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Landesverfassung von Schleswig-HolsteinGott muss draußen bleiben

An nur einer Stimme ist der Herr gescheitert. Einen Gottesbezug wird es in der Verfassung Schleswig-Holsteins nicht geben.

Diese Damen und Herren müssen ihren Glauben weiterhin ohne staatlichen Segen ausüben (Archivbild 1997) Foto: dpa

KIEL taz | Kommt Gott ins Spiel, sind Zeichen und Wunder möglich: „Ich habe Ralf Stegner gelobt“, bekannte Peter Harry Carstensen, ehemaliger CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und bisher nicht als Freund des SPD-Spitzenmannes bekannt. Aber an diesem Morgen ist Carstensen nicht als Parteipolitiker in den Kieler Landtag gekommen, sondern als Sprecher der Volksinitiative „Für Gott in Schleswig-Holstein“.

Die Gruppe, die von den christlichen Kirchen, der islamischen Religionsgemeinschaft Schura und den jüdischen Gemeinden im Land unterstützt wurde, hatte über 40.000 Unterschriften dafür gesammelt, dass ein Bezug auf Gott in die Verfassung aufgenommen wird.

So musste sich das Parlament erneut mit dem Thema befassen. Schon einmal, im Herbst 2014, hatten die Abgeordneten über diese Frage abgestimmt, aber die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Gottesbezug verfehlt.

Wieder hat es nicht gereicht: Nur 45 der 69 Abgeordneten votierten für einen Vorschlag, den eine Gruppe von 29 ParlamentarierInnen aller Fraktionen eingebracht hatte – das war genau eine Stimme zu wenig.

Hinterher versuchten die Unterstützer im und außerhalb des Parlaments, Gutes aus der Niederlage zu ziehen: „Die Debatte war ein Wert an sich“, so Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Carstensen sagte, die Initiative habe „ordentlich gearbeitet“ und viel erreicht. Ob die Gruppe nun weiter Unterschriften sammelt, werde „gemeinsam entschieden werden“. Allerdings würde ein angestrebtes Volksbegehren mitten in den beginnenden Landtagswahlkampf platzen.

Eine „Toleranzformel“?

Dass ein Gottesbegriff in der Verfassung von diesen oder jenen Gruppen politisch verwendet werden könnte, war eines der Argumente in der Debatte. So hoffte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben, der Religionsbezug sei ein Zeichen für neu zugewanderte Muslime: „Hier kann man Religion leben, aber ohne Scharia.“ Aber es gab auch die Befürchtung, die AfD könne sich in die Debatte einklinken.

Der Vorschlag, der es fast geschafft hätte, sollte den Satz enthalten, die Verfassung schöpfe „aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben“.

Dies sei eine „Toleranzformel“, so Ralf Stegner (SPD), der gemeinsam mit dem Oppositionsführer Daniel Günther für diesen Antrag sprach. Durch den Gottesbezug und die Besinnung auf grundlegende Werte werde klar gemacht, dass Menschen fehlbar seien. Doch dass so eine Formulierung „wie ein Amulett gegen Faschismus und Extremismus wirkt, daran fehlt mir der Glaube“, so Burkhard Peters (Grüne), der zu den Gegnern gehörte: „Zu oft wurde der Name Gottes für schreckliche Dinge missbraucht.“

Der Abstimmung waren lange Beratungen in den Ausschüssen und Anhörungen von Experten aus Wissenschaft und Kirchen vorangegangen.

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24 Kommentare

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  • "Gott" muss draußen bleiben - auch was die TAZ betrifft.

    Zum beispiel > http://www.taz.de/Kolumne-Deutschland-was-geht/!5319518/

    Gebt den religionen nicht soviel raum, bitte. Lasst sie wirklich mal privatsache sein!

    • @ermi k.:

      Gottvoll - Die tazis aufzufordern -

      Vor der eigenen Tür - regelmäßige Kehrwoche - zu richten!

      Geht voll in Ordnung!;()

  • "Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm: Halt du sie dumm, – ich halt' sie arm! Sei wachsam,"

    (Reinhard Mey)

    Zu allen Zeiten bildeten Regierige und Klerus aller Länder und aller Reliionen eine höchst egoistische Symbiose.

    Höchst aktuell dazu auch immer noch:

    Johann Most:"Die Gottespest"

    Als PDF (10 S.): https://anarchistischebibliothek.org/library/johann-most-die-gottespest.a4.pdf

    Als Hörbuch: http://www.dadaweb.de/wiki/DadA-Podcast_1

  • Folgender Gottesbezug sollte in die schleswig-holsteinische Landesverfassung geschrieben werden: "Die Verfassung schöpft aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas und aus den Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben." Nun bleibt es bei der bisherigen, von den PIRATEN 2013 vorgeschlagenen Formulierung, wonach die Verfassung "auf der Grundlage der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit" beschlossen wurde.

     

    Heute ist ein guter Tag für alle Schleswig-Holsteiner. Für sie gilt eine Verfassung, die von allen Parteien gemeinsam erarbeitet, vom Landtag 2014 mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurde und die sich die meisten Schleswig-Holsteiner wünschen. Sie ist modern und zeitgemäß, sie eint, statt zu spalten.

     

    Die heutige Entscheidung ist auch ein Erfolg für uns PIRATEN. Von uns stammt der Vorschlag, die Menschenrechte zur Grundlage der Verfassung zu machen. Dieses gemeinsame Fundament durch eine Glaubensfrage zu ersetzen, die unser Land spaltet, hätte Schleswig-Holstein geschadet. Wir PIRATEN haben uns immer klar gegen alle Versuche verwahrt, dass sich der Staat in persönliche Glaubensfragen einmischt. Glaube ist und bleibt Privatsache.

