Künstliche Intelligenz im Service: Die miauende Robo-Kellnerin

Roboterdesign wirkt oft stereotyp, dabei steckt darin sogar utopisches Potenzial. Die Dienstleistungs-Zukunft könnte der KI gelten.

Das Gesicht eines Roboters

BellaBot: Die weibliche Bedienung als schnurrendes Gastro-Kätzlein Foto: pudu

Bella ist der Traum eines jeden Arbeitgebers: Sie wird nicht krank, braucht keinen Urlaub und fordert keine Lohnerhöhung. Zudem hat sie immer gute Laune und streikt auch nicht. Behände umkurvt sie Hindernisse und liefert zuverlässig Essen und Getränke aus. Doch Bella ist kein Mensch, sondern eine Maschine. Genauer gesagt: ein Roboter.

BellaBot verfügt über einen 3-D-Raum-Scan zur Hinderniserkennung, eine Ablage mit Infrarotsensoren sowie ein multimediales Steuerelement, das auf Sprachkommandos und Berührungen mit einer KI-Stimme reagieren kann. Streichelt man den Roboter, gibt er ein emotionales Feedback: Auf dem Display erscheint dann eine katzenartige Mimik mit Augen, Mund und Schnurrbarthaaren.

Der selbstfahrende Servierroboter, der in einer chinesischen Robotikschmiede produziert wird und eine Traglast von 13 Kilogramm je Tablett stemmen kann, ist für die Gastronomie, Krankenhäuser sowie für Büros und Kantinen ausgerichtet. In einigen Hotels und Restaurants in Deutschland wird der Roboter bereits eingesetzt, zum Beispiel in Grömitz an der Ostsee oder im ostwestfälischen Warburg. Für die gebeutelte Hotel- und Gastrobranche, die unter Umsatzeinbußen und Personalmangel leidet, kommen die Roboter wie gerufen. Sie können die Belegschaft im Servicebereich entlasten, zudem besteht beim Kontakt Mensch/Maschine kaum eine Infek­tionsgefahr; und auf Dauer rechnet sich die knapp 20.000 Euro teure Anschaffung des Roboters.

Es geht hier aber nicht nur um betriebswirtschaftliche Kalkulationen, sondern auch um ethische Fragen: Warum hat der Bot, der als „miauende Robo-Kellnerin“ tituliert wurde, einen weiblichen Namen? Und warum ist er nach einer Katze modelliert? Warum werden über das Design Stereotype produziert und Männerfantasien bedient – die weibliche Bedienung als schnurrendes Kätzlein, das per Knopfdruck Bier auf den Tisch stellt?

Akzeptanz durch Design

Oliver Bendel ist Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Brugg-Windisch in der Schweiz und Experte für Maschinenethik. Er hat zahlreiche Publika­tio­nen zu dem Thema verfasst und war mehrfach Sachverständiger des Deutschen Bundestags. Im E-Mail-Interview mit der taz sagt er, dass das Design von Robotern einen starken Einfluss auf ihre Akzeptanz in einem sozialen Gefüge habe. „Indem wir menschliche oder tierische Attribute auf Roboter übertragen, machen wir sie persönlicher, sympathischer, einschätzbarer.“

In asiatischen Ländern gebe man Robotern gerne eine Tiergestalt, so Bendel. Der in Japan entwickelte Therapieroboter Paro etwa ist einer Robbe nachempfunden, der Pflegeroboter Robear sieht aus wie ein Bär. Die Geschlechtlichkeit spiele hier eine nachgeordnete Rolle. Und wenn das Werkzeug Augen bekomme, sei dagegen nichts einzuwenden, so Bendel. Es sei ein geschickter Trick: „Man hilft BellaBot automatisch, etwa in den Aufzug hinein, und man drückt gerne den passenden Knopf für sie“, sagt der Maschinenethiker. „Dinghafte Gestaltungen mit tierhaften Elementen“ seien daher keine schlechte Idee.

Es gibt aber auch anthropomorphe Roboter, die wie Menschen aussehen. Die Robo-Frau Sophia zum Beispiel, eine Kreatur der Hongkonger Robotikschmiede Hanson Robotics. Der humanoide Roboter, der nach Audrey Hepburn und Nofretete modelliert sein soll, hatte schon einen gemeinsamen Auftritt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. In diesem Sommer erblickte Sophias kleine Schwester das Licht der Welt: Grace. Die Robo-Frau, die mit ihrem braunen Bob und hellen Teint an Anime-Charaktere erinnert, wurde eigens dafür entwickelt, PflegerInnen bei der Arbeit im Krankenhaus zu unterstützen. Mithilfe von Kameras und Sensoren erkennt der Pflegeroboter Gesichter und Stimmen, er kann Blickkontakt halten, die Temperatur messen und dank KI Diagnosen auf Englisch oder Chinesisch stellen. Sieht so die Zukunft der Pflege aus?

