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Kulturkneipe in NeuköllnBajszel erneut angegriffen

Das Lokal in der Emser Straße ist wieder attackiert worden. Unbekannte warfen einen Pflasterstein gegen ein Fenster, als noch Gäste am Tresen saßen.

Einschlag im Fenster: Das Bajszel in Neukölln ist erneut angegriffen worden Foto: Bajszel

Berlin taz | Die Neuköllner Kulturkneipe „Bajszel“ ist in der Nacht zu Mittwoch erneut angegriffen worden. Unbekannte haben einen Pflasterstein in eine Fensterscheibe geworfen. Zudem sei ein rotes Dreieck an der Fassade entdeckt worden, sagte eine der Be­trei­be­r*in­nen am Mittwoch der taz.

Nun ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt, weil ein politischer Hintergrund vermutet wird. In den vergangenen Monaten war das Lokal bereits mehrfach beschädigt und beschmiert worden, zudem wurde Ende September mutmaßlich ein Brandanschlag verübt.

Sie sei gerade dabei gewesen in der Kneipe aufzuräumen, berichtet die Co-Betreiberin des Bajszel, Andrea Reinhardt, gegenüber der taz. Am Tresen hätten noch zwei Gäste gesessen, als gegen kurz nach drei Uhr ein sehr lauter, dumpfer Knall ertönte. Gleich danach habe sie neue Risse in einer Fensterscheibe entdeckt, die schon einmal beschädigt worden sei.

Draußen vor dem Fenster habe sie dann einen Pflasterstein gefunden. Auf der Straße habe sie niemanden gesehen; auch ein Gast, der die nähere Umgebung absuchte, habe niemanden angetroffen.

Co-Betreiberin fordert mehr Schutz

Die Scheibe sei nicht zerbrochen, weil sie aus Sicherheitsglas bestehe, erklärt Reinhardt: „Das haben wir auf eigene Kosten einbauen lassen, als wir eröffnet haben. Es ist das einzige, was uns derzeit zuverlässig schützt“. Die unregelmäßige Bestreifung des Vorplatzes durch die Polizei erhöhe die Sicherheit kaum, kritisiert Reinhardt, die die Kneipe mit zwei weiteren Kol­le­g*in­nen betreibt.

Ihr Vorschlag: Eine Zivilstreife der Polizei, die den Vorplatz für eine Weile beobachtet. Dann würden die Tä­te­r*in­nen sicher gefasst werden – denn die kämen ja immer wieder.

Das Bajszel steht wie andere Einrichtungen in Berlin seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 im Fokus von propalästinensischen und antizionistischen Aktivist*innen. In der Kneipe finden regelmäßig antisemitismuskritische Veranstaltungen statt. Gäste mit Kufiya werden gebeten, diese abzulegen, wenn sie das Lokal betreten.

Das führe immer wieder zu Wortgefechten, erzählt Andrea Reinhardt. Doch damit komme sie besser klar als „mit der Feigheit dieser Angriffe bei Nacht“.

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7 Kommentare

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  • Das erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte.



    Das ist natürlich naheliegend, den sich als "links" bezeichnenden Personen, die derzeit in Berlin "aktiv" sind, scheinbar unklar.



    Wo ist der demokratische Ansatz?



    Wo versteckt sich das Argument?



    Mal angenommen, der/die TäterIn glaubt mit der Aktion ingendwie Einfluss auf den Krieg in Nahost gewinnen zu wollen, sitzen in dieser Kneipe TäterInnen?



    Wohl kaum!



    Jüdisches Leben und Symbole werden attackiert und das ist Nichts Anderes als Antisemitismus.



    Dafür habe ich kein Verständnis.



    Den BetreiberInnen des Bajszel sende ich aus der Ferne meine solidarischen Grüße!



    Es lässt immerhin für unsere Gesellschaft hoffen, dass hier dieser Artikel erscheint, stellvertretend für Menschen, die links sein und Antisemitismus klar trennen können.

  • Was ist "antisemitismuskritisch " ? So etwas wie Antifaschistischkritisch ?

  • Zum Glück haben sich sehr schnell Menschen mit dem Bajszel solidarisiert und gesagt: Das ist nicht okay!

    Leider waren Menschen die "Antiimperial" sind zu oft bei diesem Brandanschlag wortlos. Selbst einige die Brandanschläge auf Synagogen korrekterweise als antisemitisch eingeordnet haben.

    Konkret habe ich da eine Gruppe von Menschen im Kopf, welche sich in einer Kneipe im Schillerkiez traf und ideologisch mutmaßlich der PFLP zugeneigt schien.

  • "Unbekannte haben einen Pflasterstein in eine Fensterscheibe geworfen. Zudem sei ein rotes Dreieck an der Fassade entdeckt worden" Das scheint in Berlin ja fast schon Alltag zu sein. Rote Dreiecke in Berlin, Hakenkreuze woanders in der Republik. Widerlich

  • Wir Linken haben Islamismus und Antisemitismus definitiv zu lange unter den Teppich gekehrt. Es wird Zeit, die Hamas-Fans genauso wie die Faschos zu bekämpfen.

    • @Dunkelrot:

      Es ist längst überfällig.



      Der Antisemitismus der Linken hat leider eine lange Tradition. Von en versuchten Anschlägen der Tupamaros West Berlin, zu der Kooperation mit den Antisemiten der PFLP oder PLO von Kunzelmann und RAF. In dieser Tradition steht auch die Verteilung von Baklava nach den genozidalen Massaker der Hamas am 7.Oktober oder eben diese Anschläge.



      Gleichzeitig kommen die Relativierungen und Verharmlosungen wie aus der Pistole geschossen und ähneln in ihrer Art und Weise stark an die CDU oder AFD, wenn sie die Gefährlichkeit von Neo-Nazis runterspielen.



      Andere „linke" Personen tun auch gerne mal so, als wäre die Linken immun gegen Antisemitismus und dass thematisieren desselben einfach nur eine Diskreditierung der linken Szene sei.

      Jean Améry Essays aus den 70ern sind leider genauso aktuell wie damals.

  • Sicherheitskameras, die die Umgebung des Lokals überwachten, wären immerhin eine Teillösung.

    Leider werden sie in Deutschland, speziell in Berlin, als Teufelszeug betrachtet - selbst, wenn es darum geht, jüdisches Leben zu schützen.