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Lage in SudanTatenloses Zusehen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der internationalen Staatengemeinschaft ist klar: Die humanitäre Lage in Sudan ist dramatisch. Aber es wird nichts dagegen unternommen.

Sudans Zivilbevölkerung erlebt einen Alptraum der Zerstörung und Gewalt Foto: Marwan Ali/ap

D ie Lage in Sudan ist hoffnungslos, aber sie wird nicht wirklich ernst genommen. Dieses niederschmetternde Fazit bietet sich nach der jüngsten UN-Sicherheitsratssitzung an, die am Montag ein Horrortableau zeichnete. „Das Leid wächst mit jedem Tag“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres und sprach von „unaussprechlichen Gräueltaten“. Sudans Zivilbevölkerung erlebe einen „Alptraum der Gewalt“, einen „Alptraum des Hungers“ und einen „Alptraum des Zusammenbruchs“. Nötig sei jetzt „entschlossenes Handeln“, mit einem sofortigen Ende der Kampfhandlungen und einem unbeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe. Die anderen Redner schlossen sich dem vorbehaltlos an.

Was geschieht nun? Nichts. Dabei legte zeitgleich der UN-Menschenrechtsrat in Genf die Ergebnisse einer ausführlichen Untersuchung über Verbrechen in Sudans Krieg vor. Massenvergewaltigungen, sexuelle Versklavung, Menschenhandel – nichts lassen die UN-Experten aus, und sie fordern die dringende Entsendung von Schutztruppen zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Kriegsparteien. Auch hier kann man sich sicher sein: Nichts dergleichen wird geschehen.

Die internationale Staatengemeinschaft schaut ungerührt zu, wie sich in und um Sudan die größte humanitäre Krise der Welt entwickelt und ein riesiges Land komplett zerfällt. Von wem soll man denn „entschlossenes Handeln“ erwarten? Von den USA in der Schlussphase eines Wahlkampfes, der möglicherweise in einer Woche nur neuen Horror hervorbringt? Von einem Europa, das nur noch um sich selbst kreist und den Rest der Welt möglichst von sich fernhalten möchte? Von Russlands Putin-Terrorregime, das in verschiedenen afrikanischen Ländern Söldner als Täter übelster Verbrechen stationiert hält?

Das Allermindeste wäre jetzt ein sichtbar erhöhtes Engagement aufseiten jener, die aus Sudan fliehen – und jener, die in Sudan auf verlorenem Posten für das Überleben der Menschen eintreten. Auch wenn die Welt insgesamt untätig bleibt. Die große Lösung ist nicht in Sicht. Aber Menschenleben retten beginnt im Kleinen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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  • Was genau hat der Sudan, was der westlichen Welt wichtig ist?



    Strategisch wichtige Lage? Nope.



    Gefragte Zwischen-/Enderzeugnisse wie Mikrochips oder Werkzeugmaschinen? Nope.



    Einen Überschuss an gebildeten Menschen? Nope.



    Rohstoffe? Durchaus, aber nichts was es nicht auch anderswo gibt.



    Das Potenzial, ein neues Afghanistan zu werden? Ja.

    Die restlichen Mächte engagieren sich bereits mehr oder weniger in diesem Konflikt. Also mit einer Resolution im UN-Sicherheitsrat ist gewiss nicht zu rechnen. Und generell hat gerade kein Staat ernsthaft Mittel übrig um soviel zu tun wie nötig wäre.

    Wie wäre es zur Abwechslung mal damit, dass die Kämpfer der Kriegsparteien sich wie Menschen benehmen. Aber in dieser Hinsicht nehmen sich leider die Konflikte in der Welt zurzeit nicht viel.



    Man nenne mich gern zynisch oder einen Menschenfeind, aber das Elend im Sudan und anderswo ist eben hinzunehmen. Ähnliches Leid gab es früher auch schon, aber eben keine Bilder und Videos von dort. Das ist unser selbstgemachtes Schicksal, dass wir dank unserer Technologie live miterleben dürfen, was unser Lebenswandel, unsere Waffen und die Geschäfte unserer Eliten woanders anrichten!

  • Zähne zusammenbeissen und den Gürtel enger schnallen! Die Milliarden gehen erst mal weiter nach Israel und in die Oligarkraine.

  • "Von wem soll man denn „entschlossenes Handeln“ erwarten?"

    Vielleicht zur Abwechslung mal von den afrikanischen Ländern selber?

    Wenn irgendwo in der Welt etwas richtig schiefläuft, dann sollen's mal wieder die Amerikaner oder Europäer richten. Um dann bei nächster Gelegenheit des Neokolonialismus bezichtigt zu werden.

  • Wenn die Internationale Gemeinschaft dort nicht in der Lage ist etwas zu ändern, warum sollten dann Staaten daran glauben, dass die UN Schutztruppen in der Lage sind, erst Recht die ohne robustes Mandat, für Frieden zu sorgen?

    Wer finanziert den Terror im Sudan, was kann getan werden, damit es zu einem Ende der Kämpfe und einer gerichtlichen Aufarbeitung kommt?

    Welche Klagen sind am ICC und IGH anhängig?

    • @ToSten23:

      Die größten Unterstützer der RSF Milizen sind unsere strategischen Partner Saudi Arabien und vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate.

      • @Andreas J:

        Könnten Sie für diese Behauptung Quellen angeben?



        Laut der Wikipedia und den Quellen dort wird die RSF von der Gruppe Wagner, also Russland, unterstützt, Saudi-Arabien hingegen unterstützt die sudanesischen Streitkräfte.