     

    Unser Land braucht jetzt einen Verfassungsfrieden. Wie in Hessen und Bayern sollte es keine Verfassungsänderungen mehr ohne zustimmenden Volksentscheid geben. Und in ganz Deutschland brauchen wir endlich eine konsequente Trennung von Staat und Kirche auf allen Ebenen, um Diskriminierung zu beenden und Privilegien abzuschaffen.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    "Die Gruppe, die von den christlichen Kirchen, der islamischen Religionsgemeinschaft Schura und den jüdischen Gemeinden im Land unterstützt wurde"

     

    Du heilige Scheiße, da bekommt man es ja mit der Angst zu tun. Das klingt ja nach einer echten Narren Parade!

     

    Das Problem der nicht Gläubigen ist die fehlende Organisation. Obwohl sie mittlerweile die größte "Glaubensgruppe" ausmachen haben sie quasi kein gewicht und werden immer wieder von gut organisierten Gläubigen übervorteilt.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      Narrenparade mit prominenter Unterstützung, leider: MP Albig, Stegner, Ex-MP Carstensen... Warum Stegner und Albig sich vor diesen Karren spannen lassen, fragt man sich. Ist Albig echt dermaßen gläubig? Carstensen, naja, CDU halt. Die Kirche zieht offenbar noch so einige Fäden hier. Die Schäfchen sollen zurück in die Herde...

      • @kditd:

        In der Tat erstaunlich - wer da alles glaubt - über die tiefstbraune Verstrickung - auch & gerade nach Ende des 12tausendjährigen - der Nordelbischen Kirche - sei so hoch Gras gewachsen - daß sich kein Kamel mehr findet - das runter zu fressen!

        Dem ist zum Glück scheint's nicht so!;)

  • Gott sei dank;)

  • Wikingerreligion "Forn Sidr" in die Landesverfassung. Dänemark macht es bereits vor... ist dort seit 2003 offiziell anerkannt.

     

    Bagalutenreligion für alle!

  • Erschreckend die Dreistigkeit der Religiösen ihre Duftmarke zu setzen und wie weit sie damit gekommen sind.

  • Im Grunde ist der Satz nicht schlecht, aber als Schleswig-Holsteiner bin ich zufrieden ohne "Gott" in der Verfassung. Die Gruppe sollte sich damit abfinden, der Landtag hat jetzt zwei Mal dagegen votiert. SH ist nur zu knapp 50% noch auf dem Papier (!) christlich, und die Zahl dürfte in Zukunft eher sinken. Ihr habt euren Spaß gehabt, nun ist auch gut... sowas sollte eh per Volksentscheid geklärt werden, und es ist doch zweifelhaft daß ein solcher zu gewinnen wäre... die meisten Leute in SH wollen das nicht, oder es ist ihnen egal. Ist auch gut so.

     

    Albig sollte auch als MP sich nicht zur Galionsfigur irgendwelcher Religionen machen, das geht mir echt auf den Keks... mal an die Trennung von Staat und Kirche denken, Torsten! Das ist 'ne ungute Lobbysache, die da läuft... es sollte jetzt mal gut sein.

  • "Durch den Gottesbezug und die Besinnung auf grundlegende Werte werde klar gemacht, dass Menschen fehlbar seien."

     

    Ohne den Gottesbezug kann man also nicht darauf kommen, dass Menschen fehlbar sind?

    Aha.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Stefan mit f:

      Doch, aber er illustriert das ganz gut.

      • @889 (Profil gelöscht):

        Er illustriert was ganz gut?

        • 8G
          889 (Profil gelöscht)
          @Stefan mit f:

          Dass Menschen Fehler machen,

          • @889 (Profil gelöscht):

            Tun sie das nicht auch ohne Gott?

             

            Und wer ist gleich unfehlbar?

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Der Satz impliziert die Fehlbarkeit des Menschen ganz ohne Gott. Denn wenn man so wollte ist Gott an sich ja eine Verfehlung des Menschen. Gott existiert nicht, genauso könnte man Pippi Langstrumpf in die Verfassung aufnehmen, die wahrscheinlich prägender für die meisten SHler, als dieser komische Gott.

              • @arribert:

                Ihr Beispiel mit Pippi Langstrumpf finde ich sehr treffend. Vielleicht sollte einfach mal jemand einen solchen Änderungs-Antrag stellen, um den Gotteseiferern die Absurdität ihres Ansinnens vor Augen zu führen.

              • @arribert:

                "Der Satz impliziert die Fehlbarkeit des Menschen ganz ohne Gott."

                 

                Da Menschen Irrtümer begehen und Gott nicht existiert, muss es wohl so sein.

              • @arribert:

                Na ja, weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes ist für den Menschen beweisbar, es gib nur Kausalschlüsse die entweder in die eine oder andere Richtung weisen.

                 

                Na egal, der Versuch dieser o.g. Gruppe "Gott" quasi als Gesslerhut in die Verfassung zu hebeln ist durchsichtig: Gesinnungsterror!" sozusagen in etwa: "...über diese Stöckchen müsst ihr springen!"

  • Gott sei Dank!

  • Es ist erschreckend, dass nur eine Stimme fehlt, um den Weg nach rückwärts zu gehen. Die Kirchen haben so und so schon viel zu viel Gewicht in der Politik. Wann setzt sich bei uns endlich die strikte Trennung von Staat und Religionsgemeindschaften durch?

  • Gut, dass man mal darüber geredet hat und gut, dass der Antrag nicht durchgekommen ist. Als ob die Schleswig-Holsteiner sonst keine Probleme hätten, als ausgerechnet Gott einen Platz in ihrer Verfassung zu geben. Das hat schon was von Gotteslästerung und Blasphemie.