Kunsttipps der Woche: Bilder, die streiten
Frühe Farb-„Characters“ aus den 1980ern von Fiona Rae. Wortreiche Bilderrätsel mit Tilo Riedel. Und Indien neu fotografiert – von den Rändern her.
D ie Chance, Fiona Raes „Row Paintings“ in der Buchmann Galerie im Original zu sehen, sollte man sich nicht entgehen lassen, besonders weil sie nur noch bis Ende der Woche besteht. Die Bilder sind berühmt. Zum ersten Mal zeigte die Künstlerin sie 1988 in der folgenreichen Ausstellung „Freeze“, die Damien Hirst, Kunststudent im zweiten Semester, in den Londoner Docklands organisiert hatte und die den Durchbruch der Young British Artists bedeutete.
Die Bilder entstanden also in einer Epoche, in der die Malerei vielen als eine obsolete Kunst galt. Raes Ehrgeiz war es, über eine klar artikulierte, konzeptuelle Herangehensweise malerische Zeitgenossenschaft und Aktualität zu erproben. Dazu ordnete sie ihre kalligraphischen und malerischen Gesten, die mal ganz zart auftreten wie bei „Untitled (nine on pale yellow)“ oder geradezu barock ausschwingen wie bei „Untitled (nine on green)“, auf der Leinwand in strengen Reihen an.
Die Lust an den Gemälden resultiert dann aus der tänzerischen Bewegtheit der einzelnen „Characters“, wie Rae ihre Elemente nennt, sie resultiert aus der Pracht der Farben und deren überraschender Kombination. Farbspritzer und -verläufe durchqueren den paradigmatischen Raum des modernistischen Rasters und unterlaufen zusammen mit der Raffinesse von Raes Pinselführung dessen Autorität.
Es sind wundersame Gestalten zu entdecken, mit dünnen Beinen oder großen Comic-Kulleraugen, Philip Guston wird in „Untitled (six on pink and yellow)“ mit dem Zyklopenauge, dem Hufeisen und seinem besonderen Pink heraufbeschworen. Terry R. Myers nennt sie im schönen Katalog zur Ausstellung „kämpferische Bilder“, die nicht nur das vermeintliche Ende der Malerei bestreiten, sondern auch untereinander streiten. Auf sehr fruchtbare, belebende Weise.
(Sprach-)Raum als Ressource
„Kein Zimmer, Küche, Bad/Heizung Sanitär/Abverkauf/Schichten/Kälterer Luft/Albtraumschiff/Extrawurst/Topmodells“, also das ist mal ein langer Ausstellungstitel. Passt aber. Er stammt von Tilo Riedel, der Wort- und Sprach- und Bildkünstler ist. Und dazu Bühnenbildner. Alle diese Talente fließen in seine Soloschau ein, die noch bis Anfang Februar bei Vincenz Sala läuft. Dort hat er raumfüllend eine Rampe aus Europaletten aufgebaut und darauf die zu keinem Zimmer, keiner Küche, keinem Bad gehörigen Dinge gestellt, wie eine weiße Kloschüssel, gefüllt mit einer Weltkugel, die – erinnern wir uns kurz noch einmal an Fiona Rae – wie ein Guston'sches Zyklopenauge über den Schüsselrand linst; oder einen Putzwagen, wie ihn professionelle Reinigungskräfte mit sich führen.
In der hinteren Ecke des Raums stehen drei kleine eiserne Bettgestelle, denen in der entgegengesetzten Ecke kleine, aus Sperrholzplatten gebaute Heizradiatoren entsprechen, daneben steht eine Schüssel mit Finger Food, aus Gips geformte Finger nämlich.
Tilo Riedel, der 1960 in Frankfurt geboren wurde, ist schon lange ein Kölner Künstler. Er inszeniert verheißungsvolle Bilderrätsel, in denen alltägliche Dinge geheimnisvolle Beziehungen untereinander eingehen, aber auch untereinander streiten, darüber, wer mehr Aufmerksamkeit verdient, oder wer die gültigere Interpretation der Situation liefert.
Es geht allerdings in „Kein Zimmer, Küche, Bad“ wohl tatsächlich auch um die Frage nach dem Raum. Wer hat welche Ressourcen an Raum und wofür? Die Person, die mit dem Putzwagen unterwegs ist, was gilt für sie? Oder angesichts der Holzbox im Galeriefenster, die recht besehen eine riesige Halle mit hoher Decke darstellt, deren Wände mit Geweihen als Jagdtrophäen geschmückt sind: Wer repräsentiert hier? Die Kiste ist vielleicht kein Topmodell, aber ein gelungener Modellversuch, möchte man sagen und den Künstler zitieren: „Es gibt Dinge. Hast du keine Ahnung von du Arsch“.
Indien, hyperreal erzählt
Vom Raum als Ressource handeln auch die Fotografien, die Mini Kapur in ihrer Galerie Under the Mango Tree zeigt – auch wenn der Titel der Ausstellung „Indian Storytellers“ das nicht unbedingt vermuten lässt. Soham Gupta etwa erforscht in seiner Schwarzweiß-Serie „Eden“ Indiens koloniale Vergangenheit anhand der von den Briten aufgegebenen und der Natur überlassenen Prachtbauten: Zwischen den von Bäumen gleichzeitig aufgebrochenen wie gestützten Villen und Verwaltungsbauten tauchen Menschen wie Gespenster auf. Die Erzählung gilt ihnen, den Opfern der britischen Herrschaft.
Auch Amit Pasricha fokussiert in den von Mini Kapur ausgesuchten Panoramaaufnahmen aus „India at Home“ mit seiner Kamera Räume, die in einer vergangenen Epoche wurzeln. Ob sich ihr distinkter Stil noch lange halten wird, ist fraglich. Der Fotograf setzt sich nicht ohne Grund mit seiner Social-Media-Kampagne „India Lost and Found“ für den Denkmalschutz in Indien ein.
Cop Shiva, der tatsächlich einmal Cop, also Polizist, gewesen ist, fotografiert Menschen am Rand der indischen Gesellschaft, ländliche Migranten, Straßenkünstler in köstlichen, farbenprächtigen Räumen, indem er sie vor den zur Verschönerung des Stadtbildes in Auftrag gegebenen Wandmalereien platziert. Auf denkbar pragmatische Weise entstehen so Porträts von großem ästhetischem Reichtum.
Der Bedeutung von Farben in Indien ist auch Dinesh Khanna auf der Spur, in seinen Aufnahmen der bunten Innenräume und Fassaden im ländlichen wie städtischen Raum. Hyperreal wird der Raum dann in den digitalen Gemälden von Ranbir Kaleka, in denen er fotografische und malerische Wahrnehmung verschmilzt. Ob sie noch in Indien zu verorten sind, ist manchmal schwer zu sagen. Aber wie – das ist die eigentliche Botschaft der Storytellers – stellen wir uns Indien überhaupt vor?
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