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Lagerstätte für AtommüllIm Worst Case erst 2068

Die Suche nach dem Ort, wo der Atommüll gelagert werden soll, zieht sich hin. Im Extremfall könnte es erst in 40 Jahren eine Entscheidung geben.

Castorbehälter mit Atommüll im Zwischenlager des AKW Philippsburg Foto: Peter Sandbiller/imago

Göttingen taz | Große Ratlosigkeit und Überraschung folgten im Herbst 2020 auf den ersten Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). In der Veröffentlichung ging es um die Suche nach einer Lagerstätte für den hochradioaktiven Atommüll.

Überrascht waren viele, weil der als einziger Standort erkundete Gorlebener Salzstock wegen geologischer Mängel aus dem Suchverfahren ausschied. Ratlos waren sie, weil gleichzeitig 90 sogenannte Standortregionen als potenziell endlagertauglich auswiesen wurden.

Nun hat die mit der Suche beauftragte BGE angekündigt, wie es weitergehen soll: Bis 2027 will die bundeseigene Gesellschaft aus den Regionen einige wenige Gebiete herausdestillieren, die für den Bau des Endlagers infrage kommen könnten. Insider tippen, dass das drei, maximal vier sein könnten.

Wenn die Aufsichtsbehörde – das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) – diesen Vorschlag geprüft und der Bundestag ihn gebilligt hat, sollen diese möglichen Endlagerstandorte zunächst oberirdisch weiter untersucht und miteinander verglichen werden.

Öffentlichkeit miteinbeziehen

Zugleich will das BASE in den betroffenen Regionen Regionalkonferenzen einrichten, um eine Beteiligung der Öffentlichkeit an den weiteren Arbeitsschritten zu gewährleisten. Bei der Erkundung werden die verbleibenden Standorte geprüft. Jedem dieser Schritte soll ein Beschluss des Bundestages vorausgehen. Auch die endgültige Entscheidung, wo das Endlager errichtet wird, trifft das Parlament.

Die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll war 2017 neu gestartet worden. Es soll unterirdisch in Salz-, Granit- oder Tongestein errichtet werden und den Atommüll eine Million Jahre von der Umwelt abschirmen. Bei Inbetriebnahme des Lagers soll der strahlende Abfall in rund 1.900 Castorbehälter verpackt sein. Wenn der Atomausstieg weiter verzögert und die AKW-Laufzeiten verlängert werden, könnte das Volumen der einzulagernden Abfälle noch steigen.

Die BGE hat jetzt auch einen sogenannten Rahmenterminplan bis 2027 vorgelegt. Ab 2024 will sie einmal im Jahr den Arbeitsstand zu ihren vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen veröffentlichen, der auch Einschätzungen zu möglichen Standortregionen enthalten soll.

Ergebnis steht noch lange nicht fest

Eigentlich sollte bis 2031 feststehen, wo das Endlager gebaut wird. Das steht so auch im Standortauswahlgesetz. Die BGE räumt aber ein, dass dieser Termin auf keinen Fall zu halten ist. „Diese enge Vorgabe hat der BGE geholfen, schnell ein kompetentes Team für die Standortauswahl zu finden und Strukturen aufzubauen“, sagt Geschäftsführer Stefan Studt. „Aber es war immer klar, dass diese Vorgabe mehr als ambitioniert war.“

Zwei Szenarien hat die BGE zwischenzeitlich durchgespielt. Selbst im schnelleren würde erst 2046 feststehen, an welchem Ort der Atommüll gelagert werden soll. Im langsameren würde es sogar erst 2068 eine Entscheidung geben. Die Auswertung geologischer Daten und auch die Entwicklung der nötigen Methoden verlange mehr Zeit, sagte BGE-Co-Geschäftsführer Steffen Kanitz. Weil der Bau des Endlagers weitere Jahrzehnte dauern wird, gehen Experten davon aus, dass die Einlagerung von Atommüll frühestens ab 2080 beginnt und vor 2120 nicht abgeschlossen ist.

Die Einrichtungen, in denen die Castoren derzeit aufbewahrt werden, seien jeweils nur für 40 Jahre ausgelegt und genehmigt worden, sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Die Zwischenlager in Gorleben sowie im westfälischen Ahaus verfügten nur bis 2034 beziehungsweise 2036 über Betriebsgenehmigungen. Ehmke erklärt, dass er deshalb „höchst beunruhigt“ sei.

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10 Kommentare

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  • Die Menschen in D. wollen Elektrizität, sie wollen aber keine Stromtrassen, keine Grundlastspeicher, keine Kohlekraftwerke, keine AKWs und kein Endlager.

    Und das geht bis jetzt, weil man dem, permanent vierjährigen, Deutschen den Konflikt erspart hat.



    Aussitzen und verschieben auf Sankt Nimmerlein, ignorieren und ruhigstellen mit finanziellen Zuwendungen, haben bis jetzt funktioniert.

    Dank der neuen wirtschaftlichen Situation, weil wir einfach nicht mehr die Mittel dazu haben.

    Richtig interessant wird es, wenn die anderen Länder wieder AKWs bauen und Energiekosten und Emissionseintrag senken.

    Erwachsenwerden wird für D. ein sehr schmerzhafter Prozess.

    • @Octarine:

      "Richtig interessant wird es, wenn die anderen Länder wieder AKWs"



      Werden sie nicht. Das 'Atomzeitalter' ist vorbei. Zur Energiegewinnung sind AKW schon im Normalbetrieb und bei externalisierten Endlagerkosten einfach zu teuer. Neue, teuer subventionierte Anlagen werden allenfalls noch dort entstehen wo es letztlich nicht um Strom, sondern um Atomwaffen geht.

      • @Ingo Bernable:

        Da gibt einige, die nicht ihrer Meinung sind.



