleiner

Der Anteil der armutsgefährdeten Menschen im Osten sinkt, im Westen steigt er. Für Arbeitslose und Alleinerziehende nimmt das Risiko überall zu.

Drei zerknüllte Euroscheine

Wer unter die Armutsschwelle fällt (2018 liegt sie bei 1.035 Euro), ist armutsgefährdet Foto: Annette Fischer/Unsplash

Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall nähern sich Ost und West auf dem Feld der Armut an: Das Risiko für Menschen in Armut zu fallen, schrumpft in den ostdeutschen und steigt in den westdeutschen Bundesländern. So liegt die Armutsgefährdungsquote in den „alten Bundesländern“ zwar grundsätzlich um einiges niedriger – während dort die Quote seit 2005 allerdings um 1,8 Prozent gestiegen ist, sank sie derweil im Osten um 2,9 Prozent. Das zeigen die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts, die das Amt am Donnerstag veröffentlicht hat.

Das Bundesamt ermittelt sie auf Basis des Mikrozensus, der rund 1 Prozent der Bevölkerung erfasst. Als armutsgefährdet gelten gemäß dem EU-Standard Personen, die weniger als 60 Prozent des Mittelwerts des Äquivalenzeinkommens der Bevölkerung in Privathaushalten zur Verfügung haben – kurz: Wer unter die vom Mikrozensus ermittelte Armutsschwelle (2018 liegt sie bei 1.035 Euro) fällt, ist armutsgefährdet.

Auffallend ist zudem, dass das Risiko für Erwerbstätige, in Armut zu geraten, in den „neuen Bundesländern“ entgegen dem bundesweiten Trend geringer wird. Gleiches gilt auch für die Gruppe der Minderjährigen: Das Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen sank im Osten seit 2005 von 29,2 auf 23,3 Prozent und liegt damit mittlerweile fast auf Westniveau.

Das bundesweite Armutsrisiko pendelt seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005 zwischen rund 14 und 16 Prozent. Aktuell liegt es bei 15,5 Prozent. Je nach Region ist die Quote allerdings unterschiedlich ausgeprägt, sie teilt Deutschland in den reichen Süden und den armen Norden, die Ost-West-Schere schlägt sich ebenfalls nieder.

Sorgenkind Bremen

So stehen Bayern und Baden-Württemberg mit 11,7 und 11,9 Prozent am unteren Ende der Liste. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Berlin liegen derweil bei rund 18 bis 21 Prozent; lediglich das Sorgenkind Bremen liegt mit einer Armutsgefährdungsquote von 22,7 Prozent vor den ostdeutschen Bundesländern.

Das Armutsrisiko für erwerbslose Personen steigt überall weiter an: Zwischen 2005 und 2018 kletterte die Quote dieser Bevölkerungsgruppe bundesweit von 44,9 auf 53,7 Prozent, im Osten gar von 57,3 auf 67,1 Prozent.

Besonders armutsgefährdet sind zudem Haushalte mit einem Erwachsenen mit Kind(ern). Das Armutsrisiko für Alleinerziehende liegt bundesweit bei 41,5 Prozent.

Es zeichnet sich das Bild ab, dass Menschen, die sowieso schon aus einkommenschwachen Haushalten kommen, umso stärker von Armut bedroht werden. Während sich deutschlandweit das Armutsrisiko für Menschen mit hohem Qualifikationsniveau seit 2005 so gut wie nicht verändert hat, stieg das Risiko für Menschen mit niedrigem Qualifikationsniveau um 8,6 Prozent.

„Wir brauchen endlich gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West sowie eine konsequente Politik zur Abschaffung der Armut“, kommentierte die Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping den aktuellen Mikrozensus. Die bisherigen Regierungen hätten diesbezüglich versagt.

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