Grace könnte problemlos auch in Res­taurants bedienen. Gerade erst hat ein Roboterfabrikant eine Summe von 200 000 Dollar ausgelobt, wenn man sein Gesicht einem Roboter leiht, der 2023 in Shopping-Malls und Flughäfen herumfährt. Aber wollen wir Roboter um uns herum haben, die so aussehen wie wir? Oder lieber Maschinen, die auch wie solche aussehen?

Unheimliches Lächeln

Für Bendel hängt das vom Einsatzgebiet ab: „Ein Barkeeper wird meist mit Hilfe eines Cobots umgesetzt. Man nutzt also einen Roboterarm, der kaum etwas von einem Menschen oder einem Tier hat, außer dass es eben ein Arm ist.“ Für einen Roboter, der Kaffee oder Cocktails zubereitet, bräuchte es kein humanoides Design. Roboter wie Sophia oder Grace kann sich Bendel aber durchaus als Bedienungen im Raum vorstellen, die sich von Tisch zu Tisch bewegen und Teller abräumen oder Essen servieren. „Allerdings wirken sie unheimlich, wenn sie lächeln“, berichtet der Wissenschaftler. Und in der Gastronomie müsse oft gelächelt werden. Für Sophia und Co. sei es daher „wohl zu früh“, in Restaurants und Bars eingesetzt zu werden – auch wegen der motorischen Fähigkeiten, die noch „stark unterentwickelt“ seien.

Bendel hält Roboter für eine sinnvolle Assistenz im Dienstleistungsgewerbe. Er verweist aber auch auf die ingenieurtechnischen Herausforderungen: „Ich habe jahrelang in Szenekneipen und Studentencafés bedient und kenne die Tücken des Geschäfts. In manchen Lokalen hat man unebenen Boden, Stützbalken etc. Einige gehen über mehrere Etagen. Überall stehen Tische und Stühle. Das ist alles nicht ganz einfach für einen rollenden Roboter.“ Hinzu komme, dass der Bot nicht mit anderen Bedienungen oder mit Gästen kollidieren sollte. Transportroboter wie Relay, der bereits durch Hotelflure kurvt und Zahnpasta oder Kaffee aufs Zimmer bringt, könnten dennoch gewisse Routinearbeiten erledigen und beim Abräumen helfen, so Bendel. „Relay ist dinghaft gestaltet, zeigt jedoch Augen auf dem Display und gibt niedliche Töne von sich.“

Wo verläuft die Grenze von Niedlichkeit und Sexismus? Selbst wenn man sich für ein geschlechtsneutrales Design entscheidet, entbindet das nicht von der Genderfrage, weil die Stimme bestimmte Rollenbilder evoziert. Da steht dann zwar ein Kätzchen oder Bär vor einem, aber die Stimme ist immer weiblich. Virtuelle Assistenten wie Siri und Alexa tragen weibliche Namen und haben in der Standardeinstellung Frauenstimmen (außer in Großbritannien, wo Siri wie der traditionelle Butler männlich ist), auch die meisten Navis werden von Frauen eingesprochen. Darin manifestiert sich die tradierte Vorstellung von der Frau als Dienerin und Dienstleisterin. Doch diese Rollenklischees werden allmählich überwunden. So macht seit vergangenem Jahr die trans Schauspielerin und Synchronsprecherin Philippa Jarke in der Berliner U-Bahn die Ansagen.

Mehr Diversität

Und auch die Technik macht Fortschritte. So haben zwei dänische Unternehmen ein Computerprogramm entwickelt, das eine genderneutrale Stimme produziert. Q, wie das Programm heißt, spricht wie ein Jugendlicher kurz vor dem Stimmbruch. Das könnte ein Modell für Transgender-Roboter sein.

Auch wenn das im Moment noch sehr nach Utopie klingt, könne die Koexistenz von Mensch und Maschine Diversität in der Gesellschaft erhöhen, meint Bendel: „Soziale Robotik trägt die Chance in sich, eine Vielfalt in der Fiktionalität darzustellen, die dann eine Vielfalt in der Realität fördern kann. Wir werden mit immer mehr Elfen, Kobolden, Mangamädchen, Meerjungfrauen, Meerjungmännern, blauen und grünen Avataren etc. zusammenleben, die es zuerst im Virtuellen und Robotischen und dann im Menschlichen gibt.“

„Unsere großen Themen werden immer Sexualität und Tod sein“, ist sich Bendel sicher. Das bedeute aber nicht, dass wir Roboter als geschlechtliche Wesen gestalten müssen. „In einigen Bereichen ergibt das Sinn, eben wenn wir die Roboter als Partner sehen oder wenn sie in einer bestimmten Rolle Empathie und Emotionen zeigen sollen.“ Doch häufig könne man darauf verzichten. Ein Barista, der nichts anderes als ein gesichtsloser Cobot ist, sei an sich schon faszinierend, findet Bendel. Und wenn der Kaffee gut schmeckt und nicht verschüttet wird, hat der Roboter seinen Dienst getan.

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