        "EU Commissioner outlines 'new conversation' on nuclear"



        www.world-nuclear-...versation-on-nucle



        Da geht es um Wiederinbetriebnahme in Schweden.



        www.world-nuclear-...pansion-of-nuclear

        Oder um neue Reaktoren wie in Polen oder den Niederlanden.



        www.politico.eu/ar...r-us-westinghouse/



        www.reuters.com/bu...y-2035-2022-12-09/

        Also ich sehe eher diese AKWs ans Netz gehen, als die deutsche Wunschkraftlösung, ohne Trassen und Speicher, dafür mit sehr viel Subventionen.

        • @Octarine:

          Ich schrieb von einer allgemeinen Entwicklung, nicht von einer Regel ohne jedewede Ausnahme. Und eine eventuelle Wiederinbetriebnahme in Schweden ist je nun wirklich kein Neubau und Polen verkündet seit mindestens 25 Jahren immer wieder AKW-Pläne. Realisiert wurden die bisher nicht. Gleiches wird auch den allermeisten von den rund 50(?) von Macron angekündigten AKW-Neubauten widerfahren.

      • @Ingo Bernable:

        Sehe ich auch so. Wir werden mal ne Runde sparen müssen statt einfach immer mehr zu verbrauchen.

        Seit die Energiesparlampen da sind sehe ich überall an Wohnhäusern Lampen, die die Häuser anleuchten. Statt zu sparen, verbraten wirs woanders. Dann muss halt rationiert werden, übers Geld kanns nicht gehen: Die mit mehr als nötig pfeifen drauf und verbrauchen mehr als der Rest...

        Beispiel Computer: Ja. Die Prozessoren werden immer sparsamer und schneller. Jetzt müssten wir einfach mal ne Weile mit der Geschwindigkeit auskommen, die wir bereits haben und uns eine Weile über immer geringeren Verbrauch freuen. Machen wir aber nicht. Der nächste PC schafft dann wieder nur mehr für die gleiche Energie. Diese Wachstumsidiotie muss irgendwann enden. Wie weh das dann tut kommt darauf an wie lange wir weggucken.

        Und "what-about" die anderen bauen wieder AKWs - so schaffen wir gar nix. War schon in der Schule so.

  • Ja glaubt den jemand es sei Zufall, dass im Endlagersuchgesetz keine Terminvorgaben enthalten sind ?

    Das Gesetz ist doch das Paradebeispiel für ein Feigenblatt- oder Symbolgesetz.

    Und davon ab: Es gibt kein Endlager und es wird nie ein Endlager geben.



    Weil es schlicht unmöglich ist.



    Der Mensch ist nicht in de Lage ein Gebäude (ob über oder unter der Erde) zu errichen dass eine so lange Zeitdauer mit Gewissheit überstehen kann.

    Leider wird dieser Betrug am deutschen Volke vermutlich nie juristisch aufgearbitet werden.



    Damals wurden falsche Gutachten geschrieben, Meineide geleistet wissentlich die Unwahrheit gesagt und das Recht gebrochen.

    Aber weil alle politischen Parteien da Dreck am Stecken haben wird niemand den Kehrricht unter dem Teppich hervorholen.

    Was man dem Gesetz lassen muss: Damit ist Gorleben raus. Und das war der Sinn.

    Damit auch die Grünen sagen können "Wir schaffen das!"

  • WURST



    Den worst case nannten wir GAU. Und wenns schlimmer kommt als worst - soviel zum Thema Logik - dann wars halt der SuperGAU. Bei im 'schlimmsten' Falle 2068 - da lässt sich doch sicher noch das eine oder andere Jahrzehntchen dranhängen ? Super !

  • Worst Case oder Best Case?

    Ein Atommüll-Lager mit dem Fantasie-Namen 'Endlager' ist doch reine Illusion. Wieder und wieder zeigt sich, dass unsere Annahmen alle viel zu kurz gedacht, durch politische Interessen geleitet, mit unvollständigem Wissen untermauert sind.

    Bleiben die Behälter dagegen über Tage, dann vergessen wird jedenfalls nicht so schnell, dass sie existieren. Wir sehen wenn etwas kaputt geht, wir können zählen ob alle noch da sind, wir werden gezwungen uns darum zu kümmern. Die Kosten werden mit zunehmender Anzahl größer und größer, so lange, bis endlich entschieden wird mit diesem Quatsch aufzuhören.

    • @Jeff:

      "Wir sehen wenn etwas kaputt geht"



      Wenn 'wir' noch da sind, wenn wir uns auch zuständig dafür fühlen, wenn wir einordnen können was da vor sich geht und wenn wir auch die Mittel und das Wissen haben korrigierend eingreifen zu können.



      Menschliche Zivilisation gibt es seit etwa 10.000 Jahren, die BRD und Atomtechnologie seit gerade mal etwa 70 Jahren. Denken sie wirklich es könnte gelingen für die nächsten 1 Mio. Jahre Bewachung und Instandhaltung von oberirdisch gelagerten Castoren sicherzustellen?

  • Erblasten



    Das Problem mit dem Atommüll drücken wir einfach unsere Kindern aufs Auge und rufen dafür "AKW wieder einschalten".



    Das Problem mit den Schulden drücken wir unseren Kindern auf Auge und rufen dafür "wir wollen....dann halt auf Pump"



    Das Problem mit der Altersvorsorge drücken wir unseren Kindern aufs Auge, Hauptsache unsere Rente ist üppig genug.



    Und dieser Klimawandel wird ja noch so lange auf sich warten, bis wir unter der Erde sind, sollen sich doch unsere Kinder darum kümmern. Aber nicht jetzt, das nervt doch nur.



    :satire aus: