Lage in der Ukraine: Die vierte Wiederaufbaukonferenz sollte Hoffnung geben
Russland bombadiert die Ukraine, als gäbe es kein Morgen; Opfer sind Zivilist:innen. Das Land braucht dringend Waffen und eine stärkere Luftabwehr.
R outinen, Effekte der Gewöhnung und Abstumpfung sind die natürlichen Feinde von Empathie. Doch genau diese Empathie brauchen derzeit die Menschen in der Ukraine – und das mehr denn je. Mit einem Maß an Brutalität, das einen erschaudern lässt, überzieht Russland das Nachbarland seit Wochen flächendeckend mit Luftschlägen, als gäbe es kein Morgen. Allein in der Nacht zu Freitag ließ der Kreml 539 Drohnen und elf Raketen auf die Ukraine, vor allem auf Kyjiw abfeuern.
Offensichtlich soll die Hauptstadt, die russische Truppen im Februar 2022 in kompletter Verkennung der Realitäten nicht wie geplant innerhalb weniger Tage hatten einnehmen können, jetzt sturmreif geschossen und in die Knie gezwungen werden. Dabei folgen die Angriffe immer demselben Muster: Zivilist*innen, Wohnhäuser, kritische Infrastruktur als bevorzugte Ziele – kurz gesagt: wegbomben, vernichten, töten – je mehr, desto besser.
Was angesichts der nackten Zahlen in den Hintergrund tritt: Hinter jedem „Treffer“ stehen menschliche Schicksale, zerstörte Leben und Träume. Aber wer interessiert sich noch wirklich dafür in Zeiten weltweiter Kriege, Krisen und einer stetig schwindenden Aufmerksamkeit?
Als ob Russlands völkerrechtswidrige Großinvasion nicht schon kräftezehrend und herausfordernd genug wäre, sitzt mit Donald Trump ein US-Präsident im Weißen Haus, der, nicht nur was die Ukraine angeht, unberechenbarer nicht sein könnte. Waffenlieferungen ja, nein, ein wenig oder gar nicht mehr – eine Ankündigung kann am nächsten Tag bereits Makulatur sein. Immerhin konnte der „Dealmaker“ nach seinem jüngsten Telefonat in dieser Woche mit Kremlchef Wladimir Putin keine Fortschritte feststellen. Wie auch? Putin und Co – auch das gerät leider immer wieder in Vergessenheit – halten nach wie vor an den Zielen der „Spezialoperation“ fest: die Ukraine unterwerfen und in letzter Konsequenz auslöschen.

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Wer das nicht will, muss sich wohl oder übel zum jetzigen Zeitpunkt verabschieden von dem Irrglauben an Verhandlungen, die diesen Namen auch verdienten. Denn sollte es diese wirklich geben, dann nur zu Moskaus Bedingungen. Als einzige Alternative bleibt, was westliche Verbündete zwar ständig predigen, aber oft nicht in die Tat umsetzen: der Ukraine jene Waffen geben, die sie braucht; und die Luftabwehr stärken, denn an dieser Stelle ist das geschundene Land nach wie vor am verwundbarsten.
Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber irgendwann dann doch. Einen Hoffnungsschimmer könnte es indes geben: In der kommenden Woche findet in Rom eine zweitägige Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine statt – die vierte dieser Art seit dem 24. Februar 2022. Unabhängig davon, wie die Ergebnisse ausfallen, wird ein wichtiges Signal von diesem Treffen ausgehen: dass es für die Ukraine eine Zukunft und ein Leben nach dem Krieg gibt – wann auch immer dieses beginnt.
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