Landesversammlung in Hessen: Grüne finden Koalitionsvertrag „geil“
Klare Mehrheit, gute Stimmung, wenig Kritik. Die Grünen in Hessen stimmen der Koalition mit der CDU zu und sehen sich als Teil einer „GroKo“.
Zuvor hatte der Landesausschuss der hessischen CDU in Nidda den Koalitionsvertrag einstimmig gebilligt. Am Sonntag werden Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, und seine grünen Partnerinnen im Wiesbadener Landtag das Abkommen für die nächsten fünf Jahre feierlich unterzeichen.
Dass von der grünen Basis in Hofheim kein nennenswerter Widerstand gegen die Fortsetzung der schwarz-grünen Regierungskoalition geben würde, war von Anfang an klar. Die rund sechshundert Mitglieder, die in die Stadthalle gekommen waren, feierten zunächst das grüne Rekordergebnis bei der Landtagswahl vom 28. Oktober. Mit ihren 19,8 Prozentpunkten geht die Partei deutlich gestärkt in die nächste Legislaturperiode.
Sie wird künftig statt mit zwei mit vier MinisterInnen im Kabinett vertreten sein. Mit großem Beifall bedachte die Versammlung die grüne Verhandlungskommission, die den 200 Seiten starken Vertrag ausgehandelt hatte. Selbst die wenigen KritikerInnen, die sich zu Wort gemeldet hatten, sprachen sich mehrheitlich für die Fortsetzung der Koalition aus.
Der „Hessenpass“ kommt
Tarek Al-Wazir, Spitzenkandidat im Wahlkampf und designierter Superminister für Wirtschaft, Verkehr, Energie und Bauen, hatte die Versammlung eingestimmt. „Es ist ein sehr, sehr grüner Koalitionsvertrag; auf den können wir stolz sein,“ sagte er und bekam dafür viel Beifall. „Hessen wird nicht nur grüner und ökologischer, sondern auch sozialer“, sagte er. So werde ein neu eingeführter „Hessenpass“ künftig Familien mit geringem Einkommen den Zugang zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen erleichtern.
Die Koalition halte Kurs bei der Energie-, der Verkehrs- und Agrawende. Nach dem Vorbild des Schülertickets werde ein Seniorenticket eingeführt; für 365 Euro im Jahr werden dann die über 65jährige landesweit in ganz Hessen Busse und Bahnen benutzen dürfen. Al-Wazir räumte ein, seine Partei habe auch Zugeständnisse machen müssen: „Die Ausweitung der Videoüberwachung haben wir nicht gewollt“, sagte er.
Dass jedoch künftig alle Flüchtlinge, gleich aus welchem Herkunftsland, von Anfang mit Deutschkursen versorgt und möglichst schnell in die Kommunen verteilt würden, sei ein großer Erfolg. „Wer straffällig wird, wer Gesetze bricht, wird in Zweifel in eine Landeseinrichtung zurückmüssen“, bekannte sich Al-Wazir zu den Zugeständnissen an die CDU.
Groko heißt jetzt Schwarz-Grün
Deutliche Kritik gab es auf der Versammlung vor allem an den Formulierungen des Koalitionsvertrags zum umstrittenen Freihandelsabkommen CETA. Die künftige schwarz-grüne Landesregierung wird dem Abkommen zustimmen, wenn Gerichte ihm die Vereinbarkeit mit deutschem und europäischen Recht attestieren – so steht es im Vertrag. Mehrere RednerInnen beklagten, eine grüne Landesversammlung hätte über diese Frage abstimmen müssen. Die Grünen im Europaparlament hatten den Vertrag abgelehnt.
Kai Klose, der grüne Landesvorsitzende, verteidigte die Formulierung im Vertrag. „Ja, das ist nicht unser Programm, sondern ein Kompromiss,“ sagte er und verwies gleichzeitig auf die Aktivposten im Vertrag. Zum Beispiel habe man der CDU abringen können, dass künftig Demonstrationen und „Mahnwachen“ rund um die Beratungsstellen zu Schwangerschaftskonfliken untersagt werden könnten. Auch in Hessen waren Frauen wiederholt von selbsternannten „Lebensschützern“ vor Beratungsstellen mit Plakaten und Sprüchen belästigt worden. Zudem werde man die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschweren, eine alte Forderung der Grünen, die bislang am Widerstand der CDU gescheitert war.
Superminister Al-Wazir wird dem Kabinett ebenso weiter angehören, wie Umwelt- und Landwirtschaftsminsterin Priska Hinz. Mit dem designierten Sozialminister Kai Klose und Angela Dorn, der künftigen Ministerin für Wissenschaft und Kunst, rücken die beiden grünen Landesvorsitzendinnen in die Regierung auf. Der CDU-Landesvorsitzende, Ministerpräsident Volker Bouffier, will die Namen der sieben CDU-Ressortchefs erst im Neuen Jahr bekannt geben.
Vielbejubelt brachte Marcus Schmitt aus dem gastgebenden Kreisverband Main-Taunus die Stimmung in Hofheim auf den Punkt: „Der Koalitionsvertrag vor fünf Jahren war nicht ganz so geil; dieser ist viel geiler. Er ist tausenmal besser als irgendeine weitere Groko,“ rief er in den Saal. Von dort schallte es zurück: „Wir sind doch jetzt die Groko.“ Das sorgte endgültig für Heiterkeit. Schließlich hatten die Grünen bei der Landtagswahl die SPD in Hessen vom Platz der zweistärksten politischen Kraft verdrängt. Groko, das heißt für Hessen künftig Schwarz-Grün.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit